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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 10
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Friedrichs, Fritz: Zwei Malerbriefe und eine Antwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0376

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Töne des Mittelgrundes — aber was verstehst Du
davon!

Um auf die Bilder zu kommen, über die Du
meine Meinung hören willst, so weiß ich mir nur
eins nicht zu erklären, wie Du sie gleichzeitig mit
Ce'zanne, Renoir (oder nicht Renoir?), Daumier,
Delacroix, Pissarro (aber ich glaube nicht mit Pissarro)
in Deinem Herzen vereinen kannst. Oder meinet-
wegen tausendmal in Deinem weiten Kunstgeschichtler-
lierzen, aber in Deinem Auge. Du schwärmst von
den Cezannes bei Meyers, aber zugleich redest Du
von den Noldes, den Expressionisten, als wenn sie
ähnlich weitersprächen und auch Verse machten. Du
bist ein junger Philosoph und Kunstgelehrter und
untersuchst garnicht das die ganze Kunst ausmachende
Element, nämlich ihre Sprache, die doch eigentlich
allein in ihrer Qualität zur Diskussion stehen sollte.
So ganz nebenher redest Du davon. Immer nur von
neuer Religion, Gesinnung, Stil, Gotik, Erotischem,
Esoterischem. Esoterischem!!! In was denn Ein-
geweihtem? Doch jedenfalls nicht in die Sprache
und ihre Geheimnisse, jedenfalls in keine bekannte.
Aber hier wirst du einhacken; das wäre es, da wäre
eine neue Sprache. Hast Du einmal darüber nach-
gedacht, was das heißen will; man ignoriert eine
vorhandene und will eine neue Übereinkunft schaffen,
oder keine Übereinkunft? Es dreht sich alles, Euch
ist alles recht, Ihr findet das Leben auch so schön.
Unten in der Gaststube haben sie das Grammophon
angedreht, adieu.

Nach dem Spaziergang.

In dieser Verfassung mag ich Dir nicht ausein-
andersetzen, was es mit der Sprache, mit der Musik
und mit der Malerei auf sich hat und daß Ihr das,
was Ihr Ausdruck nennt, überschätzt, daß die Seele
und der Ausdruck zu kurz dabei kommen. Ich würde
keinen Anstand nehmen, es dem Friseur unten klar
zu machen, aber es entmutigt mich, es einem halb-
wegs gebildeten und sogar musikalischen Deutschen
auseinandersetzen zu müssen, daß Kunst mehr als
Mitteilung und Bekenntnis ist, daß gute Kunst nicht
aus Höflichkeitgut spricht, gut malt, himmlisch klingt,
wie Uhde in seinem Rousseaubuch schreibt, und daß
sie eigentlich viel direkter sein könnte, sondern daß
sie ein schönes Gewebe schafft, weil die Schönheit,
Dichtigkeit und Lebendigkeit des Gewebes selbst der
Ausdruck ist und zur Gebärde wird.

Irgend etwas kränkt mich in Deinem Brief. Du

denkst, ich male, während Deine Freunde schaffen.
Ich pinsele, sie gestalten, ich Naturliebhaber, sie
Schöpfer, ich imitierend, sie Gotiker. Bist Du gar-
nicht nachdenklich über die Vermehrung dieser Gotik?
Wenn in zwei Jahren in jeder Sonntagsausgabe und
in jedem Modenblatt die Schnittmuster und Anlei-
tungen auch Deine Tanten, Deine Cousinen, überhaupt
die ganze beschäftigungslose Jugend zu Expressio-
nisten, Gotikern und Exoten gemacht haben werden,
dann wird Dir der neue Stil erst wahrhaft als Kunst
für Alle aufgehen. Es ist ja jetzt schon so. Ich
werde Dir übrigens meine Bilder nicht mehr zeigen.

Freitag.

Bitte nicht wieder solche Telegramme. Die An-
kündigung des Besuches von Dir und der P. M. hat
mir geschadet. Der Postbote war schon weg, ich
mußte meine Absage eine Stunde weit tragen. Auch
da wurde nicht gleich telegraphiert, sondern mein
„Nein" erst zum nächsten Amt telephonisch weiter-
gegeben. Hin und zurück zwei Stunden. Also noch-
mals, bitte keine Besuche mit Malerinnen, auch nicht
mit „begabten"! Ihr Bedürfnis, sich anzuregen und
wie ihren Hut in der Ladenscheibe, so ihr Talent in
jedem fremden Bild zu spiegeln, ist mir nicht ange-
nehm. Ich glaubte anfangs, Deine Begleitung wäre
die Modersohn und später fiel mir ein, daß sie ja
schon tot ist. Aber auch andere P. M.s sollen nicht
kommen, nein, ich halte nichts von ihnen. Unterwegs
vom Postamt hierher habe ich Dir in Gedanken gesagt,
warum; die falschen Töne, die sinnlose und verkehrte
Konturierung etc., alles was Du technisch nennst,
aber damit sind wir ja schon wieder mitten in Dei-
ner Ausstellung.

Kennst Du eigentlich die Maleraffäre von Till
Eulenspiegel? Eulenspiegel machte sich anheischig,
für irgend einen Landgrafen einen leeren Festsaal
herrlich auszumalen. Er wurde angenommen, mit
einem Lehrling verpflichtet und auf seinen Wunsch
in dem betreffenden Raum eingeschlossen. Dort tat
er und ließ er — garnichts tun. Er aß und trank,
sah aus dem Fenster, träumte, redete, unsinniges Zeug
natürlich und ließ, nachdem die Woche verstrichen
war, ohne daß ein Pinsel, eine Farbe die Wand be-
leckt hatte, den Kurfürsten mit seinem Hofe kommen
und hielt ihm, vor der Tür, etwa folgende Rede:
Meine Malerei ist fertig und gut geworden. Neben
ihren strahlenden Eigenschaften hat sie nur eine kleine
böse: die nämlich, nicht wahrgenommen zu werden

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