PABLO PICASSO, BILDNISSTUDIE
von denjenigen, die makelhafter und bastardiger Ge-
burt sind, da aber Euere Hoheit, wie selbstverständ-
lich auch die ganze vornehme Gefolgschaft Euerer
Gnaden in reiner Ehe, von adeligen und hochadeligen
Eltern gezeugt sind, so ist ja eigentlich dieser ganze
Prologos unnötig und ich werde jetzt die Freude haben,
in Eueren distingierten Gesichtern Kennerlächeln und
Befriedigung zu lesen. Alle, befangen gemacht durch
diese seltsame Ansprache, betraten den Saal und siehe
da, es war alles weiß und kahl. Auf der Erde genug
Zeugen von bedeutender Tätigkeit, die geheimnisvollen
Geräte, ein befleckter Boden, dann der scheue Ge-
hilfe, der sich irgendwo schabend zu schaffen machte.
Peinvolle Stille, dann allgemein schnelles Sichfassen
der Höflinge, an ihrer Spitze der Landgraf. Aus-
drücke, Lächeln, Gebärden der Ergriffenheit, Ge-
flüster, Gemurmel, Geseufze, und
schließlich überschwänglicher Beifall
aus eifrigen Händen und in über-
anstrengten, starren und flackernden
Augen. Till etwa: Hier diese Töne des
Tizian, dort ganz und gar eigenes,
ganz unten die Bacchanten, oben die
Engel, links Zeus und der Schwan,
dort — „Aber da ist ja garnichts."
Alles fährt verstummt und nach etwas
lechzend herum. Die Tochter des Land-
grafen hatte es gerufen. Der erblich.
Aber der Bann war gebrochen, Geläch-
ter,Verjagung,anderswo andere Streiche.
Auch ich will mich gerne zu un-
ehelicher und schlechter Geburt be-
kennen und fröhlich sagen, wo ich
sehe und nicht sehe. Ich sehe nichts.
In dieser Ausstellung wenigstens nichts.
Wenigstens keine Bilder, oder was ich
so nennen kann. Nu> leere Leinwand
mit Farbe bedeckt, koloriert, betuscht,
Angestrichenes, aber keine Schöpfung,
wo es weht, atmet, Blut hat, leidet,
froh ist, nirgendswo Haut, Fleisch,
Menschen, Liebe, Raum, Unendlichkeit,
Wellen, nur Ultramarin, Rot, Schwarz,
Drogistensachen, Ornamente, Über-
schriften, Vorwände und Literatur.
Tiefschwarze Tinte im Blut, hast Du,
Erlauchter, daß Du anderes zu er-
blicken vorgibst. Fünfzig Eulenspiegel
haben Dich betrogen.
War eine Ausstellung vor zehn, fünfzehn Jahren
leer, nur behängt mit Rahmen, die Pastoses, Rohes,
Flottes, Nüchternes umschlossen, so ist das jetzt nicht
anders geworden. Dieselbe Art des Phantasielosen
hat auch heute zur Beschauung des Nichts geladen.
Andere Beschwörungsformeln. Es sieht bunter aus,
wenn auch kaum geheimnisvoller. Aber derselbe eitle
und nichtige Geist hat auch diese Äußerungen des
Bedürfnisses hübsch zu tun, Angenehmes und Ärger-
liches zu machen, Kunst und Malerei genannt. Da
ist derselbe Dilettantismus, der im Grunde gleiche
Naturalismus, das kindisch anmutende Bekenntnis
zur Persönlichkeit, wo nur Nachahmung und Unge-
zogenheit wahrzunehmen ist. Nicht eigentlich ein
weiterer Verlust an Mitteln und Fähigkeiten, der ja
schon damals so groß war, daß das Nichts mit nichts
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von denjenigen, die makelhafter und bastardiger Ge-
burt sind, da aber Euere Hoheit, wie selbstverständ-
lich auch die ganze vornehme Gefolgschaft Euerer
Gnaden in reiner Ehe, von adeligen und hochadeligen
Eltern gezeugt sind, so ist ja eigentlich dieser ganze
Prologos unnötig und ich werde jetzt die Freude haben,
in Eueren distingierten Gesichtern Kennerlächeln und
Befriedigung zu lesen. Alle, befangen gemacht durch
diese seltsame Ansprache, betraten den Saal und siehe
da, es war alles weiß und kahl. Auf der Erde genug
Zeugen von bedeutender Tätigkeit, die geheimnisvollen
Geräte, ein befleckter Boden, dann der scheue Ge-
hilfe, der sich irgendwo schabend zu schaffen machte.
Peinvolle Stille, dann allgemein schnelles Sichfassen
der Höflinge, an ihrer Spitze der Landgraf. Aus-
drücke, Lächeln, Gebärden der Ergriffenheit, Ge-
flüster, Gemurmel, Geseufze, und
schließlich überschwänglicher Beifall
aus eifrigen Händen und in über-
anstrengten, starren und flackernden
Augen. Till etwa: Hier diese Töne des
Tizian, dort ganz und gar eigenes,
ganz unten die Bacchanten, oben die
Engel, links Zeus und der Schwan,
dort — „Aber da ist ja garnichts."
Alles fährt verstummt und nach etwas
lechzend herum. Die Tochter des Land-
grafen hatte es gerufen. Der erblich.
Aber der Bann war gebrochen, Geläch-
ter,Verjagung,anderswo andere Streiche.
Auch ich will mich gerne zu un-
ehelicher und schlechter Geburt be-
kennen und fröhlich sagen, wo ich
sehe und nicht sehe. Ich sehe nichts.
In dieser Ausstellung wenigstens nichts.
Wenigstens keine Bilder, oder was ich
so nennen kann. Nu> leere Leinwand
mit Farbe bedeckt, koloriert, betuscht,
Angestrichenes, aber keine Schöpfung,
wo es weht, atmet, Blut hat, leidet,
froh ist, nirgendswo Haut, Fleisch,
Menschen, Liebe, Raum, Unendlichkeit,
Wellen, nur Ultramarin, Rot, Schwarz,
Drogistensachen, Ornamente, Über-
schriften, Vorwände und Literatur.
Tiefschwarze Tinte im Blut, hast Du,
Erlauchter, daß Du anderes zu er-
blicken vorgibst. Fünfzig Eulenspiegel
haben Dich betrogen.
War eine Ausstellung vor zehn, fünfzehn Jahren
leer, nur behängt mit Rahmen, die Pastoses, Rohes,
Flottes, Nüchternes umschlossen, so ist das jetzt nicht
anders geworden. Dieselbe Art des Phantasielosen
hat auch heute zur Beschauung des Nichts geladen.
Andere Beschwörungsformeln. Es sieht bunter aus,
wenn auch kaum geheimnisvoller. Aber derselbe eitle
und nichtige Geist hat auch diese Äußerungen des
Bedürfnisses hübsch zu tun, Angenehmes und Ärger-
liches zu machen, Kunst und Malerei genannt. Da
ist derselbe Dilettantismus, der im Grunde gleiche
Naturalismus, das kindisch anmutende Bekenntnis
zur Persönlichkeit, wo nur Nachahmung und Unge-
zogenheit wahrzunehmen ist. Nicht eigentlich ein
weiterer Verlust an Mitteln und Fähigkeiten, der ja
schon damals so groß war, daß das Nichts mit nichts
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