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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

DOI Heft:
Heft 5 (September/Oktober 1917)
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Ritterling, Emil: Die "Osi" in einer afrikanischen Inschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0152

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es ist bekannt, daß in den drei ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit gerade
die nicht reichsangehörigen Barbarenstämme mit dem Worte gentes, ihre
Angehörigen mit gentiles charakterisiert werden (Ausnahmen in Afrika z. B.
C VIII 23 195)-

Für die Bestimmung der Wohnsitze der Onsi im allgemeinen gibt einen
ungefähren Anhalt das Standquartier der Legion, deren Offizier ihr Gouverneur
war, nämlich Aquincum in Unterpannonien. Danach werden sie jenseits der
mittleren Donau, nördlich oder östlich vom Flußknie bei Waitzen, also im
nordwestlichen Ungarn zu suchen sein. In dieser Gegend saßen die bisher
nur in zwei Stellen der Germania des Tacitus1) genannten ,,Osi“. (Müllenhoff,
DeutscheAltertumsk.il, 323 h, 334f). Dieses Volk wird in der gens Onsorum
der afrikanischen Inschrift wiederzuerkennen sein2). Die Abweichung in der
Schreibung des Namens kann gegen die Identität keinesfalls ins Gewicht
fallen; bekanntlich erscheint der lange Vokal vor s bald mit bald ohne
Nasalierung in zahlreichen Worten, da das n in der Aussprache wenig oder
gar nicht zur Geltung kam. Und wie der etymologisch berechtigte Nasal
häufig unterdrückt wird (am bekanntesten cositl = consul; ferner costituta,
Costantino, Costas, mesa, Prüdes, clemes, trasmarinus u. a. m.), so erscheint
umgekehrt auch ein parasitisches n zwischen Vokal und s eingeschoben (z. B.
Formonsus, pariens, Gangens, Atlans, thensaurus, herens, besonders häufig
in afrikanischen Inschriften: legens (— leges), Gaensorianis, conversans, mense-
leum (= m[a]esoleum) 3). Infolge dieser durch die Aussprache hervorgerufenen
Unsicherheit in der Orthographie kann auch die nasalierte Form des Völker-
namens Onsi entstanden sein. Aber auch die Frage muß offen bleiben,
ob diese nasalierte, oder die in den Handschriften des Tacitus überlieferte
ohne Nasal die ursprüngliche Form des Namens darstellt.

Die Wohnsitze der Osi — Onsi befanden sich südöstlich der an dem
oberen Gran ansässigen Cotini, also im Gebiet des oberen Eipel, etwa den * V

h Tacit. Germ. 43: retro Marsigni Cotini Osi Buri terga Marcomanorum Quadorumque

claudunt.Cotinos Gallica, Osos Pannonica lingua coarguit non esse Germanos, et quod

tributa patiuntnr. partem tributorum Sarmatae, partem Quadi ut alienigenis imponunt . . .
omnesque hi populi pauca campestrium, ceterum saltus et vertices montium insederunt., und
c. 28: utrum Aravisci in Pannoniam ab Osis, an Osi ab Araviscis in Germaniam commigra-
verint, cum eodem adhuc sermone institutis moribus utantur, incertum est. Ob der Name
der Osi auch in der Liste der zum Markomannenkrieg vereinigten Völker (vita Marci 22, 1)
aus der verderbten Überlieferung herzustellen ist, wie Müllenhoff, Zeitschr. f. d. Altert. IX
S. 131 ff. vermutete, muß dahingestellt bleiben; Domaszewski in seiner Behandlung dieser
Liste (Serta Harteliana 1896, S. 10 ff.: Der Völkerbund des Markomannenkrieges) hat diese

V0aiuv zu ändern sei, höchst zweifelhaft. Mit Wahrscheinlichkeit zu ergänzen ist der Name
der Osi in dem von Premerstein dem M. Vinucius zugeschriebenen Inschriftfragment aus
augusteischer Zeit (Jahresh. d. Osterr. Archäol. Inst. VII, 1904 S. 228 f). Daß die "Ooiot des
Ptolemaeus III, 5, 10 und die vOatW ebenda, beide im nordöstlichen Europa, mit den Osi
des Tacitus nicht in Beziehung zu bringen sind, ergibt sich aus ihrer geographischen
Ansetzung.

a) Neuerdings hat Fastlinger, der Volksstamm der Plosi (in Beitr. z. Anthrop. und
Urgesch. Bayerns XIX S. 1 —12) den Beweis zu erbringen versucht, daß. Volk und Name
der Osi des Tacitus noch bis ins Mittelalter sich erhalten haben als eines der 5 alten
baiuwarischen Adelsgeschlechter, der Hosi, deren Sippe mit dem gleichnamigen Volks-
stamm den Hosi-Gau im südwestlichen Bayern innehatte. Ob diese Gleichsetzung nach
der sprachlichen und geschichtlichen Hinsicht einer Prüfung standhält, mag hier dahin-
gestellt bleiben. Jedenfalls setzt sich die Annahme, daß die Osi ein Teil der in Bayern
eingewanderten Baiuwaren, also ein germanischer Stamm seien, in Widerspruch mit dem
Zeugnisse des Tacitus, der ihnen germanische Herkunft ausdrücklich abspricht.

5) Vgl. E. Hoffmann, De titulis Africae latinis quaestiones phoneticae. Berlin 1907,
S. 47; den Hinweis auf diese Schrift und auf verschiedene oben angeführte Beispiele
verdanke ich A. Brinkmann-Bonn.
 
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