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Der zweite Panische Krieg bis Carmae.
angenommen wird. Daher ist dann auch das „moralische Ver-
derben", das nach Delbrück beim Einbruch der Feinde in die Lücken
noch schlimmer sein soll als das physische, hier keineswegs vorhanden,
vorausgesetzt, daß man sich auf das Einspringen der Principes ver-
lassen konnte. Wir haben es eben bei der römischen Legion eigentlich
gar nicht mit einer linearen Front, sondern mit einer Aufeinander-
folge zahlreicher kleiner Gewalthaufen zu tun. Mir will scheinen,
daß Delbrück sich hier durch die ihm aus Friedrichs d. Gr. Studium
so vertrauten Begriffe der linearen Taktik die Augen hat blenden lassen
und daß er nun, ohne wieder richtig sehen zu wollen oder zu können,
mit dem Mute der Verzweiflung für seine These weiterfleht. Sonst
hätte er doch wahrhaftig so etwas wie das „Abschlachten von der
Seite" nicht schreiben können. Auch ist ihm ja selber, wie oben S. 313
schon bemerkt worden ist, gelegentlich eine Ahnung von der Gefähr-
lichkeit solcher Umfassungsbewegungen aufgegangen, die sich ihrerseits
wieder der Flankierung aussetzen.
4.) Endlich ist der Fall möglich, daß beide Schlachtreihen in
durchbrochener Front kämpfen. Dann wird nicht etwa, wie Delbrück
meint, „völlige Konfusion" eintreten, und es kommt auch nicht darauf
an, ob „zufällig Manipel auf Manipel, oder Manipel auf Intervall
stößt", sondern die Abteilungen werden sich gegenseitig suchen, wozu
ihnen die Intervalle den Spielraum geben. Denn keiner gerät gerne
zwischen zwei Abteilungen und macht einen Luftstoß.
Charakter des Noch muß ich dem Irrtum vorbeugen, der aus dem von Delbrück
Einzel-Massen-
kampies. wiederholt gebrauchten Ausdrucke „Kunstfechten" entstehen könnte,
weil er eine falsche Vorstellung von den Vorgängen erweckt.
Es versteht sich wohl von selber und ist von mir auch schon
früher betont worden (Sachkritik S. 17), daß man sich das Stadium
des Kampfes, in welchem sich die Schlacht in eine Reihe von Einzel-
kämpfen der Krieger in den ersten Gliedern auflöst, nicht als ein
„Kunstfechten* auffassen darf, welches durch Einhaltung bestimmter
Vorschriften und Regeln, gewissermaßen eingedämmt worden wäre.
Sondern es wurde hier von so vielen aus den ersten Gliedern, als an
den Feind kommen konnten, in leidenschaftlichster und rücksichts-
losester Weise von jedem Vorteil, den man sich ersehen konnte,
Gebrauch gemacht, Stoß und Hieb mit dem Schwert, Anprall mit dem
Schilde, um den Gegner vom Platze zu werfen, brutaler Anlauf und
geschicktes Ausweichen angewandt, und das alles unter lebhaftester
Der zweite Panische Krieg bis Carmae.
angenommen wird. Daher ist dann auch das „moralische Ver-
derben", das nach Delbrück beim Einbruch der Feinde in die Lücken
noch schlimmer sein soll als das physische, hier keineswegs vorhanden,
vorausgesetzt, daß man sich auf das Einspringen der Principes ver-
lassen konnte. Wir haben es eben bei der römischen Legion eigentlich
gar nicht mit einer linearen Front, sondern mit einer Aufeinander-
folge zahlreicher kleiner Gewalthaufen zu tun. Mir will scheinen,
daß Delbrück sich hier durch die ihm aus Friedrichs d. Gr. Studium
so vertrauten Begriffe der linearen Taktik die Augen hat blenden lassen
und daß er nun, ohne wieder richtig sehen zu wollen oder zu können,
mit dem Mute der Verzweiflung für seine These weiterfleht. Sonst
hätte er doch wahrhaftig so etwas wie das „Abschlachten von der
Seite" nicht schreiben können. Auch ist ihm ja selber, wie oben S. 313
schon bemerkt worden ist, gelegentlich eine Ahnung von der Gefähr-
lichkeit solcher Umfassungsbewegungen aufgegangen, die sich ihrerseits
wieder der Flankierung aussetzen.
4.) Endlich ist der Fall möglich, daß beide Schlachtreihen in
durchbrochener Front kämpfen. Dann wird nicht etwa, wie Delbrück
meint, „völlige Konfusion" eintreten, und es kommt auch nicht darauf
an, ob „zufällig Manipel auf Manipel, oder Manipel auf Intervall
stößt", sondern die Abteilungen werden sich gegenseitig suchen, wozu
ihnen die Intervalle den Spielraum geben. Denn keiner gerät gerne
zwischen zwei Abteilungen und macht einen Luftstoß.
Charakter des Noch muß ich dem Irrtum vorbeugen, der aus dem von Delbrück
Einzel-Massen-
kampies. wiederholt gebrauchten Ausdrucke „Kunstfechten" entstehen könnte,
weil er eine falsche Vorstellung von den Vorgängen erweckt.
Es versteht sich wohl von selber und ist von mir auch schon
früher betont worden (Sachkritik S. 17), daß man sich das Stadium
des Kampfes, in welchem sich die Schlacht in eine Reihe von Einzel-
kämpfen der Krieger in den ersten Gliedern auflöst, nicht als ein
„Kunstfechten* auffassen darf, welches durch Einhaltung bestimmter
Vorschriften und Regeln, gewissermaßen eingedämmt worden wäre.
Sondern es wurde hier von so vielen aus den ersten Gliedern, als an
den Feind kommen konnten, in leidenschaftlichster und rücksichts-
losester Weise von jedem Vorteil, den man sich ersehen konnte,
Gebrauch gemacht, Stoß und Hieb mit dem Schwert, Anprall mit dem
Schilde, um den Gegner vom Platze zu werfen, brutaler Anlauf und
geschicktes Ausweichen angewandt, und das alles unter lebhaftester