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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Ein Wort zur Frage der Beteiligung des Bayerischen Kunstgewerbes an der Ausstellung in St. Louis 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0234

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Ein Wort zur Frage der Beteiligung des Bayerischen Aunstgewerbes an der Ausstellung in 5t. Louis ;90<*.

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7fe CRAFIsMAN • APR.. iqo3

Auf öeru Gebiete der geistigen Arbeit jeder Art
eilte die Privatinitiative der Möglichkeit staatlichen
Interesses an solchen Dingen weit voraus und schuf
eine ungezählte Reihe von Institutionen, die jedem,
auch dem Unbemittelten zugänglich, unter Zuwen-
dung namhafter materieller Mittel rasch und zweck-
entsprechend sich entwickelten. Man denke an das
Universitätsprojekt von San Franzisko, das in seiner
ganzen riesigen Entwicklung der Initiative einer
Dame entsprungen ist! Gder an die umfangreichen
Ausgrabungen Pilprechts in Babylon, die nur aus
Privatmitteln bestritten werden und in wenigen
Jahren so viel zu Tage förderten, wie die gleichen
Arbeiten aller europäischen Aulturstaaten zusammen
es nicht vermochten. Man denke an die prächtige
Neuyorker Galerie, welche die besten Bilder der
Schule von Fontainebleau vereinigt und samt Ge-
bäuden und Unterhaltungskapital von zwei Damen
geschenkt wurde; oder an die Forderung eines in
Thicago tätig gewesenen Zoologen, der zwecks Er-
härtung gewisser Hypothesen ein wohlausgerüstetes,
mit allen wissenschaftlichen Apparaten versehenes
Schiff und das nötige Geld zu einer monatelangen
Expedition brauchte, und alles in kürzester Zeit an-
standslos bewilligt erhielt; man denke an ungezählte
analoge Halle, so wird die Tatsache wohl kaum be-
stritten werden wollen, daß drüben der feste Wille
und die Mittel vorhanden sind, um aller geistigen
Arbeit machtvoll zu sekundieren. Die exakte Forschung
verfügt drüben z. B. über Laboratorien, die in An-
lage und Ausstattung überhaupt das Beste und
Größte ihrer Art auf dem gesamten Erdenrund sind.
Lehrkräfte hervorragender Art sind, wo sie alle Vor-

bedingungen gedeihlicher
Arbeit in glänzendster Weise
erfüllt sehen, zu bekommen
und so ist in den Ver-
einigten Staaten der Nähr-
boden für eine geistige
Entwicklung von größter
Bedeutung geschaffen.

In Europa sind mäch-
tige Parteien im Begriffe,
diesen Nährboden der
geistigen Entwicklung nach
Tunlichkeit zu zerstören.
Die Aonsequenzen, die sich
daraus mit der Zeit von
selbst ergeben müssen, wer-
den wissentlich oder un-
wissentlich übersehen. Darin
liegt u. a. eine sichere Ge-
währ für die Wirkung der
künftigen Superiorität Amerikas. Der erste Schuß
ainerikanischerseits, auf spanische Fahrzeuge abge-
geben, galt nicht den: verkommenen Lande der pidalgos
allein; es war der Anbruch einer neuen Lage der
Dinge, der Ausdruck einer sich vorbereitenden Macht-
verschiebung umwälzendster Art. Und von all diesen
Dingen nahm man in Europa möglichst wenig Notiz.
Mit dem ewigen pochen auf die bedeutendere, weil
ältere Aultur Europas werden jene Lücken der Ein-
sicht nicht gedeckt, die tatsächlich in beinahe beschämen-
der Weise sich tagtäglich dokumentieren. Ein altes,
deutsches Sprichwort sagt: „pochmut kommt vor
dein Hall!"

Anläßlich der Weltausstellung in Philadelphia,
^876, spielte die amerikanische Aunst noch eine höchst
unbedeutende Rolle. Man bezog weitaus das meiste
von Europa und nahm auch manches mit in Aauf,
was diesseits des Atlanticus nicht- als einwandfrei
gegolten hätte. München sah im gleichen Jahre
seine sehr geglückte erste Aunst- und Aunstgewerbe-
Ausstellung und war unbestrittenermaßen in diesen
Dingen damals obenauf.

Schon die nächste amerikanische Weltausstellung,
jene von Thicago, zeigte ein wesentlich verändertes
Bild. Man war europäischerseits den amerikanischen
Fortschritten nicht mit voller Aufmerksamkeit gefolgt,
zumal nicht von deutscher Seite, daher sich denn der
Erfolg nicht so anließ, als man vermutet hatte, ja
man konnte zum Teil sogar von einem unzweifel-
haften Mißerfolge sprechen. Deutsche Stimmen, so
Bode und Lessing aus Berlin, haben sich darüber
gründlich und offen ausgesprochen. Schon im
Jahre l8ß3 hatte Thampier in der Revue cles Art3

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