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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Grautoff, Otto: Deutsche Bucheinbände der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0290

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Deutsche Bucheinbände der Neuzeit.

Bestellers, schuf; er hatte voll-
kommene freie Hand im Ent-
werfeii und in der Ausführung
feiner Embände. Gerade da-
durch hat Aersien sich zu einer
so schönen Meisterschaft ent-
wickeln können.

Hübel Sc Denck sind aber
eine seit mehreren Jahrzehnten
in Leipzig florierende Großbuch-
binderei, die dem Geschmack
despublikums entgegenkommen,
wenn nicht sogar des öfteren
nachgeben muß. Da ist es
denn hoher Ehren wert, wenn
die Leiter einer solchen Fabrik
Geschmack und Kunstsinn genug
sich bewahren, um die kunst-
gewerbliche Abteilung in ihrem
Betrieb dauernd zu pflegen und
auszubilden; zumal diese luxu-
riösen Arbeiten, die häufig
ohne Aufträge entstanden sind,
ihnen große Kosten verursachen, aber oft wenig
klingende Erfolge eintragen. Der Aunstsinn einer
solchen Fabrik kann nicht hoch genug eingeschätzt
werden; vor allem, wenn er sich in so reifer und
vornehmer Weise betätigt wie bei Hübel & Denck.
Wenn wir Einbände dieser Anstalt uns durch die
Hände gehen lassen, so fällt uns besonders angenehm
auf, daß sich nirgends eine Überladung, nirgends
ein Zuviel, nirgends ein aufdringliches hervorkehren
von technischen Aenntnissen findet. — Überall Be-
scheidenheit, Zurückhaltung: kurzum im wahrsten Sinne
des Wortes überall die stille, selbst-
verständliche Vornehmheit eines
hoch kultivierten und künstlerisch
ausgereiften Geschmacks spricht aus
diesen Arbeiten zu uns. Es ist
ein Vergnügen seltener Art, die
Werkstätten dieser Anstalt zu be-
sichtigen. Die Ehefs wissen selbst,
daß sie in ihrer Großbuchbinderei
leider nur zu oft geschmacklose,
stillose, überladene, häßliche Ent-
würfe ausführen müssen; sie wissen
es nicht nur, sie gestehen es selbst-
ein und geben es jedem eiligen
Tadler zu; das sind eben Auf-
träge, die sie schlecht und recht er-
ledigen müssen. Dafür aber setzen
Hübel & Denck dort, wo ihnen
freie Hand gelassen ist, ihre ganze

Araft ein, um künstlerischen
Ansprüchen Genüge zu leisten.
Eine Reihe der begabtesten,
deutschen Handvergolder stand
ihnen von jeher zur Verfügung.
Daß sie den Buchblock stets mit
aller Sorgfalt und Liebe zu-
bereiteten, braucht kaum er-
wähnt zu werden. Die „Ver-
einigten Werkstätten" zeigen ge-
rade von dieser Firma eine
stattliche Reihe ihrer köstlichsten
Arbeiten, die einen vollkomme-
nen Begriff von der Leistungs-
fähigkeit dieser Anstalt geben.
Zch erwähne das Gesangbuch
(H75),das jeder auf den ersten Blick
in dem feinen, anspruchslosen
Schmuck als protestantisches Ge-
sangbuch erkennen wird. Doch
auch schon das Album, das die
Firma zu ihren: Geschäfts-

jubiläum gegen Ende der neun-
ziger Zahre anfertigen ließ, ist eine vornehme Arbeit
und für jene Zeit sogar eine ungewöhnlich geschmack-
volle und persönliche Leistung. Ganz besonderes

Lob gebührt auch dem marmorartig gebeizten Ganz-

lederband für Hugo Salns „Ehefrühling" mit rotem,
grünem und orangegelbem Ledermosaik (^76); die
Farben dieses Einbandes sowie des Vorsatzpapieres
sind wundervoll zusammengestimmt. Zn den Ein-
bänden zu der „Znsel" (fick-h, deren Entwürfe ebenfalls
aus dieser Anstalt hervorgingen und die auch dort
ausgeführt sind, haben Hübel Sc Denck dem modernen
Linienempfinden Rechnung getra-
gen. hier geht die Dekoration
vom Rücken, von den Bünden
aus; die freien Linienornamente
gewinnen dadurch am Rücken des
Buches ein Rückgrat und wirken
infolgedessen zweckmäßiger. Es
kommt ja nicht daraus an, daß
der Schmuck eines Buches in mo-
dernen Linienschwingungen an-
gelegt ist; es kommt darauf an,
daß der Schmuck tektonisch richtig
angelegt ist und dem Material und
dem Gegenstand entsprechend aus-
geführt ist. Manche Buchbinder
behandeln die Einbände wie Tep-
piche; manche wiederum suchen
durch Materialprotzerei oder durch
technische Überladungen den ihnen

459. Linband von p. Kerften, Erlangen-
Breslau. ('/8 der wirk!. Gr.) Rotbraunes
Kalbleder, Drnament dunkelgrün. (Gold-
schmied, Die neue Sündslut.)

460. Einband von p. Kerften,
Erlangen-Breslau. (V„ d. w. Gr.)
pflaumenblaues Saffian. (Rosmer,
Die Königskinder.)

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