Der neue Bodeuseedampser „Lindau".
6. Bodenseedampfer „Lindau". Sofa mit Spiegel in der "Kajüte I. KI., entworfen von £7. <£. v. Berlepsch-Daleudäs,
ausgeführt von Jos. Rathgeber, München.
ein Bodenseedampfer, wo zutn erstenmal der Über-
legung freier Spielraum gelassen wurde, ein Schiffs-
raum sei etwas anderes als ein Bankettsaal in
einem Lotest als eine Restauration innerhalb fest
stehender Mauern. Bisher war es ausgeschlossen,
daß deni konstruktiven Teil Mitwirkung am räum-
lichen Eindrücke zusalle. Man verkleidete die eisernen
Gewölberippen, die Träger des Decks mit profilierten
Holzleisten, man ummantelte die senkrechten Stützen
mit hölzernen Säulenschästen und setzte diesen korin-
thische, ionische oder andere Aapitäle auf. Daß so
ein neuer Renaissanceschiffsraum der Widersprüche
voll sei, genierte bezeichnenderweise selbst die Tech
niker nicht, die sich leider daran gewöhnt haben,
ebenso wie das große Publikum, die Schöpfungen
ihrer Borstellungskreise als etwas zu betrachten,
was mit der Aunst in keinein Zusammenhangs
steht. Das beweist zur Genüge, wie weit der
Riß zwischen Aunst und Leben geworden ist einer-
seits; anderseits aber müßte eine wirklich gesunde
Empfindung zu der Erkenntnis führen, daß der
Begriff des Schönen nicht einseitig da oder dort
zu suchen sei, daß er vielmehr notgedrungen sich
verändert tnit der Beränderung der bewegenden
Lebensfaktoren. Warum also nicht bei einent Schiffe
moderner Konstruktion die schlanken Winkeleisen,
die Nietenköpfe, die konstruktive Berbindung aller
Teile untereinander in ihrer Zusammengehörigkeit
zeigen? Sie werden ja bei einer eisernen Brücken-
konstruktion auch nicht verdeckt. Außerdem ist bei
der ohnehin geringen bjöhe der Räume aus diese
Weise eine leichtere, luftigere Wirkung zu erwarten,
als sie durch die in dunklen bjolzgattungen ausge-
führte, bisher übliche, möglich erschien. Letztere wirkt
schwer, drückend.
Es ist hier der j?latz, um den behördlichen
Stellen, vor allem Sr. Exzellenz detn Lherrn Minister
der Verkehrsangelegenheiten, zu danken für das Ein-
6. Bodenseedampfer „Lindau". Sofa mit Spiegel in der "Kajüte I. KI., entworfen von £7. <£. v. Berlepsch-Daleudäs,
ausgeführt von Jos. Rathgeber, München.
ein Bodenseedampfer, wo zutn erstenmal der Über-
legung freier Spielraum gelassen wurde, ein Schiffs-
raum sei etwas anderes als ein Bankettsaal in
einem Lotest als eine Restauration innerhalb fest
stehender Mauern. Bisher war es ausgeschlossen,
daß deni konstruktiven Teil Mitwirkung am räum-
lichen Eindrücke zusalle. Man verkleidete die eisernen
Gewölberippen, die Träger des Decks mit profilierten
Holzleisten, man ummantelte die senkrechten Stützen
mit hölzernen Säulenschästen und setzte diesen korin-
thische, ionische oder andere Aapitäle auf. Daß so
ein neuer Renaissanceschiffsraum der Widersprüche
voll sei, genierte bezeichnenderweise selbst die Tech
niker nicht, die sich leider daran gewöhnt haben,
ebenso wie das große Publikum, die Schöpfungen
ihrer Borstellungskreise als etwas zu betrachten,
was mit der Aunst in keinein Zusammenhangs
steht. Das beweist zur Genüge, wie weit der
Riß zwischen Aunst und Leben geworden ist einer-
seits; anderseits aber müßte eine wirklich gesunde
Empfindung zu der Erkenntnis führen, daß der
Begriff des Schönen nicht einseitig da oder dort
zu suchen sei, daß er vielmehr notgedrungen sich
verändert tnit der Beränderung der bewegenden
Lebensfaktoren. Warum also nicht bei einent Schiffe
moderner Konstruktion die schlanken Winkeleisen,
die Nietenköpfe, die konstruktive Berbindung aller
Teile untereinander in ihrer Zusammengehörigkeit
zeigen? Sie werden ja bei einer eisernen Brücken-
konstruktion auch nicht verdeckt. Außerdem ist bei
der ohnehin geringen bjöhe der Räume aus diese
Weise eine leichtere, luftigere Wirkung zu erwarten,
als sie durch die in dunklen bjolzgattungen ausge-
führte, bisher übliche, möglich erschien. Letztere wirkt
schwer, drückend.
Es ist hier der j?latz, um den behördlichen
Stellen, vor allem Sr. Exzellenz detn Lherrn Minister
der Verkehrsangelegenheiten, zu danken für das Ein-