Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: [Des Kunsthandwerks junge Mannschaft], [11]: A. Viegelmann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0277

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Des Uunsthandwerks junge Mannschaft. — Z t- 21- Diegelmann.

572 n. 575. Entwurf zu einer bunten Fensterverglasung
(unterstes und oberstes Drittel); von A. Di egelmann,
München.

rJWt,

wie fein und wie restlos der junge Künstler
diese Lehren verstanden hat, davon kann ich an der
pand der Abbildungen immerhin einen annähernden
Begriff geben. Alan betrachtechie „Jagd" (S.257). Es
ist eine Verglasungsarbeit. Bas Wesen der Verglasung
liegt darin, daß der Künstler aus größeren Stücken
farbigen Glases diejenigen auswählt, die er zur

farbigen, stofflichen und zeichnerischen Charakteri-
sierung der in seiner Darstellung vorkommenden
Dinge brauchen kann. Die einzelnen Stücke müssen
in der weise, wie das jeder schon einmal bei dem
Glaser gesehen hat, durch die Verbleiung verbunden
und zusammengehalten werden. Die Bleilinien sind
notwendig, sie müssen in der an Ort und Stelle ge-
brachten Verglasung als dicke, schwarze Striche sicht-
bar werden. Es ist nun in hohem Grade anregend,
zu sehen, wieviel Viegelmann mit diesen Bleilinien
zu sagen versteht, tnit welchen mannigfaltigen, künst-
lerisch sehr fruchtbaren Funktionen er sie betraut.
Er läßt sie bei pund, Pferd und pirsch den Paupt-
linien der Anatomie folgen, so daß eine außer-
ordentlich lebhafte, allem Naturalismus fremde Eha-
rakterisierung des Muskelspieles erzielt wird. Er-
läßt sie zugleich tote Dinge, wie das Zaumzeug des
Pferdes, den Armreif der Jägerin, zeichnen. Er
verwendet sie ferner zur Unterstreichung der Rhyth-
mik, von der die ganze Darstellung belebt ist. Die
durchgehende Linie, die sich vom pinterschenkel des
pundes über die Kontur des im pintergrunde sicht-
baren Baumfußes und von da der Schenkellinie des
pirsches folgend bis zu dessen Rückgrat fortsetzt, gibt
der rapiden Vorwärtsbewegung, die hier zum Aus-
druck kommt, förmlich einen Stoß und feuert sie zur
höchsten Geschwindigkeit an. Schließlich gibt der
von rückwärts einfallende, schmale Schatten der auf
der pinterseite befindlichen Verlötung den dargestellten
formen eine delikate Rundung und leise angedeutete
Plastik. Ungemein wirkungsvoll sind die Bleilinien
auch im „Frühling" verwandt, dem ersten Teile der
„Vier Jahreszeiten". Pier bedeuten sie die Zweige
der weiden, und in ihrem Aufstreben, in ihren Über-
schneidungen, in ihrem Pin- und perwogen liegt
eine solche chülle von rhythmisch beschwingter Melodie,
daß man sich die Aufgabe nicht besser und einfacher
gelöst denken kann. Es gibt von Viegelmann ferner
eine Kunstverglasung „Bismarck", auf der der Ober-
körper des ersten Kanzlers vor einem leeren pinter-
grunde sichtbar wird. Die Bleilinien dieses neutralen
Grundes schmiegen sich nun zwei- und dreifach in
gehörigem Abstande an die Umrißlinie des Kürafsier-
helmes an und wirken so fast als eine zarte, scheue
puldigung vor der geistigen Bedeutung des Mannes.
Gröbere Gemüter würden vielleicht an eine Art
Gloriole oder peiligenschein denken. Zn Wirklich-
keit liegt die huldigende Bedeutung dieser Linien nur
in ihrer ergebungsvollen, feinnervigen Schmiegsamkeit,
mit der sie die Kopfform wiederholen und fast in
der Art eines Echos betonen.

So versteht es Viegelmann, die Linien der Ver-
bleiung seinen künstlerischen Zwecken in der ver-
 
Annotationen