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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Bröcker, Paul: Die Maschine als Werkzeug
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0281

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Die Maschine als Werkzeug.

578. Bleiverglasung; von A. Viegelmann, München.

ornamentale Beilutzung gewisser Zweckteile, auch
durch Anbringung von Ornament, Schmuck. Der
ganze Vorgang wird also angeregt durch ästhetische
Erziehung des Zweckes, dessen Erfüllung eine Be-
friedigung des Lebensgenusses gewährt, der von der
Zeit sein Gepräge erhält. Deshalb entsteht durch
diesen Vorgang der Zeitstil, der sich am treffendsten
im Ornamente ausdrückt. So ist der Schmuck, das
Ornament gewiffermaffen eine Blüte der nackten
Aonstruktionsform, die deren notwendige Vorbedin-
gung ist.

Der alte Schmuck war entweder, soweit er aus
fremden und verflossenen Stilen stammte, der Aus-
druck einer Zweckauffassung, wie sie kein Aken sch
mehr hegte und wie sie dein Dinge, aus dem er saß,
niemals zugrunde liegen konnte. Oder der Schmuck
war überhaupt nicht Ausfluß eines Zweckes, sondern,
rein als Zugendstil, als Selbstzweck und verwendbar
zum Schmuck für alles geschaffen worden, aber nicht
durch die Lebenserfahrung des Gebrauchsgegenstandes
entstanden.

Deshalb hatte die Maschine leichtes Spiel.
Bunte Sachen machen und die irgendwo aufkleben,
das konnte sie auch.

Die notwendige Holge des ganzen Prozesses war,
daß der Gegenstand selber seine echte Aonstruktions-

und Zweckgestalt einbüßte, so daß das Bedürfnis
sich so gut wie es ging damit abfinden mußte und
selber Schaden dabei am Charakter nahm. Das
verschaffte der Maschine noch größere Freiheit.

Das Aunstgewerbe sucht heute nicht umsonst
nach der Grundform der Gegenstände, wie
einfacher Zweck, Materialeigenheit und Aonstruktion
sie diktieren, hierbei kann die Maschine gern helfen:
vollenden kann sie doch nur der Mensch mit der
Maschine als Merkzeug, Hührt der Mensch dann
die primitivste Grundform künstlerisch weiter, so kann
er auch dabei die Maschine ruhig als Merkzeug
benutzen. Denn jetzt erst recht kann der Geist allein
die Aufgabe lösen. So wird die Maschine Schritt
für Schritt zum künstlerischen Merkzeug des Menschen
erzogen •— bis zum höchsten, zum Schmuck hinan.
Und der künstlerische Schmuck vor allein ist der eigen-
mächtigen Maschine unerreichbar. Denn er ist in
höchster Meise, was der Gegenstand nun von An-
fang an war: ein Empfundenes. Und die Maschine
ist ohne Seele. Aber als Merkzeug in der bfand
des Menschen vermag der große Leistungen mit ihr
zu vollbringen. Sie wird seine technische Gewalt in
ungeahnter Meise vervielfältigen.

579. Firmenschild (z. T. Glasmosaik); von A. Viegelmann,
München.

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