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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Lory, Karl: Monismus der Kunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0055

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Jakob ksoffinanns Plastiken.

68. Modellskizze zu einem Epitaph. (Gesamthöhe ca. 2 m.)

Wendung wüßte, und es schmerzt ihn, wenn er sie,
kann: oder gar nicht beachtet, am Schluß der betreffen-
den Ausstellung für immer wieder aus dem Gesichts-
kreis der Öffentlichkeit verschwinden sieht, Pier wäre
der geeignete Platz zur Betätigung für „künstlerischen
ZTTottismus" im oben angedeuteten Sinne, für das
bewußte Streben, die Schöpfungen der leben-
digen dem leben zuzuführen, und es wäre
tatsächlich ein pauch wirklich monistischer Weltan-
schauung (im naturwissenschaftlichen Sinn des Wortes)
dabei zu spüren. Wie in der Natur „alles sich
zum Ganzen webt, eins in dem andern wirkt
und lebt", so müßte es auch in der Kunst
sein: dieser Gedanke ist tatsächlich „monistisch", er
ist ein Pendant zu dem bekannten Wort des Histo-
rikers lamprecht, daß man Natur- und Kultur-
leben nicht sozusagen durch zweierlei Brillen betrachten
dürfS). And schließlich wäre solches organisches
Zneinandergreisen der verschiedenen Zweige des
Kunstschaffens nichts weiter als vernünftig und
natürlich; Goethes Wort kommt uns in Erinnerung:
„Jeder Zustand ist gut, der natürlich ist und vernünftig",

') Schon (905 machte auch Waetzold in einer Studie
„Das Kunstwerk als Organismus" den Versuch, biologische
Gesetze auf die Kunst anzuwendcn.

ja, wir denken daran, daß in den Zeiten der kolossalsten
Kraftentfaltung der älteren europäischen Kunst dieser
Zustand tatsächlich vorhanden gewesen sei, daß z. B.
die Architektur des Barock wirklich der organisch
gewordene Rahmen für die Farbenkunst eines Rubens
war, daß es erst in den Zeiten des Niedergangs
anders wurde, und daß mit der Wiedergeburt einer
bewußten und gesunden Sachkunst in der Gegenwart
wenigstens die Grundlagen zur Wiederherstellung
dieses, des natürlichen und vernünftigen Zustandes
geschaffen wurden.

Man erinnert sich z. B., daß beim ersten Auf-
tauchen der neuen Maltechnik die Philister spöttisch
die Köpfe schüttelten und lachend fragten: Wo soll
man solche Bilder hinhängen? Es war das sogar
mit ein Pauptargument gegen die neue Malerei.
Als aber die neue Sachkunst auf mancherlei Umwegen
über „Zugendstil" und ähnliche Verirrungen dazu
gelangt war, einen modernen Bau auch mit einer
im guten, im gesunden Sinn des Wortes modernen
Innenausstattung zu versehen, da mußte jene spöttische
Frage verstummen; an ihre Stelle trat die Erkenntnis,
wie verblüffend moderne Malerei und moderne Sach-
kunst (teilweise wenigstens stehen ja beide noch am
Anfang ihrer Aufwärtsentwicklung) zusammen-
stimmten, sich gegenseitig stützten und hoben, kurz,
harmonisch zu einem lebendigen Ganzen verschmolzen,
wie es die obige Auslegung des Wortes vom „Mo-
nismus der Kunst" meint.

Aber diese Auslegung deckt sich eben nicht mit
dem, was diejenigen unter „Monismus in der Kunst"
verstehen, die das Wort ausgegeben haben. Wenn
sie es täte, so könnten wir nicht eingangs gesagt
haben, was sich hinter den: Wort verberge, könne
man geradezu als das wichtigste Symptom der inneren
Krise des zeitgenössischen Kunstschaffens bezeichnen.
Wo alles nach lebendiger Harmonie, nach organischem
Zneinandergreifen strebt, da besteht keine Krise und
es kann von Krisengefahr keine Rede sein. Eine
solche tritt immer nur dann ein, wenn die Harmonie
gestört zu werden droht, und dafür bestehen nun
allerdings gewisse unverkennbare Anzeichen.

Ansere obige Auslegung des Wortes „Monismus
der Kunst" faßt das Wort Monismus sozusagen
physiologisch: wie in der Natur eins ins andre greift,
eins den: andern sich anpaßt (natürlich wechsel-
seitig), so sollte es auch im Kunstschaffen sein.
Diesem „physiologischen" Monismus der Kunst aber,
über dessen Berechtigung man vom logischen wie
vom historischen Standpunkt aus gar kein Wort zu
verlieren brauchte, stellt nun eine radikale Richtung
einen psychologischen entgegen, ähnlich wie dem
physiologischen Naturalismus in der modernen Litera-

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