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Roessler, Arthur: Randglossen zu den Arbeiten von Carl Cosmus
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0069
Arbeiten von Carl Losmus.
BERLINER TÄGEBLMT
100. Entwurf zu einer Aalenderumrahmung; von Larl Losmus, München.
Farben: grau und schwarz. ('/- d. wirkt. Größe)
Bücher schön finden. — Als Regel scheint mir nur
diese absolute Geltung beanspruchen zu dürfen: Bild
und Satzspiegel müssen von gleicher Größe sein. Ist
diese Forderung der gleichen Größe erfüllt, so wird
es gar nichts ausmachen, daß die Illustration ein
anderes Valeur hat als die Lchriftseite, jene malerisch,
diese ornamental ist. Der illustrierende Künstler muß
alle Freiheit haben; der Typograph muß sich ein-
ordnen (was er auch leichter kann), und nicht der
Künstler muß auf den Typographen bedacht sein.
Geschieht das letztere, so gibt es immer nur eine
höhere Gattung Buchschmuck, nie ein illustriertes
Buch?) Man wird auch darauf Wert zu legen haben,
daß die Illustration nicht nur auf Vollbilder be-
schränkt bleibt, sondern auch Halbbilder kommen,
die im Texte stehen (immer unter Einhaltung der
Regel des gleichen Formates), sonst zerfällt das
Buch in einen Text- und einen Bilderteil: ich kann
die Bilder herausnehmen und — es ist kein illustriertes
Buch mehr". Diesen Fehler hat auch Beardsley
begangen, der sonst doch dem Ziel eines gut illu-
strierten modernen Buches schon nahe kam.
Ich zähle selbst zu den eifrigen Bücherkäufern,
stehe daher oft in den Buchläden und hatte und habe
dabei viel Gelegenheit, Bücherkäufer von kultiviertem
') Lin „illustriertes Buch" zu schaffen, war im vorliegen-
deu Fall nicht beabsichtigt; vielmehr sollte bei diesem „Buch-
schmuck" lediglich das Zeitenbild der einzelnen Novelleutitel
dekorativ gestaltet werden, unter Verwendung voti Motiven,
die aus dem Inhalt der Novellen geschöpft sind.
(Die Zchriftleitung.)
Geschmack zu beobachten — nun
sah ich- in letzter Zeit stets, wie
die Bücherkäufer mißvergnügt
die ihnen vorgelegten Bücher zur
Leite schoben, sofern selbe mit
„Buchschmuck" versehen waren.
Sie sind übersättigt von all dem
Geschnörksel, dem Liniengeranke
und den klobigen „dekorativen
Flecken", lind ich muß gestehen,
daß ich es mit diesen Puritanern
halte, daß mir ein gut aus
Hadernpapier gedrucktes Buch
ohne Buchschmuck vielemal lieber
ist als ein gschnasiges Buch
minderwertigen Materiales, den:
ein Buchfchmückler mit einer
Überfülle an Zierleisten, Schluß-
stücken, Titelzeichnungen und
dergleichen mehr ein „künst-
lerisches" (?!) Aussehen zu ver-
leihen bemüht war. welche
Monstrositäten, trotz der besten Absichten, mitunter
zutage treten, sieht man am besten an dem völlig
mißglückten »Ecce homo« von Nietzsche, der, im
Insel-Verlag erschienen, seinen Buchschmuck von —
Henry van de Velde empfing, wenn solch einem
anerkannten Künstler in diesen Dingen ein „Malheur"
passiert, braucht sich Tosmus, dem diese Zeilen als
Anregung dienen sollen, nicht „wurmen". Van de
Veldes Fall ist eben symptomatisch für die herrschende
Begriffs- und Geschmacksverwirrung.
Nach diesen: nicht nur für den in diese::: Aus-
satz „behandelten" Künstler Tarl Tosmus, sondern
auch für :nich unangenehmen Leitenexkurs, möge es
:::ir gestattet sein, mich jenen seiner Leistungen zuzu-
wenden, deren Betrachtung ungetrübten Genuß be-
wirkt. Es sind da vor allen: feine gelungenen, für
das „Berliner Tageblatt" angefertigte Kalender-Um-
rahmungen zu nennen (Abb. (00 u. (0(). Beide
Entwürfe sind hübsch. Der eine zeigt dunkelblau
grünes, flächig behandeltes Blättergeranke, altgelbe
Ringe und Punkte, schwarze Lchrift und Geranke,
das den für Eosnms' Ornamente charakteristischen
schmiedeeisernen Duktus aufweist, und die streng
stilisierten Monatszeichen. Ähnlich ist die Gefchäfts-
karte der Lteinzeugfabrik Reinhold Merkelbach
(Abb. (02). Die Farben sind Schwarz und Grün,
die Umrahmung besteht aus Blättern und Ltengeln
in Flachornamentik. Eine gefällig anmutende Leistung
ist die Geschäftskarte für Poensgen dcHeyer (Abb. (03).
wenn sich Losmus Beherrschung auferlegt, weniger
aus den: geschmeidigen Handgelenk als aus der Raum-
BERLINER TÄGEBLMT
100. Entwurf zu einer Aalenderumrahmung; von Larl Losmus, München.
Farben: grau und schwarz. ('/- d. wirkt. Größe)
Bücher schön finden. — Als Regel scheint mir nur
diese absolute Geltung beanspruchen zu dürfen: Bild
und Satzspiegel müssen von gleicher Größe sein. Ist
diese Forderung der gleichen Größe erfüllt, so wird
es gar nichts ausmachen, daß die Illustration ein
anderes Valeur hat als die Lchriftseite, jene malerisch,
diese ornamental ist. Der illustrierende Künstler muß
alle Freiheit haben; der Typograph muß sich ein-
ordnen (was er auch leichter kann), und nicht der
Künstler muß auf den Typographen bedacht sein.
Geschieht das letztere, so gibt es immer nur eine
höhere Gattung Buchschmuck, nie ein illustriertes
Buch?) Man wird auch darauf Wert zu legen haben,
daß die Illustration nicht nur auf Vollbilder be-
schränkt bleibt, sondern auch Halbbilder kommen,
die im Texte stehen (immer unter Einhaltung der
Regel des gleichen Formates), sonst zerfällt das
Buch in einen Text- und einen Bilderteil: ich kann
die Bilder herausnehmen und — es ist kein illustriertes
Buch mehr". Diesen Fehler hat auch Beardsley
begangen, der sonst doch dem Ziel eines gut illu-
strierten modernen Buches schon nahe kam.
Ich zähle selbst zu den eifrigen Bücherkäufern,
stehe daher oft in den Buchläden und hatte und habe
dabei viel Gelegenheit, Bücherkäufer von kultiviertem
') Lin „illustriertes Buch" zu schaffen, war im vorliegen-
deu Fall nicht beabsichtigt; vielmehr sollte bei diesem „Buch-
schmuck" lediglich das Zeitenbild der einzelnen Novelleutitel
dekorativ gestaltet werden, unter Verwendung voti Motiven,
die aus dem Inhalt der Novellen geschöpft sind.
(Die Zchriftleitung.)
Geschmack zu beobachten — nun
sah ich- in letzter Zeit stets, wie
die Bücherkäufer mißvergnügt
die ihnen vorgelegten Bücher zur
Leite schoben, sofern selbe mit
„Buchschmuck" versehen waren.
Sie sind übersättigt von all dem
Geschnörksel, dem Liniengeranke
und den klobigen „dekorativen
Flecken", lind ich muß gestehen,
daß ich es mit diesen Puritanern
halte, daß mir ein gut aus
Hadernpapier gedrucktes Buch
ohne Buchschmuck vielemal lieber
ist als ein gschnasiges Buch
minderwertigen Materiales, den:
ein Buchfchmückler mit einer
Überfülle an Zierleisten, Schluß-
stücken, Titelzeichnungen und
dergleichen mehr ein „künst-
lerisches" (?!) Aussehen zu ver-
leihen bemüht war. welche
Monstrositäten, trotz der besten Absichten, mitunter
zutage treten, sieht man am besten an dem völlig
mißglückten »Ecce homo« von Nietzsche, der, im
Insel-Verlag erschienen, seinen Buchschmuck von —
Henry van de Velde empfing, wenn solch einem
anerkannten Künstler in diesen Dingen ein „Malheur"
passiert, braucht sich Tosmus, dem diese Zeilen als
Anregung dienen sollen, nicht „wurmen". Van de
Veldes Fall ist eben symptomatisch für die herrschende
Begriffs- und Geschmacksverwirrung.
Nach diesen: nicht nur für den in diese::: Aus-
satz „behandelten" Künstler Tarl Tosmus, sondern
auch für :nich unangenehmen Leitenexkurs, möge es
:::ir gestattet sein, mich jenen seiner Leistungen zuzu-
wenden, deren Betrachtung ungetrübten Genuß be-
wirkt. Es sind da vor allen: feine gelungenen, für
das „Berliner Tageblatt" angefertigte Kalender-Um-
rahmungen zu nennen (Abb. (00 u. (0(). Beide
Entwürfe sind hübsch. Der eine zeigt dunkelblau
grünes, flächig behandeltes Blättergeranke, altgelbe
Ringe und Punkte, schwarze Lchrift und Geranke,
das den für Eosnms' Ornamente charakteristischen
schmiedeeisernen Duktus aufweist, und die streng
stilisierten Monatszeichen. Ähnlich ist die Gefchäfts-
karte der Lteinzeugfabrik Reinhold Merkelbach
(Abb. (02). Die Farben sind Schwarz und Grün,
die Umrahmung besteht aus Blättern und Ltengeln
in Flachornamentik. Eine gefällig anmutende Leistung
ist die Geschäftskarte für Poensgen dcHeyer (Abb. (03).
wenn sich Losmus Beherrschung auferlegt, weniger
aus den: geschmeidigen Handgelenk als aus der Raum-