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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Wolff, H.: Die Volkskunst und die Volkskunst-Ausstellung in Berlin 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0106

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Die Volkskunst und die Volkskunst-Ausstellung in Berlin 1909,

zu erkennen, zu be-
werten ; und daraus
entspringt die wichtige
Quelle ästhetischer
Freude am Gegen-
stände.

Unsere Bilder zei-
gen Decken und Tü-
cher und Teppiche aus
Schleswig-Polstein, der
deutschen und franzö-
sischen Schweiz, Bos-
nien, Ungarn, Rumä-
nien, Zava, mit Durch-
bruch- oder Durchzug-
Dekoration, mit ver-
stärktem oder geknote-
tem Rande, mit line-
aren und flächenhaften
Ornamenten, und eine
pirtentasche aus Grie-
chenland mit dichter,
aber einfachster Be-
stickung. Der Farbe
können wir leider keinen
Ausdruck geben; doch
braucht kaum versichert
zu werden, daß die
richtige Bolkskunst auch
die richtigen Farben
zu finden und zu geben
weiß. Neben den pflan-
zenfarben hat die Echt-
färberei auch wieder
gute Aunstfarben in
die Textilproduktion
hineingetragen, und
zwar bis in die orien-
talischen peimarbeitsstätten für Teppiche. — An
zweiter Stelle ist die p 0 lzarbeit zu nennen. Aus
der Ausstellung tritt sie zwar hinter
der dritten Produktengruppe, der Re-
ramik, zurück, aber offenbar nur durch
Sammlerzufälle. Die produklions-
gesichtspunkte sind bei allen Volks-
kunstprodukten annähernd die gleichen;
so ist auch hier der erste der Ge-
brauchszweck. Ts sind Arbeitsgeräte,

Hausgeräte, die wir vor uns haben.

So Spinnrocken (aus England), Stühle
aus England und Sachsen, ein Poch
zeitswagen aus Oberbayern, eine
Truhe aus Berchtesgaden. Alles Ge-

brauchsgegenstände, denen die Freude am zukünftigen
Selbstgebrauch manche nette Dekoration zuteil wer-
den ließ.

Dann dieReramik. Die Töpferei gehörte zu
den intensivst betriebenen Techniken in den Zeiten
des Pausfleißes; nirgends mehr als hier lockte das
zerbrechliche Material zu einem schnell hingeworfenen
Dekor. Darum bietet die Reramik eigentlich überall
reiche Ausbeute an Volkskunstleistungen. Freilich,
die Zerbrechlichkeit des Materials hat uns gewiß
vieler origineller Zeichnungen und Formen beraubt.
Aber auf Tellern, Taffen, Rannen, Rrügen, Vasen
aus den verschiedensten Gegenden ist uns doch noch
recht viel Sehenswertes geblieben.

Von all dem anderen erwähnen wir noch ein
paar Schmuckstücke; Metallarbeiten aus Bul-
garien; paar- und palsschmuck, in seltener Feinheit,
als Erzeugnisse des paußfleißes. Und ein paar
Phantasieschöpfungen aus Zava: Schattenspielfiguren.

Außer den Erzeugnissen wirklicher Volkskunst
brachte die Berliner Ausstellung noch gute Luxus-
kunst, besonders soweit sie aus der Betriebsform der
peimarbeit beruht: Brüsseler und französische, Bucking-
hamer und österreichische Spitzen, russische Bojarcn-
hauben, orientalische Teppiche. Diese Luxuskunst
gab der Ausstellung in mancher Beziehung ein ge-
wisses Relief, ohne welches das große Publikum
immer nur schwer heranzuziehen ist.

Die Ausstellungsstücke waren zum größten Teile
verkäuflich. Es sind, soweit mir bekannt, für ca.
(20000 M. Sachen verkauft worden, und zwar erfreu-
licherweise im wesentlichen Stücke, die den Markt suchten.

Die Berliner Internationale Volkskunst Ausstel-
lung hat so zwei Verdienste: sic hat ein nach pundert-
tausenden zählendes Publikum auf die tzfualitäts-
leistung in der alten Volkskunst hingewiesen, und sie
hat einer Armee von aus sich allein heraus absatz-
unfähigen Aleinkunstproduzenten einen Absatzweg er-
schlossen, der auch für die Zukunft offen gehalten
werden soll.

;87. Volkskunst-Ausstellung Berlin: Bulgarisches Schmuckstück.

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