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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Wolff, H.: Die Volkskunst und die Volkskunst-Ausstellung in Berlin 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0105

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Die Volkskunst und die Volkskunst-Ausstellung in Berlin (909.

(8<*. Volkskunst-Ausstellung Berlin: Behang, unbekannter
Herkunft.

stellung" ihre Eindrücke von der Ausstellung nieder-
gelegt. Wir begnügen uns damit, eine Anzahl
eigener und für die vorliegende Betrachtung herge-
stellte Bilder aus der Ausstellung hier kurz zu glos-
sieren. Wenn wir dabei nicht den üblichen Weg
wählen, Bild für Bild und damit Land für Land
zu betrachten, sondern das Material — kurz gesagt
— nach Materien gliedern, d. i. nach den verschie-
denen Entstehungsgründen und Gebrauchszwecken der
reproduzierten Stücke, so wird das nach den syste-
matischen Abgrenzungen im ersten Teil unserer Aus-
führungen verständlich fein.

Die große Masse der ausgestellten Gegenstände
fällt in das Gebiet der Textilproduktion. Ent-
sprechend dem Ursprung der Volkskunst als eines
Ausstusses des Paussteißes, also aus einer Zeit, wo
sich alle Betätigung auf die in der geschlossenen
Hauswirtschaft gewonnenen eigenen Produkte und
auf die eigenen Bedürfnisse beschränkte, ist das wich-
tigste Material, das hierbei zur Verarbeitung ge-
langt, das Leinen. In der Hauptsache sind es
Gegenstände für den werktäglichen und den festtäg-
lichen Bedarf, die wir sehen: Wäschestücke (Leib-
wäsche, Tischwäsche): meistens in ausgezeichneter
Technik und in unverwüstlichem Material her-
gestellt.

Soweit nur der Gebrauchszweck erfüllt ist, ge-
hören diese Stücke noch nicht zur Volkskunst; wohl
aber sind sie, besonders wenn Material und Technik
sehr gut sind, Leistungen des Pausfleißes. Erst wenn
ein Dekor an den Gegenstand gelangt, wird er
Volkskunst. Das Bemerkenswerte bei fast allen diesen
geschmückten Gegenständen ist, daß der Dekor sich
regelmäßig aus der Technik oder mindestens aus
der speziellen Gebrauchsbestimmung des Stückes er-
gibt. So wird der Rand der Gegenstände stärker
gearbeitet, z. B. durch Knoten der Fadenenden oder
Durchbrechen des Ladens, um den Rand zu markieren
(Tischdecken). Anderswo wird der Rand durch Ein-
fügen von anders gefärbten Fäden oder von Fäden
aus anderem Material betont, die man frei aus
dem Stück heraus endigen läßt (Teppiche).

Eigentliche Phantasiezutaten (Dekor im engeren
Sinne) treten erst recht spät hinzu; oft haben sie
einen recht materiellen Untergrund, z. B. um einen
schlechten Faden zu verdecken oder einen Flecken.
Überall aber ist der Dekor in bewundernswerter Ein-
fachheit ausgeführt, einfach in der Technik und ein-
fach in der Zeichnung. Es sind fast immer gerad-
linige Muster, die wir sehen; und erst ziemlich spät
treten Flächenmuster hinzu. Aber auch dann bleibt
noch die technische Einfügung erkennbar; man ver-
steckt die Technik nicht und man versteckt den Ge-
brauchszweck nicht, pierdurch wird es dem Beschauer-
leicht gemacht, den Gegenstand in jeder Beziehung

;8S. Volkskunst-Ausstellung: Hirteutäschchen aus Griechenland.
Helles, gelbgraues Leinen, Stickerei in rot und blau.

C2/s d. wirkl. Größe.)

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