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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Westheim, Paul: Diez-Vignetten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0377

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Diez.Vignetten-

Ziehungen zwischen dem
Grnamentwerk und der
persönlichen Eigenart
einer besonderen Litera-
turschöpfung.

Auf den ersten Blick
mag es erscheinen, als ob
diese Tendenz, die sich
naturgemäß immer ent-
schiedener zuspitzen muß,
in künstlerischer Hinsicht
ein Abweg sei. Zuge-
geben, daß init dieser
Demokratisierung der ty-
pographischen Zierkünste
eines verloren ging: der
Auriositätsreiz der ein-
maligen Verwendung. Es
kommt nun häufiger vor,
daß Durchschnittsdruck-
sachen, aus welcher Anstalt sie auch stammen, gleich-
artigen Zierat aufweisen. Aber davon bleiben
ja die wertvolleren preßerzeugnisse ausgenommen,
und so nrag es immerhin als Gewinn gelten, daß
auch für den kleinen Drucker die Kläglichkeit besteht,
sich mit bescheidenen Mitteln eine gewisse Vielseitig-
keit zu geben, ohne auf das seichte Donnen niederer
Zeichentalente angewiesen zu sein.

Die künstlerische Gefahr liegt ganz wo anders,
liegt in dem Umstand, daß der Vignettengestalter der
Gießerei sich nicht mehr auf den halt stützen kann,

den sonst die bestimmte
Aufgabe bot. Er soll im
Gegenteil Dinge schaffen,
die auf viele und unvor-
hergesehene Gelegenheiten
passen, die bei aller reiz-
vollen Griginalität wie-
derum neutral genug ge-
halten sind, uin vielerlei
Geschmäckern zuzusagen,
damit der Gebrauch mög-
lichst wenig beschränkt
werden muß. Diese sach-
liche Voraussetzung aller
Vignettenmacherei. — die
vom Künstler verlangt,
daß er !Vitz und Geist
zeige, aber doch nur so
viel, als von den: ganz
großen Publikum ver-
standen wird; daß er persönliche Eigenart bekunde,
aber doch nur soviel als der Durchschnittsfetzer zu
begreifen vermag; daß er kraftvolle Frische aufwcise
und doch wieder so viel weise Mäßigung, daß der
Drucker blindlings damit wirtschaften kann, — ist
eine harte Forderung für den schöpferischen Geist.
Es ist leichter für ihn, den lockenden Einfall einer
guten Stunde festzuhalten, Stift und Heder vergnüglich
der Phantasie folgen zu lassen. Als Vignettenzeichncr
hat er sich immer durchzuwinden zwischen den beiden
Klippen der Langeweile und der Unverständlichkeit.

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