Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

DOI article:
Westheim, Paul: Diez-Vignetten
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0378

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Diez-Vignetten.

Das inachte auch die
meisten der modernen
Aünstlervignetten zu so
problematischen Erschei-
nungen. Entweder waren
sie seicht und banal er-
funden,was in den Augen
der Drucker iticht einmal
als größter Nachteil an-
gesehen wurde. Gder sie
waren geistreich, hatten
subtile Reize und wurden
nun widerwillig, unge-
schickt oder an so falscher Stelle ange-
wandt, daß der gebildete Betrachter
ihrer schnell überdrüssig wurde. Bei
dem geringen Vertrauen, das man heut-
zutage in künstlerischen Dingen den:
typographischen Handwerker gewähreit
kann, ist die Gestaltung solchen Arbeits-
materials für seinen Akzidenzbedars alles
andere als eine lockende Aufgabe.

Julius Diez hat sich ihr unter-
zogen. Für die Bauersche Schrift-
gießerci in Frankfurt hat er jetzt eine
umfangreiche Vignettenserie entworfen, die als kulti-
viert kraftvolle, wie sachlich brauchbare Leistung über
all jenen Schwierigkeiten steht. Sie ist gemeistert von
einer bsand, die sich sonst an ganz anderen Dingen
zu bewähren pflegt.

* *

Durchblättert man die „Jugend" von dem
ersten Jahrgang an, so wird man bald überrascht
sein von der Fülle der Phantasie, der Viel-
seitigkeit und Beweglichkeit der Diezschen
Zeichenkunst. Zn allen Sätteln scheint er gerecht,

und jede noch so winzige
Zeichnung hat ihre eigene,
bestimmte Note. Seine
Graphik hat sich die schöne
Redseligkeit, die den meisten
unter der knirschenden Last
der übereilten Tages-
produktion abhanden ge-
kommen, bewahrt. Er
weiß noch stofflich zu
packen. Aber nicht durch
Boheme —, Armeleut —
oder Unterrockgeschicht-
chen. Dein schlichtesten Thema ge-
winnt er die lebensvolle und packende
Seite ab. And dieses äußerliche Zn-
tereffe wird getragen von der charakter-
starken Form. Zeder Vorgang, den
er schildert, jeder Einfall, den er
niederschreibt, muß sich wie das Ge-
menge in einem Glasofen einen läu-
ternden Prozeß gefallen lassen. Er
gibt schon Wirklichkeit, aber er gibt
sie abgeklärt — dem Weine gleich, der
nicht mehr zuckrige Traube, nicht mehr
schäumender Wostist. Dieser Aellerprozeß ist es, der
all seinen Gebilden die bestimmte physiognoinie, die
Physiognomie der bestimmten Persönlichkeit verleiht.
Wan könnte an dem Strich, wie er so sicher, so
kalligraphisch prägnant, so entschieden, so ausdrucks-
voll geführt ist, dafür den Nachweis erbringen. Wan
könnte ebenso gut auf seine straffe Flächentektonik ver-
weisen. Die Fläche ist für Diez mehr als ein nach
Zier verlangender Raum. Er verspürt ganz elementar
ihre innerlichste Gesetzlichkeit, ihr Verlangen, aufgelöst,
durchgestaltet, beherrscht und zur zwingenden Aus-

730.

73>.

363
 
Annotationen