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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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XX. Delegiertentag des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine: (Tagung in Berlin, am 13. März 1910)
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Diez-Vignetten. — XX. Delegiertentag des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine.

von Dr. pellm. IPoIff wird in vollem Wortlaut
gedruckt werden; es wird daun an der Zeit sein, an
dieser Stelle darauf zurückzukommen.

Über die pebung der Friedhofskunst
durch die Aunstgewerbevereine sprach Pro-
fessor <£. pögg, Bremen. Referent erinnert kurz
an die trostlosen Erzeugnisse der heutigen Friedhofs-
industrie und zog Vergleiche mit den Grabmälern
des anläßlich des vorigjährigcn Delegiertentags in
Palle besuchten alten Friedhofes. Zn eindringlicher
Rede begründet er die Notwendigkeit, in autoritativer
Weise einzugreifen; dazu hält er insbesondere das
Aunstgewerbe für berufen. „Die Friedhofskunst gehört
zu den Aufgaben, die unsere Organisation fördern
darf und, da es bisher noch niemand tat, fördern muß!
pögg denkt sich diese Förderung folgendermaßen:

j. Jeder Kunstgewerbevcrein soll eine dauernde, aus
Architekten, Bildhauern und Gartenkünstlern zusammengesetzte
Kommission für Friedhofskunst ins Leben rufen.

Die Vertreter dieser Einzelkommissionen sollen zusammen
mit einigen Erwählten des Verbandes einen Verbandsausschuß
für Friedhofsknnst bilden.

2. Der verbandsausschuß soll der Tätigkeit der Linzel-
kommissionen den nötigen ossizicllen Nachdruck verleihen, aber
auch dafür sorgen, daß die Kommissionen munter bleiben und
gleichen Tritt behalten.

2. Die Kommissionen müssen sich ain Wohnsitz ihres
Vereines seitens der Stadt- und Airchenvcrwaltungen amt-
liche Anerkennung erzwingen, und zwar derart, daß ihnen
der Auftrag wird, über die Aufstellung neuer Grabmäler, über
die Beseitigung alter Steine sowie über die Anlage von Fried-
höfen zu entscheiden. Also eine freiwillige Sachverständigen-
kommission atiitlich anerkannt und angewandt.

q.. Hierbei ist unentbehrlich das Vorhandensein von Ge-
setzen, die irach Art der Baugesetze die nötigen Handhaben und
Richtlinien für das Eingreifen der Sachverständigen bieten.
In diesen Gesetzen dürfte zum Beispiel nicht vergessen sein
die Regelung der jetzt allenthalben so verwirrten Ansprüche
der Erben ans die Grabmäler. Die Ausarbeitung solcher Ge-
setze ist eine Ausgabe der Kommissionen.

5. Dieselben übernehmen es ferner, kostenlos oder gegen
bescheidene Gebühr, (unsere Gebührenordnung darf hier wirk-

lich nicht maßgebend sein), ungeeignete Entwürfe umzuarbeiten
und deren Ausführung zu überwachen. Beratungsstellen, wie
sie unsere Vereine ja neuerdings einrichten, könnten dabei
ebensowohl herangezogen werden wie etwa bereits vorhandene
Zeichenbureaus an kunstgewerblichen Anstalten, von hier aus
wäre auch bei Neuanlagen und Erweiterungen mit Rat und
Tat einzugreifen, wären Wettbewerbe cinzuleiten und Aus-
stellungen zu veranstalten und dergleichen mehr.

6. Durch Herausgabe einfacher, zweckmäßig dargestellter
Musterentwürfe sollen Handwerker. Verkäufer und Publikum
an gute Grabkunst gewöhnt werden.

Hierzu darf ich erzählen, daß ich für das Bremer Land-
gebiet auf Anregung aus Pastorenkreisen soeben eine solche
Sammlung unter Mitwirkung Bremischer Künstler zusammen-
gestellt habe. Den Anstoß dazu hat die Bremer Grabkunst-
ausstellung des letzten Jahres gegeben. Doch waren die Pastoren
der Meinung gewesen, unsere dort gezeigte Kunst sei zu heid-
nisch oder doch zu nnchristlich, sie müsse als Leitmotiv das
Kreuz verlangen. Da anderseits die stehende Sandsteinplatte
der uralten, bis auf unsere Tage fortgeführten Überlieferung
Niedersachsens entspricht, so erwuchs uns die anziehende Auf-
gabe, durch Vereinigung des Kreuzmotives und der stehenden
Platte neue und doch heimatlich vertrante Formen zu schaffen.
Und so wird jeder deutsche Gau einen charakteristischen Formen-
schatz zu bewahren und weiter zu entwickeln haben. Die Vor-
bilderhefte sollen nicht internationales Allgemeingut fein, ähnlich
den Katalogen der Grabsteinfabriken, sondern sie sollen sich im
Gegensatz dazu ausgesprochenerweise in landschaftlich
enger Grenze halten.

7. Alljährlich sollen in der Nähe der Friedhöfe oder
besser noch auf diesen selbst Ausstellungen guter Friedhofskunst
veranstaltet werden. Besonders erfreulich wäre es, wenn es
gelänge, solche Ausstellungen zu dauernden Einrichtungen zu
machen. Eine Musteranlage, wie wir sie vor zwei Jahren
hier im Hofe des Kunstgewerbemuseums als das Werk der
Herren Professor Seeck und Direktor Jessen bewundern durften,
hätte gar nicht wieder geschlossen werden sollen.

wenn man dazu einige alte Grabsteine »nd Kreuze aus
den Museen heroorholen und zwischen den neuen Leistungen
anfstellen würde, so wüßte ich nicht, wo sie ihren Zweck, Vor-
bild und Maßstab zu sein, besser erfüllen könnten.

8. Dies alles galt hauptsächlich für die großen Städte.
Mit besonderer Sorgfalt müßte man sich aber auch dem Fried-
hof des Dorfes, des Landstädtchens zuwenden. Es muß erreicht
werden, daß jeder Landxastor von Amts wegen gehalten ist,

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