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Weise dis sogenannte „Deformation" ver-
anschaullchen, also die Zerstörung dsr Natur-
form und ihre andere dem Bilde entsprechende
Gestaltung. Auch dieser Zweig der neuen
Kunst erscheint vom Gesichtspunkte einer gei-
stigen Weltanschauung vollkommen sinn-
gemäh. Man gesteht dem Künstler so gerne
zu, datz er in der Arbeit seiner Zeit voraus-
lebt. Betrachtet man z. B. von diesem Ge-
sichtspunkte aus alle die Schöpfungen, die in
gewisser Weise die „Deformierung" zeigen,
so darf man vielieicht sagen, daß fie die Äuf-,
gaben haben, dem Beschauer zu zeigen, daß
hman sich in der Kunst nichk mehr an dre
äuherliche sinnliche Wahrnehmung zu halten
hat, daß anderes gefucht werden muß. Wer
zum Geiste vordringen wM, muß die sinnliche
Form überwinden, sich von ihr losmachen.
Diese Bilder woilen sozusagen auf den Weg
zum Geiste hinweisen. Möglich wäre auch,
daß sich der Künstler selbst durch diese Ar-
beiten zum Erfassen des Geistigen durchringt.
Geraüe bei uns in Deutschland sehen wir, wie
in der Kunst nach dem Geistigen gerungen
wird, wie dort die verschiedenen Stufen, die
man zu gehen hat, zu erkennen sind, und es
macht auf den Beschauer einen geradezu er-
nüchternden Eindruck, wenn er gewahr wird,
wie Künstler, die im Makerialismus stecken
bleiben, immer mehr auf Irrwege komMen,
wie sie eben für eine deutsche Kunst nicht
gangbar sind.
Damit kommen wir noch auf einen wei-
teren Gesichkspunkt, der für die Bekrachtung
der neuzeitlichen Kunst von großem Wert sein
kann. — Aichten wir unseren Blick über dis
Grenzen Deutschlands nach beiden Seiten, so
stoßen wir im Westen auf eine Kunst, die
immec mehr und mehr stch auslebt im rein
Mechanischen. Der Mensch wird zum Me-
chanismus, alles Persönliche, 3ndividuel!e
wird ausgelöfcht und die Zeichnung ist fast
eine Ingenieurarbeit Damik werden wir auf
Kräfte aufmerksam gemacht, die Latsächlich
im Westen wirksam sind und in der Kunst sich
derart äußern. Man verfolge die Kunst-
erscheinungen des Westens, richte aber sein
Augenmerk auch darauf, daß eben diese Ten-
denzen sich auszubreiten oersu'chen bsi uns.
— Gehen wir über zum Osten, so finden wir
dort den Gegenpol davon: ein Hinneigen zum
Geistigen, das sich noch nichk in der richtigen
Weise verbunden hat mit dem übrigen Men-
schen. Man fühlt dort das Geistige gleichsain
über sich schwebend. So löst sich auf vielen
Bildern der Kopf als Träger des Geistigsn
ab und schwebt irgendwo in den Lüften, um
sich dort mit ihm zu vereinigen. Man be-
trachte daraufhin die Bilder von Chagall. In
der letzten Herbstschau in Stuttgart war eben-
falls ein überaus interessantes Bild von ihm
zu sehen: ein Tifch, auf ihm einige Speisen,
am Tisch sitzt ein Mann ohne Kopf, in einer
Hand ein Messer. Dsr Kopf selbst ist getrennt
davon angegeben und trinkt aus einer
Flasche. Man muß das Bild aus dem öst-
lichen Element heraus zu begreifen suchen
und wird erstaunt sein, wie hier versuchk wird
zu trennen zwischen den Speisen die für den
Körper sind, und dem was in der Flafche ist
— sagen wir Schnaps — das für den Kopf
ist. Das ganze Alkoholproblem mit seinem
Einfluß austs Bewußtsein ist hier gegeben.
Zn diefer Weise erfaßt, haben gerade folche
Bildec schon recht viel zu sagen. Es Könnten
noch mancherlei andere Beifpiele angeführt
werden, die eben diese geistigen Strömungen
des Ostens kennzeichnen. — Zwischen diesen
beiden Strömungsn im Osten und Mesten ist
Deutschland eingekeilt. Soll es eigensten
Kulturwert haben, so darf es weder das eine
noch das andere na'chahmen. Es müßte sozu-
sagen diese beiden Strömungen durch eine
eigsne im Gleichgewicht halten. Die Kunst,
dsr diss möglich ist, kann nur erwachsen aus
der Aufnahme einer geistigen Weltanschau-
ung. Man darf schon die Llberzeugung und
das Zutrauen haben, daß, wenn eine Welk-
anfchauung fähig ist, solche Zusammenhänge
und tiefe Einblicke zü ermögli'chen, sie auch
sonst die Kräfte in sich birgt, Nsues ersiehen
zu lassen, das ern wirklicher Fortschritt für
die Menschen sein wird.
(Schluß folgt.)
Weise dis sogenannte „Deformation" ver-
anschaullchen, also die Zerstörung dsr Natur-
form und ihre andere dem Bilde entsprechende
Gestaltung. Auch dieser Zweig der neuen
Kunst erscheint vom Gesichtspunkte einer gei-
stigen Weltanschauung vollkommen sinn-
gemäh. Man gesteht dem Künstler so gerne
zu, datz er in der Arbeit seiner Zeit voraus-
lebt. Betrachtet man z. B. von diesem Ge-
sichtspunkte aus alle die Schöpfungen, die in
gewisser Weise die „Deformierung" zeigen,
so darf man vielieicht sagen, daß fie die Äuf-,
gaben haben, dem Beschauer zu zeigen, daß
hman sich in der Kunst nichk mehr an dre
äuherliche sinnliche Wahrnehmung zu halten
hat, daß anderes gefucht werden muß. Wer
zum Geiste vordringen wM, muß die sinnliche
Form überwinden, sich von ihr losmachen.
Diese Bilder woilen sozusagen auf den Weg
zum Geiste hinweisen. Möglich wäre auch,
daß sich der Künstler selbst durch diese Ar-
beiten zum Erfassen des Geistigen durchringt.
Geraüe bei uns in Deutschland sehen wir, wie
in der Kunst nach dem Geistigen gerungen
wird, wie dort die verschiedenen Stufen, die
man zu gehen hat, zu erkennen sind, und es
macht auf den Beschauer einen geradezu er-
nüchternden Eindruck, wenn er gewahr wird,
wie Künstler, die im Makerialismus stecken
bleiben, immer mehr auf Irrwege komMen,
wie sie eben für eine deutsche Kunst nicht
gangbar sind.
Damit kommen wir noch auf einen wei-
teren Gesichkspunkt, der für die Bekrachtung
der neuzeitlichen Kunst von großem Wert sein
kann. — Aichten wir unseren Blick über dis
Grenzen Deutschlands nach beiden Seiten, so
stoßen wir im Westen auf eine Kunst, die
immec mehr und mehr stch auslebt im rein
Mechanischen. Der Mensch wird zum Me-
chanismus, alles Persönliche, 3ndividuel!e
wird ausgelöfcht und die Zeichnung ist fast
eine Ingenieurarbeit Damik werden wir auf
Kräfte aufmerksam gemacht, die Latsächlich
im Westen wirksam sind und in der Kunst sich
derart äußern. Man verfolge die Kunst-
erscheinungen des Westens, richte aber sein
Augenmerk auch darauf, daß eben diese Ten-
denzen sich auszubreiten oersu'chen bsi uns.
— Gehen wir über zum Osten, so finden wir
dort den Gegenpol davon: ein Hinneigen zum
Geistigen, das sich noch nichk in der richtigen
Weise verbunden hat mit dem übrigen Men-
schen. Man fühlt dort das Geistige gleichsain
über sich schwebend. So löst sich auf vielen
Bildern der Kopf als Träger des Geistigsn
ab und schwebt irgendwo in den Lüften, um
sich dort mit ihm zu vereinigen. Man be-
trachte daraufhin die Bilder von Chagall. In
der letzten Herbstschau in Stuttgart war eben-
falls ein überaus interessantes Bild von ihm
zu sehen: ein Tifch, auf ihm einige Speisen,
am Tisch sitzt ein Mann ohne Kopf, in einer
Hand ein Messer. Dsr Kopf selbst ist getrennt
davon angegeben und trinkt aus einer
Flasche. Man muß das Bild aus dem öst-
lichen Element heraus zu begreifen suchen
und wird erstaunt sein, wie hier versuchk wird
zu trennen zwischen den Speisen die für den
Körper sind, und dem was in der Flafche ist
— sagen wir Schnaps — das für den Kopf
ist. Das ganze Alkoholproblem mit seinem
Einfluß austs Bewußtsein ist hier gegeben.
Zn diefer Weise erfaßt, haben gerade folche
Bildec schon recht viel zu sagen. Es Könnten
noch mancherlei andere Beifpiele angeführt
werden, die eben diese geistigen Strömungen
des Ostens kennzeichnen. — Zwischen diesen
beiden Strömungsn im Osten und Mesten ist
Deutschland eingekeilt. Soll es eigensten
Kulturwert haben, so darf es weder das eine
noch das andere na'chahmen. Es müßte sozu-
sagen diese beiden Strömungen durch eine
eigsne im Gleichgewicht halten. Die Kunst,
dsr diss möglich ist, kann nur erwachsen aus
der Aufnahme einer geistigen Weltanschau-
ung. Man darf schon die Llberzeugung und
das Zutrauen haben, daß, wenn eine Welk-
anfchauung fähig ist, solche Zusammenhänge
und tiefe Einblicke zü ermögli'chen, sie auch
sonst die Kräfte in sich birgt, Nsues ersiehen
zu lassen, das ern wirklicher Fortschritt für
die Menschen sein wird.
(Schluß folgt.)