Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 3.1923

DOI issue:
Heft 6 (November 1923)
DOI article:
Müller, Alexander: Expressionistischer Zeichenunterricht
DOI article:
Friedländer, Max J.: Die Radierung und Albrecht Dürer
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22197#0127

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
125

Expressionistischer ZeichsnunterrichL

Von Alexander M

Expression heißt Ausdruck. Dom' AuSdruck eines
Gefühls soll hier die Rede sein, nichk von irgendeiner
bestimmten Kunstrichtung. Zch möchte durch meins
Darlegungen darauf hinweisen, welche reichen, bis-
her so roenig erschöpften Werte im gefühlsmähigen
Ausdruckszeichnen verborgen liegen. Es sind schon
viele Versuche gemacht worden, zur Kunst zu er-
ziehen, und doch läge es weit näher, durch die
Kunst zu erziehen, d. h. das wahrhaskige, jeden
Menschsn angeborene Kunskgefühl in seinen ethischen
und sitilichen Mirkungen für die Erziehung nutzbar
zu machen.

— Der junge Mensch steht der Kunst so nahe, wie
die jungen Völker. Ihn bewegk derselbe Gestaltungä-
trieb und -drang, aus dem ein Kunstwerk geboren
wlrd. Ein KunstwerL entsteht aus einer heiligen
Freude heraus, einem tiefinneren Erlebnis, einer
elemenkaren Erregung. Dieses Erleben drängt nach
außen, sucht nach Ausdrucksmittekn, und findet diese
^ im Kunskwerk, wo sie als unmikkelbares, seelisches
'produkt in die Erscheinung treten. ' -

Wie stellt sich nun unsere Mitwelt zu dieser emi-
nent wichkigen Begabung der Menschheit?

Es ist ein Zeichen unserer Zeik, daß die stntelli-
genz, der Name bezeichnet sehr gnt die einseitige
Bildung des Zntellekts, ein beschämend gennges
Berstänönis für Kunst besitzt. Die Arsachen hiecfür
sind in den Lebensprinzipien unserer Zeit zu suchen.
Die Maschine, der Kapitalismus mit seiner Frage
nach dem reinen Geldgewinn, haben die Freude an
der schöpferischen Gestaltung ertökek.

Wir stehen jedoch an einem Wendepunkk. Die
Revolukionierung unserer Lebensprinzipien hat auch
eine Revolukionierung des Sehens und Empfindens
gebracht. Wenn sich langsam die ErKennknis Bahn
bricht, daß Kunstrverke nicht mrt dem nüchternen
Verstands erfaßt werden können und nicht nur ein
äußerer Luxus für den Reichtum sind, sondern Volks-
gut, das vom Beschauer volle Zingabs verlangk, so
ist die Hoffnung vorhanden, daß uns eine neue
Kunsiblüke geschenkk wird.

Wie sollen wir nun der kommenden Generation
aus diesem Wege Leiter und Helser sein?

Wir müssen zu den ursprünglichen Quellen dss
Kunstgefühls hinabsteigen, die in jedem Menschen
fließen, und versuchen, diesem Gefühl zum Ausdruck
zu verhelfen. Ohne das Ecbohren öieser Quellen

üller (Lichkenberg).

durch eigene Gestaltungsarbeit bleibt Kunstbetrach-
kung eine Äußerlichkeit ohne inneren Widerhall.
2m bisherigen Unkerricht wird Zeichnen zwar auch
ein Llusdrucksmikkel genannt, doch waren hierfür nur
Nützlichkeitsgründe Maßgebend, dieselben Grundc,
die auch den Gesamtschulunterricht beherrschksn und
auf die Menschbildung wenig eingingen. Zeichnen
wird auch eine Sprache genannt, aber haupksächlich
nur, um über gewisse Raumfragen, übec Licht- und
SchattenvsrhZltnisse und über die Facbköne am ge-
schauken Objekt Klarheit zu oerschaffen. Die Exakt-
heik im Etreben nach sogenannker Nakurkreue licß
eine Auffassung, der eigenen psychischen Veranla-
gung entsprechend, nur in sehr beschränkkem Um-
^ange zu, der wichtigste Teil öer Natür, das eigene
öch, konnke sich wenig Geltung verschaffen.

Ein leises Anschlagen dieser im Zeichenunterrichk
bisher unberührken Saiten zeigke mir bsi meinen
Quarkanern, welche bisher ungeahnken Kräfte in der
Seele des Kindes schlummern. Dies kühne Gestal-
ten nie gesehener Formen, dies Zufammenstellcn
von Farben zu Klängen von unerhörter Lebendig-
keit bsweist, daß schöpferische Kräfte im jungen Men-
schen vorhanden sind, und daß es nur der geeigneken
Anregung bedars, um die künsklerischen 2nstinkte zur
Entfaikung zu bringen.

Als wertvolles Ergebnis dieser Arbeiten ist fer-
ner feskzustellen, daß von 42 Schülern 20 gute und
sehr gute Nesulkate lieferten, und nur 7 versagten.
Diese Arbeiken sprechen dafür, daß in unserem Volke
genau so wie in anderen Völkern flapanern oder
Romanen) ein feiner Inskinkt für Formen und Far-
ben vorhanden ist, Dah wir — ein Volk der Dich-
ker und Denker — im bildnerischen Schafsen ver-
sagen, trifft nicht zu. Das Material für eine Kunst
des Volkes ist vorhanden. .

AuS solchen Gründen möchke ich darauf hinweisen,
dem Zeichnen und Formen in der neuen Schule be-
sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die neue
Schule muß das Zeichnen in seiner Bedeutung als
ethisches und sittliches Erziehungsmiktel erkennen.

Das Selbskerarbeiken künstlerischer Ausdrucksmit-
kel erzielt ein tiefes Verständnis für das Schaffen
der Künstler, und das Schöpferische, das diesen
Äbungen innewohnt, hilfk das Wichkigske im Men-
schen bilden, die Persönlichkeik.

Die Radierung und Albrecht Dürer

Die Radierung, nämlich das Ähen der Metall-
platke zum Zwscke des Bilddrucks, wurde in Süd-
deutschland um 1510 erfunden, vermuklich im Gewerbe
der Wasfenschmiede, die sich der Eisenähung bedien-
ten, um Harnische mit Ornamentzier auszuskakken.
Die älteste, inschriftlich dakierte Aadierung skammt
von-1513, eine sisgnierte Arbeit des SchweizsrS 1l r s
Graf. Vermutlich sind abec die ersten Eisen-
ützungen Daniel Zopfers, der in Augsburg
kätig war und wahrscheinlich von der Waffenühung
zum Bilddruck überging, noch vor 1513 entstanden.

Dieser Daniel Hopfer, der die neue Technjk industriell
ausnuhte, kann, soweit unsere Kennknis retcht, als
der Erfinder bekrachtet werden. Mit seinem Verfahren
wurde aber derbe Bildware hergestellt. Hopfer ging
alfo nicht vom Kupferstich und Holzschnikt, sondern
von der Waffenätzung aus. Daher seine Neigung zum
Ornament und hell gepunktete dunkle Flächen zu
drucken. Die energisch unkernommene Kunskübung der
Ähung fand in Augsburg, wo der Holzschnikt alle
Kräfte in Anspruch nahm, keine weitere Pflege. Ein
Versuch von Hans Burgkmaier, dem größksn
 
Annotationen