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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 3.1923

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Heft 6 (November 1923)
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Hartmann, A.: Kunstbetrachtung an der Mittelschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.22197#0117

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Deutsche Blätter für Zeichen-Kunst- und Werkunterricht

Zeltschrift des Relchsveröandss akademkscher Zeichenlehrse
des Rerchsoerbandes akademlscher Zelchenlehrerinnerr

Verantwortlich für die Schriftleitung: Professor Gustav Kolb, Göppingeu
Druck und Verlag: Sugen tzardt G: >rr b. H. Stuitgart, Langestraße 18

3. Iahrgang November 1923 Heft 6

Inhalt: Kunstbetrachtung an der Mittelschuls. Prof /2!. Hartmann. — Der künstlerische Ideengehalt
vnserer gebräuchlichsten RechnungSzeichen. Dr.-Ing. E. Gutmann. — Die Harmonie der Formen. Dr-Ing.
E. Gutmann. — Die küustlerische Bedentnng des Forrnen-- und Farbsnhörens. Alfr. Leopold Mnller.—
Gxpressionistischrr Zeichenunterricht. Alerander Müller. — Die Radierung und Älbrecht Dürer. — Ein
Vorschlag. - Zur Lage: Zeichen-, Kunst! und Werkunterricht. — Verhängnisvolle Auswirkung des ß 20
der neuen Prüfungsordnung in Preußen. — Was ist die Farbe? — Umschau. — Buchbesprechuugen.

KunsLbeLrachtung an der Mittelschule

Pon Prof. A. Harlmann, Mien 8.

An der Prager Akademie hatte ich ein Iahr lang wenn ich an die Art des Kunstgeschichteunkerrichks
einen Studienkollegen, dsr als Zospilan! dle Zeichen-, meiner Kunstschulen denke, begreife ich es nur zu guk.
Modellisr- ünd Malkurse besuchke. Er war beträcht- Da wurde einem immer eine fertige Anschauung auf-
lich älker als wir ordenkllchen Schüler, aber in un- gezwungen, der Poctrag arbeikeke mik Werkurteilen
seren Augen zählke er mchk mlt, da er bsi der Arbeit und Bezeichnungen, die man ja späker oft genug als
von hervorragender, phillskrSser Bsgabungslosigkeik richtig anerkennen mußte und würdigke. Aber der
war. 3n einer schwachen Skunde erzählte er uns, Lehrvorgang ließ einem keine Zeik, sich selbsk ein

dah er Aahmenhändler oder Fabrikank sei, aber eine Arteil zu erckngen und arbeikete zumeisk mik vrsl zu

leidenschaftlichs Liebe zur^Kunsr gesaßt häkke, die ihm viel und in der Wiedergabe gänzlich unzulänglrchem

geradezu gebieke, sei'ne geringen Fährgkeiken ouszü-, Anschauungsmakerial. Mcht ein Museumsbesuch,
biiden. Das erhöhke sein Ansehen bei uns keines- nicht e i n e Architekturbekrachkung vor dem Original

wegs. Mer einige Tage späker gingen wir zufällig wurds yersucht. So kam es, daß uns, die wir doch

mik rhm durch eirr Museum und da erlebten wir die den Künstlerberuf aus Neigung gewählt hatten, ge-

Überraschung, daß der schwersällige, talentlose Se- rade die Kunstgeschichtestunden bei dem Sußerst ge-

selle von einer Empsindung für dre wirklich großen bildeken Professor öde wurden. Iehk rst das wohl

Kunstwerke beseelk war, die weik über unsere jungen schon anders geworden und ist auch in den Kunst-

Schülsrbegrisfe ging und ihn so mächkig und drängend schulen der Kunskgeschichtevorkrag kein bloßer Ge-

srfüllte, daß er uns in kürzester Zeik zu Schülern schichksvorkrag, sondern ein Skilerleben an Hand gut

seiner Anschauungswelse zwang. stch habe ihn dann gewählker Beisplele.

spaker, selbst geceisker, in Wiener Gailerlen begieikek ämmerhin erklären heukige Kunstschüler noch im-
und immer wieder denselben Genuß gemeinsamen mer, daß lhre künstlerische Anschauung nennenswert

Nachempfindens eines Kunstwerkes erlebt, auch nur von der eigenen Arbeik genährt und gebildet

immer wieder seine stir mich als Maler erstaunlichs wird und sis haben mit ihrer Msinung wohl recht.

Sicherheik im Erkennen echker künstierischer Absichk öst es also wirklich werstos, fich mik der Bekrachkung

oder künstlerischer Unfähigkeit bewunderk. Er war großer Kunstwerke abzugeben und isk das Begmnen

imstande, mi! einer Handbewegung den Sinn oder eines Führers m dissen Dingen aussichkslos? 2ch

Widerstnn eines Komposikionellen Zusammenhanges glaube auf die Frags am Eingang dieser Aus-

zu erklären und er kak dies ohne Gelehrsamksik, mit führung'en die Ankwort gegeben zu haben. Und ich

dem ursprünglichen Znstinkt des schaffenden habe ln der Folge noch öfter Belspiele dafür erlebt,

Künstlers. daß eine große Zahl Menschen, denen ein andsrer

öch erwähne diese Beobachkung, weil sis für mich Lebensweg als der des ausübenden Künstlsrs vorge-

der Anlaß zu einer späteren Beschäftigung mit meinen zeichnek war, Skunden relnsker Erhebung vor Kunst-

Schülern war und weil die Erinnerung an sie ge- werken ecieben konnke und zwar in echk künstlerischer

eignet war, öfker auftauchende Bedenken zu wldec- Nachempfindung des Werkes. Freilich der ideals

legen. Denn, verschweigen wir es nicht, der bildende Weg zum Berständnis cväre der über die Formung

Künstler hak ein starkes Mißkrauen gegen die Ver- des Gedankens im richtigen Skosf mit dem angemes-

mikklung von Kunstverständnis durch das Work und senen Werkzeug. Aber wo in aller Melk bleibk bei
 
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