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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 3.1923

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Heft 4 (Juli 1923)
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Dietl, Johann Baptist: Umgestaltung des Zeichnens, [2]: eine Kulturaufgabe
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Popp, Joseph: Kunstgeschichte und Mittelschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.22197#0075

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Es isk also ein Vsrbrschen an dem eingskeilken wichtigstes Verkehrsmittel alS Aus-

deutschen Allerweltsarbeitsmenschen, üen Zeichen- flußdeZmenschlichenGeiskesundseiner

lehrern wissenschaftlich padagogische Erziehung und Erkenntnisse als Bindeglied zwischen

Praxis zu versagen, womöglich zum Gelächter aller Geist und Arbeit dauernd zur Hebung

Einsichtigen, mit der Begründung, dah dssMenschentumsbeiträgt. slhm gegen-

Zeichnen zwar das wichtigste Brotfach übsr hat d;e Menschhelt die Pslichh es b!s zur

unseres Bolkes ader ein Nebenfach in höchsten technischsn Anterrrchtbarkeit zu entwickeln.

dsr Schule sei und bleiben müsss — ans Die Kulturmenschhert mutz das wollen, auch wenn

gswissen Gründen — oder gar ebenso zu ver- Universitätslehrer und hislorisches Eprgonentum sich
hrndern, Lie Arbeit und Erfolge von Generationen dagegen sträubsn.

zu sammeln, um darauf weikerzubauen. Ausrottung des Märchens vom Talent, klare wissen-

Ein schönes hatte das „Fach" bis setzt, die Freiheit schaftliche Unterteilung dieses zu Tode krikisierten

— ;a zu oiel Freiheik, Freiheit, die mit üem heutigen „Begriffes", wissenfchafrlich pädagogische Berufs- und

Skand der Kulkurmenschheit und besonders mik dem Fortbildung der Zeichenlshrer, und wir haben den

Grad der deutschen 'Ztot unü einer von untenauf uin- Sch ! üssel zur F e st st e l! u n g der erreich -

gebauten Zukunsksschule nicht mehr im Einklang steht. dar,en Ln k w i ck l u n g s h ö h e in der Hand.

Professor Wilhelm Ostwald, Oeipzig sagt: (Das Denn man hat In unserem Fache ncch nicht „die

grotze Elrrier, Zellenbücherei): Dre Soziologie (Gesell- Natrir durch Experimente gezwungen, ihre Schranken

schafiswiffenschaft) entstehk dadurch, daß die Men- anzugebsn" (Schiller). .

schen nichk mehr allein oder in kleine Familien ge- Umsoflender Erfolg und kulturelle Weikerentwkck-
ordnek, leben, sondern grötzere und grötzsre Gruppen lung wird ein Bolk rns Leben stellen, das sich zum

bilden . . . denn der Einzelne kann mir ein HSchst grötzten Teil aus Berufenen zusammensetzsn wird.

begrenzkes Wiffen erwerben, nur so lange ss nökig Me werden berufen sein zu einer seelisch geforderten,

war, datz jedes neue Indrviduum von neuem die ersten mit Hilfe der Triebfähigkeiten möglichst reibungslos

Grundlagen des Wissens erwerben muhte, war an sich vollziehenden, nicht ergriffenen, sondern ein-

einen Fortschritt nicht zu denken. geborenen wirklichen Berufsarbeit, unser Bolk wrrd

Auf — dieser SLufe stehen mik ihrer damik das Aeal uuker den arbertsnden Bötkern. 3eder
PadagogikjetztnochdieZeichenlehrer; Ernzelne wird weit davon enkfernk sein, Helotenarbeik
denn es gibt noch nichk einmal einen Lehrstuhl für zn verrichten oder Renkner werden zu wollen, er wird

Zeichenwissenschaft, geschwerge denn ein wissenschafi- blühend, krerbend und Früchte bringend bleiben wie

liches staatliches ffnstikuk ftir Zeichnen, zeichnerische ein Baum bis zum Sturz im Kampfe mit höheren

Pädagogik und zeichnends Hilfswiffenschaften. Gewalken. Die Sysiphusarbeik unserer Schule, unsere

Das Zeichnsn ist eine Sprache und als Kulkuraufgcrbs helht: „Hebung des Menschenkums, sie
Sprache gehört es seinem Wesen und kann nicht gelöst werden, wenn man die Aufs selbsk-
feiner Bedeutung nach -ausgebildsk, lossr Führer nach wiffenschaftllcher Erforschung des

anerzogen und ersocscht, weil es alä Zeichnens werker überhört und achtlos verhallen lätzk."

Kunstgeschichte und Mittelschule

Bon Professor vr. 3os. P o p p. rn München.

(Auszügr aus einem in ven Buyerischcn Blüitern sür Symnaüalwesen, Band Zs, tzeft 1, erschienenen Aussags.)

Wenn ich zuruckdrnke, was mir während und Hofsnung. Warum die einseitigs Berbindung

meiner Münchener Gymnasialzeit aus Kulkur- der Kunst mit der Geschichte? Warum die Kunst

und Geistesgeschichte, aus Literakur und Kunst zum bloßen Zilssmlktel gefchichtlicher Erkenntniffs

vermikkelt rvurds, so entstehk noch nachkräglich hsrunterdrücken? Warum nur Kunstgeschichte, nichk

rn mir ein korrov vLeiu, eine schmerzhafks Er- auch sonst irgendwelche Einführung in die Kunst

innerung an erbitterte und verbitternde Selbsk- selbst, aus Grund des gsschichtlichen Skoffes?

hilfe, mri all ihren Ilmwegen und Abwegen. Es ist die alke übsrsä-ätzring der Geschichte!
Seitdem ist mancherlei besser geworden. Bom And doch hat Metzsche, noch als Philologe, fchon
Phllologischen scheint es allmählich in das Hu- 1874 in serner zweiten unzeikgemüßen Betrachkung

manistische überzugeherr. Ich rechne hierzu auch die- „Bom Nutzen und Nachtetl der Historie für das >

andere Geschrchtsdarbiekung, als wir sie erfuhren; Leben" gründlich gehandelt. Noch immer wird zu-

rch rechne dazu mannigsachen Brlderschmuck — viel für die Schule, statt für das Leben gelehrk und

wenn er auch noch manchen Orrs überwiegenö eine gelernt. „Es gad Iahrhunderte, in denen dis Grie-

Fürstengalerre ist. Gerade daran erkennt man wie- chett in einer ähnlichen Gefahr sich befanden, in der

der die Anfähigkeik zu lebendiger Ausnutzung dss wir uns befinden, nümlich an der Äberschwsmmung

Gebotenen. Was sind Gesichter, mik denen sich sür durch das Fremde und Bergangens, an der „Hi-

den Schüler automatisch verbindet, was er llber storie" zugrunde zu gehen." Als Gegemnikkel, ja

deren Besiher wissen sollke und nlcht wertz. Als als Gegengifk, nennt Nietzsche das Anhistori-

einen Forkschritt darf man es wohl auch bezeichnen, sche und das Äbsrhistorisch e: „Mit dem

datz zur Belebung und Bertrefung des Geschichks- Wocke „das Anhlstorische" bezeichne rch dre Kunst

unterrichks die Kunstgeschichte herangezogen werden und Kraft vergessen zu können und sich in einen

soll. Ich selbst empfinde allerdings über dis Wei- begrenzten Horizont einzuschlletzen: „überhisto-

sung zunächst mehr Angst und Sorge als Freuds rrsch" nenne ich die Mächke, die dsn Blick von dem
 
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