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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 3.1923

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Heft 4 (Juli 1923)
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Popp, Joseph: Kunstgeschichte und Mittelschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.22197#0076

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'75

Werden ablenkeil, hin zu dem, was dem Dasein dsn
Charakker des Ewigen und Gleichbedeutenden gibt,
zu> Kunst und Religion."

Damit wird dis Bedeutung des Historischen ^sür
die Gesundheit eines einzelnen, eines Volkes und
seiner Kultur" nicht geleugnet: es wird nur gegen-
über seiner Ueberschützung nötig, sich immer wieüer
hewußt zu halten, dah es die geschichtliche For-
schung und Darbiekung nur mit einmaligen Gelegsn-
heiksn zu tun, hak, dis sie oft weder in sich noch in
ihrem gröjzeren Zufammenhang genügend aufklüren
nud im tiefsken mit ihren Mikteln überhaupk nicht
ergründen kann.

Das gilt auch von der Kunskgeschichte
gegenüber dsr Kunsk. 3hre überschützung,
ja ihre fast allsinige
. Schätzung^ in der Ver-
mittlung des Künst-
s; lerischen beruht auf
der überschähung der
Sefchichks übsrhaupk:

Wis weniz sür die
Kuufl selbst als per-
sönliche Pslege, a!s
^ verständnisvolle öf-
fentliche Verwalkung,
als lebendige Be-
ziehung zur Gsgen-
wart aus all den
vielfälkigen kunstge-
schichilichen Vorle-
sungen und übungen
erstehk, beweisen die
Mehrzahl der Theo-
logen, Philologen,

Iuristen u. a.. die sich
um solche Kollegien
bemühk haben; so-
bald sie einigermaßen
sich selber überlasien
stnd, versagt ihr Ür-
keil und Geschniack.

Man kann eben aus

der Kunstgsschrchke allein deren Znhalt nichk
voll verstehen; sie bedarf als Voraussehung einer
sachlichen Einführung — hier einer gewisssn
Kennknis der künstlerischen Darstellungsmiktel. Da-
von aber ist in der Kunstbehandlung.auf den Mik-
telschulen so wenig zu spüren — von den Lsistungen
einzelner Lehrer abgesehen — wie auf den Hoch-
schulen. Wird schon Kunstgeschichke gegeben, so isk
gewiß die nächske Möglichkeit, sie mit der Geschlchts
zu verbinden — aber nicht als bloher Anhang.
Manchmai vielleichk als eine lehke Zusammenfassung
einer kulkurgeschichtlichen Charakteristik und zugleich
als deren neue Durchleuchkung, für gewöhnlich wohl
am besten an Ork und Skeile emzuslechken. And
hier aus der Form zum Geist vordringend, um wle-
derum zur Form zurückkehrend dis Einheik beider
zu gewinnen. . . . Es soll also Kunskgeschlchte nicht
bloß Zllustrakion der allgemeinen Geschichte, auch
nicht kulturgeschichiliches Bilderbuch sein, sondern
Eigenaritegs bieten: Durch seine befondere Art der
Inhalksauswahl unü ihrer Verarbeitung. Wenn ich
den Eigengehalt der Kunst betone, meine ich absr
nicht die sogenannte Skillehre, die bloß eine magers

Die BohIenwanD.

DaZ sächstsche Banernhans und seine Dorfgenoflen von Br. Schmidt
(siehe Bcsprechung).

Aufzählung von Sußeren Merkmalen ist und heuks
kaum mehr Handwerksschulen entspricht. Sie dient
für die Wesenserkenninis eines Stils so wenig wie
die Kostümkunde für die Ergründung der allgemeinen
Lebensführung und besonderen Gesellschaftsart.
Man wsiß nicht viel über dsn Lhinesen, wenn man
ihn am Zops erkennt. Lassen wir auch Len Stil-
lehrzopf weg. Es hat außsrdem viel tlbles im Sinn
dsr Bllffelei an sich. . . . Auch das Skreben nach
irgendwslcher, wenn auch nur abrißmäßigen Voll-
ständigkeit isk ficher verkehrt: sie überlaskek mlt Na-
men und Sachen, geht auf Kosten elnes gründlichen
Vecstehens, ist nicht Aufgabe der Miktelschule. . . .
Neben dieser Ergänzung und Vertiefung des jewei-
ligen Stoffes durch die Kunst handelt es sich um die

Kunst selbst. In einer
Zeit, da die geistigen
Genüsie immer kost-
spieliger werden, da
die Zugend einseitig
auf die Freuden des
Sporks sich hinge-
drängt siehk, stehk die
feinere Sinnenaus-
biidung in Gefahr,
vernachlässigk Zu wer-
den, drohk aus der
ernseikigen Körper-
pslege im Sinne der
Erküchkigung eine ge-
wisse Derbheii und
Krafkmeierei, die auch
das Gefühl vergrö-
berk. Die Griechen
haben disse Gefahr
aller Athlekik wohl
erkannk und zum
Sport dis Musik,
selbst die Philosophie
gefügk. Wir müssen
neben Likerakur- und
Musikpflege auch der
' bildendsn Kunst an

dsr Mltkelschule mehr Einfluß gewähren. Dies
aber geschiehk nur durch eine direkte Heran-
führung an die Kunsk selbst. . . .

llch habe mir schon als Gymnasist dadurch geholfen,
daß ich von den Kunstgeschichtlichen Handbüchern zur
Ästhetik von Vischer, Lembke, Riegl u. a. meine
Zufluchk genommen. Gewiß ist vieles davon heute
veraltet und manches war von Anfang unzureichend,
aber ich danke ihnen doch dis weikers Erschlishung
der Kunst, nachdem ein alker, viel mlßkannter Zei-
chenlehrer und ein Religionsprofessor meinen Sinn
auf die Kunst überhaupk gelenkt hatten ... — Wer
slch berufen fühlk und es ist, der soll frsiwillig von
Zeit zu Zeit für stnteressentsn aus den oberen Klas-
sen an einem freien Nachmiktag solches bieten; vor
werkvollen Kunstwerken der Skadt, mit Lichtbildern
oder anderen Nachbildungen. Als in erstsr Linie
berufen erachke ich die Zeichenlehcer, um deren jün-
gere Generation ich mich hoffentlich nichk umsonst
gerade in diesem Sinns Lemühe.

Hinker der Weckung des Kunstinteresses steckk
neben der ideaten noch eine gewichtige prakkische
Seite: Die Ausbildung unseres geiskigen Sehens isk
 
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