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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Dräxler, Manfred: Antonio Gasperoni
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Becker, Aug.: Des Schulzen Fritz
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0013

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wissen, daß, wenn sie sich als Gefangene stellen, sie gut
essen, in guten Betten schlafen und gut bezahlt werden,
was man in den Gebirgen nicht immer findet. Das
kann nur lockeu, sich zu ergeben, wenn man einmal des
Lebens auf der Heerstraße müde ist. Und überdies fal-
len hier noch Geschenke von Reisenden ab.
Ich verstand den Wink, erfüllte ihn und sprach, in-
dem ich ging, mein Vergnügen aus, sie Alle so zufrieden
gefunden zu haben.
Mein Begleiter bestätigte alles, was ich so eben von
der Großmuth des Papstes gehört hatte.
Ehe ich den Ort verließ, durchmusterte ich die Ge-
sellschaft noch einmal recht aufmerksam. Keine einzige
malerische Physiognomie darunter, den Anführer und
seinen Henker ausgenommen; lauter spießbürgerliche pro-
saische Gesichter, die man für ehrliche Leute und zufällige
Opfer der Polizei halten könnte. Ich weiß nicht, ob
sie jemals das kleidsame Kostüm getragen, welches die
Künstler den Banditen zu verleihen pflegen; ihre Klei-
dung im Bagno ist die der italienischen Arbeiter: graue
Hosen, braune Westen, blaue Strümpfe — das streift
den poetischen Schleier ihres Handwerks vollends ab.
Auch ihre Stellungen und Geberden hatten nichts An-
ziehendes, wie wir es auf Lithographien zu sehen ge-
wohnt sind: ausdrucklos und ohne ein Zeichen der Er-
innerung an Ehemals blickten sie in den Hellen Himmel,
in die herrliche italische Luft und in die milde Sonne
hinein, welche die Arkaden vergoldete und, eine Freundin
ihrer freien Berge, ihnen jetzt bis in ihre Zellen nach-
schlich. Das Meer, das an den Unterbau der Citadellc
brauste, versenkte sie in keine Träumerei; sie schienen
gleichgültig gegen alles, aber ohne Niedergeschlagenheit

und ohne eine sichtbare Bewegung der Hoffnung oder
der Verzweiflung. Sie rauchten vor sich hin lächelnd
und mit heiterer Stirne.
Ich hatte also einen Räuber gesehen, als ich nahezu
die ganze Gattung schon verschwunden glaubte; aber ich
muß zugleich gestehen, daß mir der Besuch in der Cita-
delle von Civitavecchia viele Illusionen der Phantasie
raubte.
Das also ist die Bande, welche über fünfzehn Jahre
lang die Gegend der pontinischcn Sümpfe verwüstete,
welche die päpstlichen Soldaten zittern machte, den Dra-
gonern förmliche Schlachten lieferte und unzählige reiche
Engländer geplündert hatte, die es nicht anders gewohnt
waren, als auf der appianischen Straße beraubt zu
werden. Wahrscheinlich werden die Gesellen in bestän-
diger Erwartung ihrer Freiheit bis an ihrer Tage Ende
in der Citadelle bleiben und mit ihnen verschwindet wohl
die letzte Räuberbande. Immerhin wird man noch auf
einzelne Wegelagerer zwischen Viterbo und Roneiglionc,
zwischen Rom und Tcrracina stoßen, aber kaum mehr
auf einen organisierten Haufen von Banditen mit Anfüh-
rer, Uniform und Fahne. Es ist dies ein Glück für die
reisende Welt, aber ein Verlust für die Künstler. Die
römische Campagna ohne Banditen ist das, was die syrische
Wüste ohne Karavancn. So verschwindet nach und nach
überall das Eigenthümliche, das Schlechte mit dem Guten.
Der Orient blieb noch unsere letzte Hoffnung — und
siehe da, der Türke kleidet sich in einen blauen Waffen-
rock, der Bayer wird ein Erbe des Perikles, und der
Sultan trägt Spornstiefel und einen runden Filzhut
aus Paris!


Des Schulzen Frrtz.
Eine Geschichte aus der rheinischen Pfalz
von
Aug. Becker.

„Denk' an'ö Schulzen Fritz!" sagt man noch heute,
wenn sich ein junger Bursche im Dorfe in seiner Liebe
ein Bischen „versteigt", und das will dann eben so viel
sagen, als was es in dem Liede heißt: „Steh' ab von
deiner Liebe, 's ist Alles doch umsonst!" Oder noch mehr

Da haben wir's wieder gesehen,
Was falsche Liebe nit thut!
Volkslied.
will es sagen, das wissen die Leute aus dem Dorfe, das
sich drüben so traulich hinter die Kornfelder versteckt,
recht gut, denn die Geschichte von des Schulzen Buben
ist leider eine sehr traurige, und Mancher mag sich ein
Exempel daran nehmen.
 
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