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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Das schwarze Kreuz
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Rosenheyn, Max: Ein deutscher Fürst in Portugal
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0035

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Ich nahm die rauhe, schwielige Hand des Mannes
und drückte sie herzlich.
— Und sehen Sie dort, lieber Herr, fing er noch
einmal an, dort der Steinhausen — es ist schon ein
ordentlicher Hügel. Seit fünfzig Jahren werfen die

Leute, so oft sie vorübergehen, Steine von der Straße
darauf... Das ist die Stelle, wo der arme Jacques
erschlagen worden ist. Zum Andenken daran haben sie
das schwarze Kreuz aufgerichtet. . .
Lastmir D.

Ein deutscher Fürst in Portugal.

Historische Novelle
von

Max Rosen Heyn.

i.
Der Hof zu Lissabon.
Es mochten etwa drei Jahre her sein nach dem furchtbaren
Erdbeben, welches Lissabon und der Umgegend mehr als 30,000
Menschenleben kostete und einen Werth von 570 Millionen Tha-
ler in Schutt und Asche begrub. Hoch im reinsten Blau hing
wieder die glänzende Scheibe der Frühlingssonne, und die ganze
Natur schien ein neues vollkommenes Vertrauen in den ruhigen
schönen Himmel und in die stille, balsamische Lust dieses von der
Natur so glücklichen Landes zu setzen. Lissabons stolze Paläste
und prächtige Kirchen spiegelten sich in der krystallenen Fluth des
majestätischen Tajo, den kein Windhauch kräuselte. Freude und
Friede schienen ihren Wohnsitz an seinen Ufern und in seinen Ge-
wässern aufgeschlagen zu haben. Und doch war es anders.
Des Landes Herrscher, Joseph I., war ein schwacher, nur dem
Sinnengenusse ergebener Fürst, der in ohnmächtiger Hand die
Zügel der Regierung haltend ebenso wenig Rath gegen den
Uebermuth des Adels, als gegen die Ränke der Jesuiten wußte.
Das hart geprüfte Volk wäre grenzenlos unglücklich geworden,
hätte die gütige Vorsehung dem Lande nicht zwei Schutzengel ge-
sandt, die wieder dem Gesetze Gehorsam und dem königlichen
Scepter die gebührende Achtung zu verschaffen wußten.
Sebastian Joseph von Carvalho, in der Geschichte be-
rühmt als Marquis von Pombal, damals zum Principal-Mi-
nister erhoben, und sein vertrauter Freund, der deutsche Fürst
Fr. W. Ernst von Schaumburg-Lippe, Oberbefehlshaber
der portugiesischen Heere; beide Männer eben so ausgezeichnet
durch außerordentliche Persönlichkeit, wie durch ihr großartiges
Streben, retteten den Staat nicht allein aus der drohenden Ge-
fahr einer politischen Krisis, sondern erhoben ihn auch durch ihren
unerschütterlichen Muth auf die Stufe ehrfurchtgebietender Größe.
Der Marquis von Pombal, Sohn eines armen Edelmannes,
hatte durch seine Heirath mit einer vornehmen Wittwe ein bedeu-
tendes Vermögen und Zutritt bei Hof erhalten, aber auch einen
glühenden Haß gegen den hohen Adel gefaßt. Die Natur hatte
ihm Alles gegeben, was den Herrscher ankündigt. Der König,
von dem Genie seines Ministers hingerissen, willigte in die kühn-
sten Pläne desselben, und Pombal mochte von seinen Anstrengun-

gen nicht eher ruhen, bevor es ihm gelungen, die Jesuiten sammt
ihren Auto da Fö's zu vertreiben, die hohe Geistlichkeit zu unter-
drücken und venAdel zu demüthigen. Dieses Ziel im Auge schritt
er kühn und unerbittlich streng über Jeden hinweg, der ihm in
den Weg zu treten wagte.
Und die durchgreifenden Maßregeln dieses großen Mannes
erhielten Geltung und Nachdruck durch die Reorganisation des
portugiesischen Heeres, wodurch der Fürst von Schaumburg-
Lippe in den Annalen jenes Landes sich einen unsterblichen Ruhm
erworben hat. Ein Mann von deutschem Schrot und Korn reprä-
sentirte der Fürst die ritterlichen Eigenschaften seines Landes zur
Zeit des Mittelalters zugleich mit der südlichen Courtoisie des
achtzehnten Jahrhunderts, und wiewohl erst ein Dreißiger besaß
er dennoch in hohem Grade jene bewundernswerthe Gemüthsruhe
in entscheidenden Augenblicken, womit die Natur die wahren Hel-
den zu begaben pflegt. Seine stattliche Leibesgröße, das schöne
Ebenmaaß seiner Glieder, in deren Muskeln die Kraft des deut-
schen Volkes sich concentrirt zu haben schien, und die Schönheit
eines antik-edlen Angesichts erhoben ihn zum Musterbilds männ-.
licher Schönheit.
Aus dem glänzend erleuchteten Prachtschlosse des Fürsten
drang eine rauschende Musik, und das hundertstimmige dumpfe
Gewirr der Gäste durch die Stille des Abends hinüber in die mit
Menschen angefüllte Parkanlage, die den Palast umgab. Die
ersten Notabilitäten des Landes waren hier zu einem Mahle gela-
den worden, und was Portugal an Potenzen von Reichthum,
Adel und Einfluß hegte, war an diesem Abende in den Salons des
Schlosses vereinigt. Ein Lichtmeer durchwogte die hohen Räume
und aus diesen strahlten die stolzen Stirnen der Männer, auf die
das Bewußtsein der Hoheit ein unverkennbares Gepräge gedrückt
hatte, majestätisch hervor. Unter den Geladenen aber war dem
Gastgeber Niemand willkommener und lieber, als der Minister
Marquis v. Pombal.
Während der Tafel ward dem Könige unter Begleitung weit-
hin hallender Horn- und Trompetenmusik der erste Trinkspruch
ausgebracht; der zweite galt Pombal; war dieser doch der rastlos
thätige Mann, den die Hauptstadt als ihren zweiten Gründer be-
grüßen durfte. Der Fürst konnte bei dieser Gelegenheit sich nicht
 
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