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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Becker, Aug.: Des Schulzen Fritz
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0022

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zweifluug noch närrisch werden wollte. Hoffte er, daß
seine geliebte Kathel durch dieses Beispiel grenzenloser
Aufopferung zu gleicher Hiutansetzuug aller Rücksichten
auf das Urtheil der Welt augespornt werde? Hoffte er,
daß ihre Eltern seinen Edelmuth doch noch erkennen und
schätzen werden, — daß das Mädchen endlich mit der
ganzen Wahrheit vor allen Leuten herausrückcn würde?
Dann hat er sich bitter getäuscht.
Wir wissen nicht bestimmt, was den jungen Mann
bewog, auf sciucr Aussage zu bleiben. Bekannt ist uns
aber, daß die Frau Bürgermeisterin durch ein heimliches
Gcständniß ihrer Tochter über den Zusammenhang der
ganzen Geschichte unterrichtet war, aber so auf ihre
schwache Tochter eiuzuwirken gewußt hatte, daß dieselbe
nicht gewagt, einen edcln, pflichtschuldigen Entschluß zu
fassen.
Im Dorfe zweifelte Niemand länger an der Schuld
des jungen Mannes. Am Gerichtstage konnte Niemand
ahnen, was alles des Armen Seele bewegte, als er —
vergeblich auf eine Erklärung von denen wartend, die

seine Unschuld kannten, — das Urtheil des Richters empfing.
Er hatte keine Widerrede gegen die Verurtheilung, — er
empfing sie schweigend — vielleicht war es Trotz gegen
die Tücke des Schicksals.
Und wenn nun im Dorfe alle Stimmen sich vereinig-
ten, den Namen des armen Fritz zu verunglimpfen, —
und wenn stets wieder nur mit dem Sprüchlein: „Hochmuth
kommt vor dem Fall!" seiner gedacht wurde, — mochte
die kluge Frau Bürgermeisterin einen geheimen Triumph
feiern, daß ihr Alles so gut gelungen; — ihr Tochter-
lein jedoch, des Bürgermeisters hübsche Kathel, mochte
mehr als einmal das Klopfen eines gewissen Mahners
vernehmen, der sich nicht abweiscn läßt, — mochte zum
Oeftern dem Bewußtsein großer Schuld und Untreue in
ihren einsamen Stunden unterlegen sein und gefühlt
haben, wie unter seiner Wucht die Lust und Blüthe ih-
res jungen Lebens erstickt ward: und dennoch-sie
schwieg.
(Schluß folgt.)

Lose Blätter.

Humoristische Aphorismen über die schlechte Zeit.
(Nach der „Muse".)
Wenn ich die geehrten Leser bitte, mir zu demjeni-
gen, was ich hier vorzutragen mich beehren werde, einen
Theil Ihrer Zeit zu widmen, so geschieht dicß, um dem
spätern Vorwurfe zu begegnen, als hätte ich Ihre Zeit
gestohlen. Da wir aber in einer schlechten Zeit leben,
so erscheint es sogar als eine verdienstliche Aufgabe, solche
Zeit zu vertreiben. Jnsofernc wären auch die Tagdicbe
und die Leute, welche nichts thun, ganz nützliche Men-
schen. Es wäre viel besser auf der Welt, wenn cs mehr
Nichtsthuer gäbe; denn erstens werden diejenigen, welche
beweisen können, daß sie nichts gcthan haben, von den
Assisen für unschuldig und sogar für frei erklärt; zwei-
tens braucht denjenigen, welche nichts thun, auch nicht
geholfen zu werden, und drittens wird dadurch, daß die
Zahl der Nichtsthuer zunimmt, der Mangel an Arbeit
immer mehr abnehmen. So lange Adam und Eva im
Paradiese lebten, thaten sie — nichts.
Wenn wir sagen: wir haben eine schlechte Zeit, so
müssen wir doch dabei gcsteh.en, daß eine schlechte Zeit
besser ist, als wie gar keine Zeit; denn cs hat jeder
Mensch seine Zeit, aber wie viel? das erfährt er erst
dann, wenn sie abgclausen ist; dann hat er gar keine

Zeit mehr. Wenn es daher ganz gesunde Leute gibt, die
da sagen: sie hätten keine Zeit! so kann dieß blos eine
Verwechselung sein, sie haben oft kein Geld; also ihr
Geld mit der Zeit verwechselt, was im Menschenleben
gar oft geschieht; diejenigen kommen der Wahrheit viel
näher, die zum geldforderndeu Gläubiger sprechen: Sie
haben eine schlechte Zeit gewählt, ich habe jetzt kein Geld!
Der Rentier, der Beamte, der Künstler wie der Tag-
löhner, sie alle lassen sich ihre Zeit bezahlen; der Eine
mißt sie nach Quartalen, der Andere nach Monaten,
nach Wochen oder Tagen ab; — wir sind Alle Lange-
Waarenhändlcr in dem Artikel Zeit, und treiben unser
ganzes Leben Ausverkauf damit, weil wir nie eine neue
Zusendung von dem Artikel „Zeit" erhalten. Wer gute
Geschäfte mit seiner Zeit gemacht, der kann dann im
Himmel von seinen Renten behaglich leben; aber wir
schlagen in der Jugend gar ost unter dem Preise los
und haben dann im Alter nur noch einige Ladenhüter!
Wann ist eine schlechte Zeit? Wenn die Papiere fal-
len und die Brodpreisc steigen! Warum sind aber die
Papiere gefallen? Wegen der russisch-türkischen Differenz
oder der sogenannten orientalischen Frage. — Die rus-
sisch-türkische Differenz ist aber nichts anders, als das
Ergebniß eines ganz gewöhnlichen Subtraktions-Excm-
pcls. Die Türken wollen von den Russen einen Abzug
 
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