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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Rosenheyn, Max: Eine Dorfgeschichte aus der Ruhl
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Gedichte / Literarische Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0118

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84

Plan, ich wollte es noch heute malen, ihr Name war Adelheid
Schmidt.«
„Gerade die," sprach der Ruhler ganz erstaunt, „kenne ich
ganz genau, denn sie ist seit achtzehn Jahren meine Frau.«
»Ihre Frau?« entgegnete eben so erstaunt der Dane, und er-
zählte nun auch seiner Frau zum ersten Male die ganze Geschiche
seiner Pfingstreise in die Ruhl.
Der Ruhler besann sich nun auch, daß seine Frau ost gesagthabe,
sie habe doch nun viele Studenten die Ruhl durchwandern sehen,
aber so angenehm und liebenswürdig, wie einmal ein Göttinger
Student aus Dänemark, sei ihr nie wieder einer vorgekommen.
„Siehst Du nun, Frau," sprach der Rath, „was sür einen
Prachtmann Du an mir hast. Tief aus Deutschland heraus hörst
Du mein Lob verkünden.«
Nach dieser Erklärung war die Freude des Rathes an dem
Manne aus der Ruhl nur noch größer und er ließ ihm Freundschaft
und Vorschub angedeihen, so viel er konnte. Beim Abschied gab er
ihm die Hälfte eines goldenenRinges. „Den," sprach er, „bringen
Sie Ihrer Frau mit, und sagen Sie ihr, daß ich gar oft an sie
gedacht habe, und daß ich noch einmal in die Ruhl kommen werde,
wenn anders der liebe Gott mir noch einige Jahre Leben schenkt.«
Der Pfeifenhandel war glänzend abgelaufen, und vergnügt
reiste der Ruhler feiner bergigen Heimath zu.

3.
„Du wirst mir doch auch etwas mitgebracht haben?« fragte
Adelheid ihren Mann, nachdem er sich etwas von der Reise er-
holt hatte.
„Gewiß," sprach er, „und zwar etwas, was Du nie in Deinem
Leben mehr zu bekommen gehofft hast."
Die Frau rieth einige Mal, dann gab sie es auf, und ihr
Mann gab ihr in einem Kästchen den halben Ring.
So roth, wie sie nie ein Kopftuch getragen hatte, färbte sich
ihr Gesicht, sie siel ihrem Manne um den Hals und sagte: „Wie
kommst Du dazu? Ich will Dir Alles erzählen, verzeihe mir.«
Sie lief zu einem Schranke und brachte ihrem Manne den
andern Theil des Ringes.
„Hier nimm, und höre!«
„Sei ruhig, -Adelheid. Ich kenne die ganze Geschichte. Der
Göttinger Student von Anno 18.. ist jetzt Geheimer-Steuerrath
in Kopenhagen, und hat mir großen Nutzen gewährt. Ich bin
gar nicht böse darüber, daß Du in Deiner Jugendschöne einem
Manne gefallen hast, wie diesem neuen Freunde in Dänemark.
Anch er hat eine Frau und Kinder und will uns noch einmal in
der Ruhl besuchen. Wie ich zu ihm gekommen bin, will ich Dir
erzählen.«


Gedichte.

Vor Gericht.
Mit stierem Blick, mit schlotterndem Halt,
Steht vor Gericht die Jammergestalt:
Der blasse Gesell mit dem zuckenden Mund,
Gestohlen hat er nur eben zur Stund.
Anhebt das Verhör, man forscht und spricht:
Der alte Bursch', der rührt sich nicht;
Da reißt ihn rüttelnd ein starker Arm:
„He, hört Er?« wettert ihn an der Gensdarm.
Der Gefangne erbebt und zuckt empor,
Eine Thräne rinnt unter der Wimper ihm vor:
Ueber's Äug' fährt hastig die zitternde Hand,
Dann spricht er dumpf zu den Richtern gewandt:
»Ihr Herren, Ihr wißt ja, was ich that:
Ergriffen ward ich auf frischer That:
Gestohlen hab' ich und das ist wahr,
Gestohlen zehn Thaler blank und baar.
„Doch bin ich kein Lump und Vagabund:
Zum Diebe ward ich nur eben zur Stund,
Zum Diebe in höchster letzter Noth,
Und Noth, Ihr Herr'n, kennt kein Gebot."
„Ein Weber bin ich, ein ehrlicher Mann,
Ich hab' mich gemüht, wie ein Mensch es kann;
Ich habe geruht nicht Tag und Nacht,
Und — so weit hab' ich's nun gebracht.«

-Auf lacht der Mann mit bitterm Hohn:
„Sechs Groschen, das war mein Tagelohn:
Sechs Groschen den Tag und sechs Kinder zn Haus,
Ei, sagt, wie hieltet Ihr damit aus?
»Sechs Kinder und noch ein krankes Weib,
Gebettet auf Stroh den fiebernden Leib:
Unser täglich Mahl Kartoffeln und Brov,
Unser täglicher Gast der Hunger, die Noth:
„Unser Obdach ein feuchtes Kellerloch:
O freilich, was will der Arme noch?
Ist jedes Nest nicht lange gut
Für den Bettler und seine hungrige Brut?
„Ihr schaut mich an mit finsterm Blick,
Dieweil ich had're mit dem Geschick: —
Ich bitt', Ihr Herrn, habt noch Geduld,
Dann richtet mich und meine Schuld.
„Seht, die zehn Thaler, ja seht mich nur an,
Die stahl ich für einen frommen Mann,
Das war die Miethe für's halbe Jahr,
Die ich dem Hauswirth schuldig war.
„Ich hab' ihn gefleht um kurze Geduld,
Bis ich könnt' zahlen meine Schuld:
Umsonst, umsonst! Daß Gotterbarm!
Und er ist so reich und wir sind so arm:
 
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