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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Rudolf, K.: Vier Wochen in einem römischen Dorfe
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Erzählung

von


!


Vier Wochen in einem römischen Dorfe.

K. R ii s o l f.

„Auch mir knüpft sich an solche reine, warme Octobertage eine! ben auf der hohen Schule, die ich bezogen hatte, war mir zu roh
gar anmuthige Erinnerung« — erzählte nur ein neu gewonnener
Freund, als wir nach einer fröhlichen Herbstfeier noch zu später
Stunde imvertraulichen Austausch unsererGedanken und Erfahrun¬
gen in den mondbeleuchteten Straßen der Stadt lustwandelten.—>
Es sind jezt fünf Jahre, daß ich diesen Monat in einem Dorfe
am Abhange der albanischen Berge verlebte. Ich hatte mich aus
Rom dahin geflüchtet; denn ich fühlte mich damals sehr unglück¬
lich zur großen Verwunderung meiner Bekannten, denn ich war
freilich gesund, war überall wohl gelitten, ich nahm mehr ein als
ich bedurfte und sah einem sorgenfreien Leben entgegen; aber ich
hatte mir in den Kopfgefezt, ein großer Maler zu werden, und
hiezu fehlte mir jedenfalls Eine Bedingung. Ich hatte keine strenge
Schule durchgemacht. Weder von jenem Vorsatze, noch von die¬
sem Mangel hatten meine Freunde eine Ahnung. Sie hielten mich
für einen gründlich unterrichteten, sehr talentvollen Künstler, der
es bei einem schönen Vermögen verschmähe, fleißig, wie sie, zu
arbeiten. Daß ich von Jugend auf zu einem andern Berufe erzo¬
gen worden, daß ich nur zu einem Dilettanten bestimmt war, hatte
ich ihnen sorgfältig verschwiegen.
Mein Vater nämlich, der ein ansehnliches Amt bekleidet hatte,
war in jüngern Jahren ein fleißiger Zeichner gewesen, später war
er Sammler geworden und verdankte, wie er es oft gegen mich
aussprach, seine angenehmsten Stunden, seine werthesten Bekannt¬
schaften dieser Kunstliebhaberei. Sie sollten sich denn auch auf
mich, den einzigen Sohn, vererben, und da mein Vater die Ueber-
zeugung hatte, daß es ohne einige Freiheit in Ausübung der
Kunst unmöglich sei, ein wahrer Kenner zu werden, so wurde ich
schon frühe im Zeichnen unterrichtet. Die Fortschritte, die ich
darin machte, waren im Verhältniß zu der wenigen Zeit, die ich
darauf verwenden durfte, für meinen Vater und seine Freunde
überraschend; ich galt in der Familie, wie ich heranwuchs, für ein
großes Talent, und auch die Lehrer hatten eine Freude an mir.
Die Schnelligkeit, mit der ich lernte, hatte freilich zum Theil
darin ihren Grund, daß ich mit Vielem, was dem künftigen Mei¬
ster unerläßlich ist, den Schüler aber leicht ermüdet und scheinbar
aufhält, verschont wurde. Man dachte ja nicht von Ferne daran,
daß ich die Kunst je als Beruf ausüben sollte, ich war vielmehr
für die Rechtswissenschaft bestimmt, wie überhaupt der mir vor¬
gezeichnete Lebensplan ganz derselbe war, den mein Vater einst
verfolgt hatte. Die Kunst sollte nur nur die freien Stunden aus¬
füllen. Auch mir selbst fiel es, so lange meine Eltern lebten, nie
ein, eine andere Bestimmung zu wählen, und hätte ich nicht nach
dem Tode meines Vaters einen allzu nachsichtigen Vormund bekom¬
men, so würde der Gedanke, Künstler von Beruf zu werden, mit
so vielen anderen wunderlichen Gedanken, an denen ein Mensch von
achtzehn Jahren reich ist, flüchtig vorübergegangen sein. Das Le-

und wüste, dieß war's, was mich plötzlich bestimmte, zu dem Pin-
sel als zu einem Handwerkszeuge zu greifen. Mein Vormund setzte
mirwenig entgegen: er mochte denken, da ich, nach meinen Mitteln,
auch ohne einen bestimmten Beruf nicht darben müsse, so sei an
der Wahl meiner künftigen Bestimmung wenig gelegen. Desto mehr
Widerspruch fand ich bei meinen alten Lehrern in der Heimath,
denen ich meinen Entschluß mlttheilte. Die Gründe, die sie be-
stimmten, mir entgegen zu sein, waren ohne Zweifel die richtigen.
Hätten sie dieselben nur gegen mich ausgesprochen! Sie nähmen
aber, wahrscheinlich aus Schonung, um mich nicht durch Zweifel
an meinen Fähigkeiten zu betrüben, um mir nicht zu schmerzlicher
Enttäuschung die Lücken aufdecken zu müssen, die sie selbst in
meinen Kenntnissen gelassen hatten, alle ihre Einwendungen aus
meinen Familienverhältniffen, aus meinem Stande rc. Dieß ver-
fehlte bei mir seine Wirkung gänzlich. Da sie sahen, daß ich
von meinem Vorhaben nicht abzubringen sei, so übernahmen sie
den ein Jahr lang unterbrochenen Unterricht wieder auf's Freu-
digste und waren treulich bemüht, mich das früher Versäumte
nachholen zu lassen. Doch, es war, für meine Fähigkeiten wenig-
stens, zu spät. Ich fühlte dieß dunkel schon nach einem Jahre,
gestehen mochte ich es mir aber um so weniger, als man in der
Stadt von einem Wechsel spöttisch geredet und prophezeit hatte,
mein Eifer werde nicht von langer Dauer sein. Ich wurde durch
diese Urtheile noch mehr erhitzt, ich arbeitete auf's Angestreng-
teste, aber mein Fleiß diente mir nur dazu, daß ich alle die
Schwierigkeiten, die ich noch zu überwinden hatte, deutlicher er-
kannte. Vom Mißmuth hierüber verblendet that ich lediglich von
allem Thörichten, das ich hätte thun können, dasThörichtste: ich
reiste, ohne Jemand um Rath zu fragen, nach Rom, in dem Wahne,
der Anblick der größten Kunstwerke, der Umgang mit so vielen stre-
benden Genossen, müsse mir zu einer Begeisterung, die in Kurzem
Alles überwinde, verhelfen. Die Strafe meiner Thorheit war,
daß ich in den herrlichsten Umgebungen zwei Jahre lang vom
schwersten Trübsinne geplagt war. Ich war viel zu unreif, um
hier etwas lernen zu können. Dazu war ich, um bei den anderen
Künstlern, die alle auf einer höhern Stufe standen, als ich, die
nöthige Geltung zu haben, genöthigt, mich reifer, als ich war,
anzustellen. Dieß konnte mir, da ich in allgemeinen Kenntnissen
ihnen voran war, nicht zu schwer fallen, aber ich schnitt mir da-
mit selbst die Möglichkeit ab, bei ihnen guten Rath zu holen.
Als ich die Pein, die ich litt, endlich nicht länger ertragen
konnte, beschloß ich, mich auf einige Wochen auf's Land zurück-
zuziehen, und so lange alle meine Versuche, ja meine Gedanken an
! die Kunst ruhen zu lassen, denn meine Verwirrung und Betäu-
i bung hatte, je rastloser ich mich bemühte, um so mehr zuge-
I genommen.



III. 9.
 
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