Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

DOI Heft:
Rosenheyn, Max: Ein deutscher Fürst in Portugal
DOI Heft:
Literarische Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

den Spaß versagen, den König und seinen Freund auf eine eigen-
tümlich ritterliche Weise zu ehren. Zwei Trompeter hielt er auf
seinen Händen zum Fenster hinaus, die lautschmetternd in die
Fanfare da drinnen einstimmen mußten. Ein lauter Jubel des
Volkes draußen war der Nachhall.
Das Gespräch hatte sich auf die herrschsüchtigen Pläne des
Jesuiten-Ordens in Amerika gelenkt. Portugiesische Jesuiten hat-
ten sich in den der spanischen Hoheit zugehörenden Wildnissen von
Paraguay eine unabhängige Macht gebildet. Die ganze Anord-
nung war gemodelt nach dem Bilde einer großen, in sich geschlos-
senen Familie. Bei Gelegenheit eines Tauschhandels zwischen
Spanien und Portugal über einige Distrikte jenes Jesuiten-Staa-
tes, dessen Vollziehung sich die Eingebornen unter Anführung
ihrer priesterlichen Häupter bewaffnet widersetzten, war beiden
Kronen nun die ihre Rechte gefährdende Gründung kund gewor-
den. Darum erhob nun der Fürst nach aufgehobener Tafel noch
einmal den Pokal und rief mit ernster Miene:
„Meine Herren, pereant jene selbstsüchtigen Kuttenträger, ge-
gen deren ränkevolle Politik die sieggewohnten Schwerter unserer
braven Kriegsgenoffen in Amerika ohne Erfolg geführt werden!"
Ein donnerndes Pereat erscholl durch die hohen Räume des
Prunksaales; dann verließ man die Tafel. Doch während die
eiligen Tischgenossen in bunte Gruppen sich vertheilten, schritten
Arm in Arm der Fürst und der Marquis den Saal auf und ab,
mit der Prüfung politischer Ereignisse beschäftigt.
„Es ist ausgemacht," sprach der Fürst, „daß das Heer der
halbwilden Republikaner in Paraguay unter Anführung der Je-
suiten unseren Truppen Widerstand geleistet hat?"
Der Minister versetzte darauf: „Leider stellt sich die Wahrheit
der schweren Anklage auf Landesverrats) aus der über diese Ge-
sellschaft verhängten Untersuchung heraus. Der Himmel wolle
uns in Gnaden vor weiteren Uebergriffen dieser vielköpfigen Hyder
bewahren, daß wir die Katastrophe aus Don Philipp des Zweiten
Zeiten nicht wieder erleben."

„Nun, nun! warum sollen wir so düsteren Ahnungen Raum
geben? Warum uns die Zukunft in Grau malen? Freund!" fuhr
der kühne Fürst fort, „so lange durch Gottes Gnade diese Rechte
mit gewohnter Zuversicht an das Schwert schlagen kann, so lange
der König in seinem Vertrauen auf meine Redlichkeit und Treue
nicht wanken wird: so lange hoffe ich allen Meuterern Ehrfurcht
vor dem Gesetz und den Gesetzgebern zu gebieten."
„O ich kenne den Egoismus, die eigentliche Triebfeder aller
Handlungen dieser nichtswürdigen Brut," entgegnete Pombal,
„ich kenne auch ihre schändlichen Schleichwege, auf denen sie sich
vorsichtig zu ihrem Ziele hinwindet. Taufte sie mich doch damals,
als ich ihr geheimstes Thun und Treiben studirte, mit dem
Schimpfnamen des großen Jesuiten. Wiedas Urtheil gegen
sie lautet, so werden diese scheinheiligen Bösewichter, die ln ma-
g'oeem (lei Zloriam sogar den Königsmord Vertheidigen, nicht eher
ruhen noch rasten, als bis ihre dienstbaren Geister den Dolch
meuchlings in des Königs oder unser Herzblut getaucht haben."
„Ihre Schilderung der Umtriebe dieser nobeln Klerikerkaste,
die wahrheittreu aus der Erfahrung entnommen ist, könnte mir
Entsetzen einflößen, stände ich nicht gerade auf d e r Lebensstufe,
wo man pikanten Abenteuern, wenn sie uns zufällig begegnen,
ohne sich zu prostituiren, füglich nicht ausweichen kann."
„Ich verstehe, mein fürstlicher Freund!" erwiederte der Mi-
nister. „Wie der Ehrenmann jeden unerwarteten Angriff auf seine
Ehre mit Geistesgegenwart zurückzuweisen versteht, so läßt er
gegentheils auch nie den Wunsch nach einer sich dazu darbietenden
Gelegenheit in seinem Herzen aufkeimen: denn, gefällt es einmal
unserer Phantasie, von der rothen Hahnenfeder Lucifers uns ein
Bild zu schaffen, alsobald steht auch der Hölle Fürst, feuerspeiend,
zähnefletschend und mit gierigen Krallen uns dienstwillig zu
Gebote."
(Fortsetzung folgt.)


Literarische Besprechungen.

^emm in Schwaben.*)
Lenau'S Dichtung ist meist pathologischer Natur. Lenau
war ein guter, gemüthlicher, geistreicher Mensch, aber er
war krank, und der Schmerz, der seine Nerven, zuletzt bis
zum Wahnsinn, quälte, flötet, seufzt und schreit auch auS
seinen Gedichten. Die lyrischen Produkte einer nervös über-
reizten, halb somnambülen Stimmung mögen ost rührend
schön, schmerzlich ergreifend sein, — aber sie haben immer
etwas Entnervendes, sie fördern nicht die Heiterkeit der
Seele, die Gesundheit des Geistes. Gedichte, frisch und er-
frischend „wie lauterer Wein am Morgen", hat Lenau wohl

'ff Lenau in Schwaben. Aus dem letzten Jahrzehent seines
Lebens, von Emma Niendorf (v. Suckow). Leipzig, bei
Fr. L. Herbig.

auch hinterlassen; aber viel sind ihrer nicht; und die größe-
ren Dichtungen haben häufig störende Partiecn, die den Ge-
nuß der schöneren verkümmern. Aus eine umfassendere Kritik
des Dichters ist es übrigens hier nicht abgesehen. Wir
wollen nur an der Hand einer Dichterin, die Jahre lang
mit warmer Freundschaft an dem genialen kranken Dichter hing
und hängt, der das letzte Decennium seines Lebens mit wenig
längeren Unterbrechungen im Kreise schwäbischer Dichter-
und Gelehrten-Familien zubrachte, uns das Lebensbild eines
Mannes vergegenwärtigen, der so viele Tugenden und Ge-
brechen seiner Zeit, die ganze ungebundene Kühnheit der
Hoffnungen und Wünsche, das ganze Unbehagen des skepti-
schen Zweifels, alle Selbstquälerei und Sclbstbespiegelnng, alle
Unklarheit, Haltlosigkeit und Willensunkräftigkcit seiner Ge-
neration in sich, im Leben wie in der Dichtung ausgeprägt,
aber zugleich auch durch den angebornen Adel seiner Natur
 
Annotationen