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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Buntes / Gedichte / Literarische Besprechungen
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140
Buntes.

Ein moderner Raubritter. Zu Anfang der vierziger Jahre
entdeckte man in Wien auffallend viele falsche Banknoten, bald größere,
bald kleinere. Die Polizei, davon benachrichtigt, gab sich alle nur mög-
liche Mühe, um den Verbreiter dieser falschen Noten, die übrigens
mit außerordentlicher Sauberkeit nachgemacht waren, auf die Spur
zu kommen. Cs vergingen darüber Jahre; endlich deuteten verein-
zelte Anzeichen auf eine Persönlichkeit, die einen hohen Rang in der
Wiener Gesellschaft einnahm, die sich durch Geist, Bildung und feine
Sitten auszeichnete und mit einem der ersten Adelsgeschlechter der
Monarchie durch eheliche Bande verwandt war. Der Verdächtige
hatte von jeher ein sehr großes Haus gemacht. Er liebte Künste
und Wissenschaften, er lebte auf glänzeudem Fuß, besaß Häuser und
Landgüter und galt allgemein für einen sehr reichen Mann. Woher
er seine großen Einkünfte bezog, war allerdings nicht bekannt; da
derselbe aber jährlich große Reisen in's Ausland machte, so nahm
man an, daß er sein Vermögen in auswärtigen Banken niedergelegt
haben möge. Der einmal verdächtig Gewordene ward nun überall auf
jedem Schritt und Tritt von Spionen umstellt. Die Polizei belauschte
ihn im Theater, im Salon, ja fast im Schlafgemache. Diese Vor-
sichtsmaßregeln, wozu die Staatsbehörde sich durch die Verhältnisse
genöthigt sah, führte zur Entdeckung. Man ertappte den Schuldi-
gen gleichsam auf der That. Eine sehr genaue Haussuchung brachte
auch das corpus clelicti an den Tag. Der Fälscher, Hilter van Bohr,
ward nach hartnäckigem Läugnen zu einem umfassenden Geständniß
veranlaßt. Aus ihm ergab sich, daß derselbe für ungefähr eine Mil-
lion falscher Banknoten in mehr als dreißig Jahren gemacht und in
Umsatz gebracht hatte. Die eigentliche Quelle seines großen Vermö-
gens war soniit ermittelt. Das Erkenntniß des Gerichts lautete auf
Tod, ward jedoch im Gnadenwege auf acht Jahr Kerkerstrafe gemil-
dert. Merkwürdigerweise war der Mann beinahe ganz blind, und
doch hatte er sich bei Anfertigung der falschen Platten niemals eines
Helfers bedient. Die unglückliche Gattin des Verbrechers, die in die
Schuld ihres Mannes eingeweiht, mit daran Theil nahm, litt an:
meisten bet der Entdeckung, ward aber nach Abbüßung einjähriger
Kerkerhaft begnadigt. Der Ritter starb im Gefängniß. Ein aus-
führlicher Bericht über den merkwürdigen Prozeß findet sich in der
Berliner Ger. Zeitung.
Das englische Ncgierungssystem. Graf Marcellus war im
Jahr 1822 und 1823 in London Gesandter von Frankreich. Er trat in den
Posten Chäteaubriands ein, als dieser auf dem Congreß zu Verona
Frankreich zu vertreten hatte. Für das Verständniß der Zeit und der
Persönlichkeiten von 1822 und 1823 bietet seine „lloliligue üs la Uost-m-
ralion en 1822 et 1823" manchen interessanten Beitrag. Bemerkenswerth
ist, wie nach ihm Georg I V über die parlamentarische Regierung dachte und
gegen Marcellus sich aussprach. „Lassen Sie sich nicht blenden," sagte der
König eines Tags zu dem französischen Gesandten, „wenn man Ihnen
unser Regierungssystem als besonders vollkommen schildert. Es hat
auch seine Schattenseiten. Ein geistreicher König — er meinte Lud-
wig XVIII — hat zu mir gesagt, unser System sei nur gut, um die
Abenteurer zu ermuthigen und die Ehrenmänner einzuschüchtern . . ."
„Was denken Sie davon, Canning?" wandte er sich plötzlich an diesen.
Canning stockte in größter Verlegenheit und konnte keine Antwort
finden, und der König fuhr in seiner Behauptung fort, daß das eng-
lische Regiment in keinem andern Staate irgend welche gute Früchte
tragen könne, worauf er mit einem malitiösen Lächeln wegging. Can-
ning hatte Mühe, sein kaltes Blut zu bewahren, und drückte alsdann
Marcellus' Arm heftig, indem er bitter sagte: „Die Repräsentativ-
Regierung ist doch noch zu etwas gut, woran Se. Majestät nicht ge-
dacht hat; die Minister verschlucken ohne Widerrede die Epigramme

eines Königs, der sich nur durch diese für seine Ohnmacht rächen
kann."
Arago und der liebe Gott. Ein gelehrter Freund schildert
den großen Todten in der Ilevue cis Bsnsvs und erzählt unter An-
dern!: „Wir sprachen von den Wundern der Schöpfung und von
der Erschaffung der Welten. Dabei wurde der Name Gottes aus-
gesprochen. Dieß gab Veranlassung, daß Arago sich beklagte, sein
Verstand vermöge Gott nicht zu begreifen; man sah es deutlich, wie
sein Geist mit den Wahrheiten kämpfte, die eben mehr empfunden
und geglaubt, als durch den Verstand dargethan und bewiesen fein
wollen. „Aber," sagte ich, „es ist doch noch viel schwerer, an Gott
nicht zu glauben." Er läugnete das nicht, „aber," setzte er hinzu, „ich
denke lieber nicht mehr darüber nach, denn den Gott Euerer Philo-
sophen werde ich nie begreifen." — „Von diesem handelt es sich
auch gar nicht," entgegnete ich, „obgleich ich der Meinung bin, daß
die ächte Philosophie nothwendig zu Gott führen muß; ich spreche
nur von dem Gott der Christen." — „Ah," fiel er ein und seine
Augen leuchteten in eigenthümlichem freudigem Glanze, „von dem
Gott meiner Mutter, vor dem sie so gern und so oft in rührender
Andacht kniete?" — „Von diesem," sagte ich. Er erwiederte nichts
mehr; sein Herz hatte gesprochen.
Dieß erinnert an etwas Aehnliches aus dem Leben Goethe's,
den man ja auch häufig einen ungläubigen Heiden genannt hat. Im
Jahr 1822 schrieb an ihn die Gräfin von Bernstorff, die Schwester
der Brüder Stoüberg, mit der er in der Jugend in lebhaftem
Briefwechsel gestanden hatte; sie bat ihn mit rührender Glaubens-
innigkeit, er möge in sich gehen und sich bekehren, damit er einst
auch in den Himmel komme. Darauf antwortete er unter Anderem:
„Redlich habe ich es mein Leben lang mit mir und mit Anderen ge-
meint und bei allem irdischen Treiben aus das Höchste hingeblickt.
Wirken wir fort, so lange es Tag für uns ist, und bleiben wir wegen
der Zukunft unbesorgt. In unseres Vaters Reiche sind viele Pro-
vinzen, und da er uns hier zu Lande ein so fröhliches Ansiedeln be-
reitete, so wird drüben gewiß auch für Alle gesorgt sein."
Ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen. (Aus den?
Briefwechsel Napoleon's mit seinem Bruder Joseph,
damals König von Neapel.) „Ich habe Ihnen schon gesagt
und wiederhole es hier, daß Sie den Neapolitanern zu viel trauen,
insbesondere in dem, was Ihre Küche und die Sicherung Ihrer Per-
son betrifft. Sie riskiren vergiftet oder ermordet zu werden. Ich
wünsche deßhalb, daß Sie Ihre französischen Köche behalten, daß Sie
den Dienst Ihrer Tafel durch Ihre Haushofmeister versehen lassen, und
daß Ihre häusliche Einrichtung der Art sei, daß Sie sich stets unter
der Obhut von Franzosen befinden. Sie haben mein Privatleben
nicht genug beachtet, um zu wissen, wie sehr ich mich selbst in Frank-
reich unter der Bewachung meiner zuverlässigsten und ältesten Sol-
daten gehalten habe. ... Lassen Sie Ihre Kammerdiener, Ihre
Köche, die Garden, die in Ihrem Gemache übernachten, und Die-
jenigen, durch die Sie sich Nachts Wecken lassen, um Depeschen in
Empfang zu nehmen, Franzosen sein. Des Nachts muß nie ein An-
derer in Ihr Zimmer kommen, als Ihr Adjutant, und dieser muß
in dem Vorgemache zu Ihrem Schlafzimmer schlafen. Ihre Thür
muß von Innen geschlossen sein, und Sie müssen dieselbe selbst Ih-
rem Adjutanten erst dann öffnen, wenn Sie ihn an seiner Stimme
erkannt haben; er darf seinerseits nicht eher bei Ihnen anklopfen,
als bis er die Thür des Gemachs verschlossen hat, in welchem er sich
aufhält, damit er sicher ist, daß er allein zngegen ist und ihm Nie-
mand folgen kann. Diese Vorsichtsmaßregeln sind wichtig; sie geniren
nicht, und ihr Resultat ist, daß sie Vertrauen, Unabhängigkeit ein-
 
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