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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Becker, Aug.: Des Schulzen Fritz (Schluß)
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Das schwarze Kreuz
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0027

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mußte, um in die Kirche zu kommen an dem Häuslein
vorbei, wo der Fritz seine Knabcnjahre zubrachte, — sie
war ja so oft dorthin gekommen, um im Gärtlein des
alten Jergmichcl mit dem lieben, wilden Fritz zu spielen.
Aus jedem Hause siel ein Schuß dem Brautpaar zu
Ehren, und da wo das eigentliche Dors 'aufhört und der
Kirchberg ansängt, wurden beide Paare durch die jungen
Mädchen des Dorfes gefangen. —
Die Kathel warf einen scheuen, ängstlichen Blick nach
dem bekannten Häuschen-Jesus Gott! Dort stand
auf der Staffel — des Schulzen Fritz, wild herüber
starrend. Sie bebte an allen Gliedern, — sie glaubte
in die Erde versinken zu müssen. Noch ein Blick, —
Fritz war wieder verschwunden, — doch kaum trugen sie
ihre Beine bis zu dem Häuschen hin. Ein starker Schuß,
der ihr ganzes Sein erschütterte, fiel auch hier, — sie
wußte nicht wie sie in die Kirche gekommen und was
allda geschehen. — Der Trauungsakt war vollendet und
der Zug bewegte sich wieder heimwärts. Wieder war
man am Häuschen des alten Jergmichcl angclangt, —
es hat sich dort eine unruhig fragende Gruppe versam-
melt. Zwei Männer drängen sich jetzt durch und tragen
eine blutige Leiche in's Haus, — hintennach wankt der
krumme Peter und flennt wie ein Kind.
Des Bürgermeisters Kathel, die schone junge Frau,
mußte heimgetragen werden.
Schon mehrere Zahre sind seitdem dahingegangen.
Der alte Jergmichel und seine Schwester ruhen jetzt
auch auf dem Friedhöfe von ihrem Kummer aus; in dem
kleinen Häuschen auf dem Kirchberge wohnt der krumme
Peter ein traurig, einsames Leben und flucht manchmal
gotteslästerlich, daß er ein gar so zähes Leben habe.
Des Bürgermeisters Kathel aber ist ein schwächliches,
kränkliches Weib geworden, ohne jede Freude einer jungen
Frau, — denn Kinder sind ihr versagt. Ihr Mann ist

ein roher Mensch, der seine sieche Frau hart behandelt
und sein Herz ganz und gar von ihr abgcwendct hat.
Ueberhaupt machen die beiden Ehen der Frau Bürger-
meisterin vielen, großen Kummer; sie ist nicht halb so
rüstig mehr, als vor wenigen Jahren noch. Da denkt
sie doch manchmal an das, was sie an dem armen Fritz
verschuldet. Sie hat keine Hoffnung auf Enkel, die das
schöne Vermögen erben sollen, und der Besitz des Hau-
ses, welches dem alten Schulz vor Zeiten gehörte, macht
ihr gar keine Freude mehr, da es ja auf fremde Leute
kommen wird.-- —
Vor wenigen Jahren war der Erzähler in dem Dorfe,
und erfuhr Abends das, was er hier aufgezeichnet hat.
Man begrub eben jenen Knecht, der bei des Bürger-
meisters Michel diente, und damals die Gendarmen ge-
holt hatte. Ein Schlag eines Pferdes, welchen er auf
den Hochzeitstag seines Herrn bekommen, legte ihn für
viele Jahre auf das Krankenlager, bis er nun endlich
starb. Vor seinem Tode hatte er noch das Geständniß
abgelegt, daß er die Frucht in des Bürgermeisters Haus
gestohlen, und der Schulzenfritz gänzlich unschuldig sei,
durch ihn kam der wahre Sachverhalt heraus. Eine
Menge Menschen gingen mit der Leiche, aber es galt
nicht ihm. — In einer Ecke des Friedhofs war ein ein-
sames, versunkenes Grab, — das wurde jetzt eröffnet
und die verblichenen Gebeine in ein anderes mitten im
Todcsgarten gelegt neben die Schulzensusel und den alten
Jergmichcl. — So suchte man an den irdischen Ucbcr-
reften des armen Fritz gut zu machen, was man an ihm
bei seinem Leben verschuldet.
Als ich mit einigen Leuten in's Dorf zurückkehrtc, sah
ich ein junges, aber ganz abgehärmtes Weib am Fenster
des Hauses sitzen, das man jezt noch „'s Schulzen Haus"
nennt. Ich sprach mein Mitleid aus, aber meine Be-
gleiter meinten: „Ja, 's geht der Kathel schlecht! Aber
sie hat's verschuldet an'ö Schulzen Fritz!"-

Das schwarze Kreuz.
Erz ä h lu ng aus S ü d f r a n k r e i ch.

Leser, wand're mit mir auf der alten „AureliaNi-
schen Straße", die Du vielleicht aus der alten Ge-
schichte kennst. Sie zog sich im Süden Frankreichs, am
Gestade des mittelländischen Meeres hin bis Frejus,
Priez, und drüber hinaus, gegen die Alpen hin.
Früjus, das alte k'orum .lulii ist heutzutage zu

einem elenden verlassenen Flecken zusammengeschrumpft,
und liegt nicht mehr unmittelbar am Meer, das sich von
der heruntergekommenen Stadt zurückgezogen zu haben
scheint. Die ganze Umgebung ist ernst und düster. Eine
römische Wasserleitung, jämmerlich zerstört, ein Circus
voller Trümmer und Löcher — überall schöne Ruinen,
 
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