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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Liebstein, Hynko: 's Butterbäbele
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's Butterbäbele

Bon
Hynko Liebstem.

In der Mitte Schwabens, in einer der größeren weinreichen !
Thäler liegt ein stilles Dorf, bewohnt von einem rührigen Men-
schenschläge. Zufrieden mit dem, was ste haben, kennen hier
die Leute nicht mehr als ihre Arbeit und die einfachen Genüsse,
die ihnen die Natur darbietet oder die ste sich selbst bereiten. Früh,
mit der Sonne, geht es an das Geschäft, unv wenn auch mancher
Tropfen Schweiß rinnt, er wird wenig beachtet, und das ledige
Volk findet dabei noch Muth unv Zeit zu manch luftigem Schwank
und kernigem Witz. — Abends versammelt sich dann Alles vor
dem Haus, um hier die Tagesneuigkeiten zu verhandeln, die Ge-
schäftsordnung auf Morgen festzusetzen, oder auch — etwas ab-
seits — sich Liebe und Herzweh zu klagen. An Feiertagen schweift,
die ledige Welt hinaus in's Felv, um sich zu erholen von den
Strapatzen der Arbeit. Dabei wird dann ordentlich gescherzt, ge-
neckt, geschäckert, gelacht, gesungen und geküßt.
Das wäre so in Kurzem das Treiben unseres Völkleins.
Außerordentliche Gelegenheiten erleiden natürlich Ausnahme, und
an Kirchweihen und Hochzeiten thun die Burschen flott und die
Alten dick.
So treiben es also die meisten Leute in dem engen Thals;
die meisten, — denn es finden sich auch welche, die nicht hieher
gehören, und die so eigentlich eingedrängt und eingezwängt wer-
den mußten. Es sind das die Gewaltigen des Reichs: der Herr
Pfarrer mit der weißen Halsbinde, der Herr Schultheiß mit der
Amtsniiene und den blitzenden Pascha-Augen; sodann der unter-
thänige Schulmeister, am Ende, als Kometenschweif, im Stutzer-
rock, mit philosophischer Stirne, die Brille kühn auf die Nase ge-
drückt das Provisorlein, und als Schweif des Schweifes folgt der
ohrenbefederte Büttel.
Auch andere Personen der Oeffentlichkeit, als da sind: Wirthe,
Krämer und Handelsleute fehlen nicht.
Unter dieser Kaste fällt namentlich eine Person durch ihr leut-
seliges Wesen und ihr eigenthümliches Thun und Walten auf.
Es ist ein kleines, altes Weiblein, dessen Gesicht wohl die
Runzeln der Jahre zeigt, gleichwohl aber glänzt und glitzt wie das
einer reinen Jungfer. Einen großen Henkelkorb am Arm, wandert
sie das Dorf auf und ab, hat für Jedes ein freundliches »Grüß
Gott", und auf einen schönen Dank ein noch freundlicheres „wo-
her und wohin". Neben ihr aber schreitet eine junge, schlanke,
blondhaarige Dirne mit knappem Mieder, kurzem Röckchen, wei-
ßen Strümpfen und so frischen, rosigen Wänglein, daß die Resi-
denzdamen zierlich die Näschen rümpfen würden ob der plumpen
Schönheit.
Es ist dieß »'s Butterbäbele" und ihr liebes Töchterlein
»'s Rösle"; und wenn sie die Gänge durch's Ort machen, so ge-
schieht dieß, um Butter einzusammeln und ihn dann in der näch-
sten Stadt abzusetzen.
Im ganzen Dorfe ift's Bäbele gern gesehen, und den Leuten

fehlt etwas, wenn sie einmal nicht kommt; denn sie ist freundlich,
gefällig und zuvorkommend, weiß für Alles ein Sprüchlein oder
guten Rath, und schon oft hat sie diesen mit der That gegeben.
Nicht weniger gefällt Rösle >— und wer könnte solch holdem
Kinde auch gram sein? —> zwar weniger durch ihre Zunge, denn
sie ist verzweifelt karg mit ihren Worten, um so mehr sprechen
die rosigen Wangen und die reizende Gestalt.
Auch im Haus, das sie durch ihren Fleiß eigen nennt, bleibt
Bäbele sich gleich. Im freundlichen reinlichen „Stüble" an dem
Rädchen, oder bei der Postille sitzend, oder mit Stricken beschäf-
tigt, zeigt sie stets das leutselige Gesicht, und vermag es auch hier
nicht, wenn sie nicht betet, ihrem Zungenbändlein Ruhe zu gebie-
ten, sondern unterhält 'sRösle fort und fort auf das Angenehmste.
Oft thut auch dieses den rosigen Mund auf, weniger aber um
zu sprechen, umsomehr jedoch um zu singen; denn es weiß, die
liebe Mutter hört es gern, und was würde sie nicht alles thun,
dieser guten Mutter zu gefallen! Da singt denn das liebliche Kind
alte, rührende Lieder, die es von der Mutter gelernt hat, sucht
auch etwas aus der Schul-Erinnerung hervor, oder versucht sich
in neuen Arien, die es vom Herrn Provisor hat, der — so neben-
bei gesagt — trotz Philosophie und Brille das schöne Rösle mit
ganz natürlichen Augen besieht lind eifrigst bemüht scheint, seinen
ästhetischen Sinn an dessen runden Wangeil zu bilden.
Es ist namentlich ein Lied, das dem Bäbele besonders lieb zu
sein scheint, und selten vergeht ein Tag, an dem nicht Rösle
mit ihrer Hellen, ansprechenden Stimme das rührende Volkslied
singen müßte; es heißt:
So leb denn wohl, du stilles Haus,
Wir zieh'n betrübt voll vir hinaus;
Wir zieh'n betrübt und traurig fort,
Noch unbestimmt an welchen Ort.
So leb denn wohl, du schönes Land,
In dem ich hohe Freude fand;
Du zogst mich groß, du pflegtest mein,
Und nimmermehr vergess' ich dein.
Auch du leb wohl, du Traute, mein,
Und wenn die Sonne nicht mehr scheint,
So denk' ich oft an dich zurück,
Denn du warst stets mein größtes Glück.
Und kehr' ich einst zurück zu dir,
So wahre deine Liebe mir;
Denn deine Liebe macht mich reich,
Sonst gilt mir 'Alles, 'Alles gleich.
Das Lied wirkt eigenthümlich auf die Alte; sie scheint sich
daran zu ergötzen, und doch ist sie nicht mehr die Vorige. Ihre
muntere Freude ist in ein freudig-wehmüthiges Gefühl überge-
gangen, und nicht selten stiehlt sich eine Thräne aus den Hellen
Augen.
 
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