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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Rudolf, K.: Vier Wochen in einem römischen Dorfe
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Dräxler, Manfred: Die Plaisir - Fräulein
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0179

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Wir waren, als mein Freund sein Herzensgeschichtchen Lis hie-
her erzählt hatte, wieder vor dem Gasthofe, in dem er wohnte, ange-
kommen, schon zum dritten Male. Er wollte nun endlich ein-
treten. Es ist spat, ich habe Dich allzu lange mit diesem unbe-
deutenden Histörchen aufgehalten, meinte er. Ich hielt ihn aber
zurück und Lat ihn, mir wenigstens noch mitzutheilen, ob sein
Landaufenthalt ihn von seiner künstlerischen Hypochondrie ge-
heilt habe.
Er zog dann seinen Fuß von der Staffel des Gasthofes wieder
zurück, und indem wir noch einmal in den Lindengang vor dem
Hause einbogen, fuhr er fort: Nun, mit dem Malerhandwerke
war es bei mir von nun an aus. Ich hatte auf meinem Dorfe, wo
ich nichts von Kunstwerken sah noch hörte, nicht die geringste
Mühe gehabt, einem etwaigen Drange zum Zeichnen und Malen
zu wehren. Ich nahm dieß für ein Zeichen, daß ich keinen eigent-
lichen Beruf dazu habe. Dagegen hatte ich eine große Liebe zur
Landwirthschaft gewonnen. An der Seite einer lieben Frau ein
ländliches Gut zu verwalten, das dünkte mir von nun an das
schönste, das mir wünschenswertheste Leben. In Justine hatte
ich das weibliche Wesen zum ersten Male nach seiner ganzen Lie-
benswürdigkeit kennen gelernt. Ich schied von ihr nicht im
Schmerze einer Leidenschaft, der das Einzige, das ihm das Leben
verschönt, verloren zu haben glaubt, sondern mit einer tiefen
Sehnsucht und geheimen Hoffnung, das was ich hier verlassen
mußte, an anderer Stätte von Neuem zu finden und mir für das
ganze Leben aneignen zu können. Ich hatte noch nicht geliebt,
aber eine Ahnung wahrer Liebe war in mir erwacht. Ich kam

als ein anderer Mensch nach Rom zurück, mit jenem Frieden,
der sich nicht, wenn alle unsere Wünsche befriedigt find, sondern
dann einstellt, wenn eine zuversichtliche Hoffnung auf ein hohes
Lebensglück, das noch in unbestimmter Ferne vor uns liegt, das
Herz erfüllt. Ich war jetzt allen meinen Bekannten lieber und
werther, und es gelang mir, die Getrennten wieder zu vereinigen.
Der Winter verfloß in schöner Geselligkeit, die großen Kunst-
werke, die mir bisher so fremd gewesen waren, wurden mir,
sobald ich die Ansprüche, selbst ein Künstler zu sein, aufgegeben
hatte, befreundet und verständlich, und so verließ ich im Früh-
jahr Italien als ein glücklicher Mensch, begierig, wo es mir be-
schieden sei, das Leben, dessen Bild ich in mir trug, zu finden.
Und hier, in einem Theile des deutschen Vaterlandes, an den ich
zuletzt dachte, wenn ich meine Gedanken umherschweifen ließ, in
den ich mich eigentlich nur durch einen Zufall verirrte, hier ist mir
nun, freilich nach manchem Jahre vergeblichen Harrens und
Suchens, aber in um so schönerer und reicherer Erfüllung mein
Traum zum Leben geworden. Das Thal, das meine Wünsche um-
schließen soll, ist von mir gefunden. Ich werde morgen die Un-
terhandlungen abschließen, in denen ich wegen eines schönen
Gutes stehe, das nur einige Meilen von hier gelegen ist, denn
warum sollte ich mein Glück noch länger verschweigen — ich habe
mich heute, ehe wir in den Weinberg unseres Freundes gingen,
mit seiner ältesten Tochter verlobt, und Julie — setzte er mit
leiserer Stimme hinzu, indem er mir zum Weggehen gewendet
die Hand drückte, —> Julie sieht Justinen gleich wie eine Zwil-
lingsschwester der andern. Gute Nacht!


Die Plai sir- Fräulein.

Ein Brief aus der Stadt.

Es sind nun acht Tage, daß ich mich in der Residenz befinde,
liebes Weib, um unfern Prozeß hier endlich zum Schluffe zu
bringen. Wie Du weißt, mußte ich der Einladung unseres Vetters
folgen und bei ihm absteigen. Diese Art von Gastfreundlichkeit,
wiewohl für Geber und Empfänger gleich lästig, ist hier so stark
im Schwünge, daß die eigentlichen Gasthäuser meist leer stehen
bleiben und hat großenteils ihren eigenen Grund. Die Re-
sidenzbewohner sind vergnügungssüchtig, und wenn die Ausflüge
in der Umgegend erschöpft sind, denken sie wohl auch an ihre
Freunde auf Dem Lande, besuchen sie oder schicken denselben ihre
Töchter zum Landaufenthalt, der natürlich mit möglichst viel
Unterhaltung gewürzt sein muß; und daß sie daher Unsereinen
bei sich beherbergen, wenn er in Geschäften für ein paar Tage zur
Stadt kommt, ist nichts Anderes, als die Wurst nach der Speck-
seite geworfen.
Mein dießmaliges Verweilen bei dem Vetter hat inzwischen
sein Gutes; mein Fußübel plagte mich mehrere Tage und ich war
dabei doch nicht auf die Langeweile des Gasthofes angewiesen,
was aber das weit Bessere ist: ich erhalte hier einen sehr ersprieß-
lichen, praktischen Unterricht. Du wirst wohl neugierig sein, zu

erfahren, worin dieser besteht, und ich muß Dir daher eine Art
kleinen Tagebuches mittheilen. Vergiß dabei nicht, daß wir die
Familie unseres Vetters seit acht Jahren nicht gesehen haben und
daß aus den zwei neun- und zehnjährigen Kindern jetzt sieben-
zehn- und achtzehnjährige Fräuleins geworden sind, dieeinemVa-
ter gar Manches zu rathen aufgeben.
Es war also Samstag gegen Mittag, als ich hier eintraf, und
obwohl man von meiner Ankunft wußte, brachte sie doch einige
Verlegenheit hervor. Der Vetter zwar bewillkommte mich sehr
freundlich, aber er ist nur eine Nebenperson; die Base entschul-
digte sich mit Hausgeschäften und steckte mit einer Büglerin in
Wolken von Mousselin de laine, Chaconnet und Shirting, welche
als Kleider, Chemisetten und Röcke an allen Nägeln und über
alle Stühle hingen. Die beiden Töchter flogen ab und zu, be-
gleiteten mich auf die Gaststube, erkundigten sich, ob das Casino
bei uns daheim im Sommer fleißig besucht, ob da viel getanzt
werde und ob häufige Partien nach der nahen Garnisonsstadt
stattftnden. Wir aßen rasch zu Mittag. Nach Tische blieb ich
mit dem Vetter allein, die Damen waren zu Besuch gegangen,
woran sich gegen Abend eine Promenade im Schloßgarten an-
 
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