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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Sprecher, Andr. von: Ein Szeklerknabe (Schluß)
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https://doi.org/10.11588/diglit.45119#0066

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uach Mediasch gekommen, Bems Heer zu verstärken, und
— Waffen zu erobern. Denn an Mannschaft fehlte es
gewiß nicht. An zehntausend Mann waren dort bereit,
wenn sie erst gcwaffnet wären, in's Feld zu ziehen.
Bem läßt einen Offizier der Szeklerhusaren zu sich
rufen. „Mei.nc Couriere, die ich nach Elausenburg ge-
sandt, sind wahrscheinlich verunglückt. Es ist von höch-
ster Wichtigkeit, daß man in der Hauptstadt und in
Debreczin erfahre, wie die Sachen stehen. Sie nehmen
daher fünfundzwanzig Mann mit sich, und tragen diese
Depeschen zu Csäuyi. Sie kennen den Weg?"
„Oft hab' ich ihn gemacht." „Fallen Sie, so beauf-
tragen Sie den Nächsten im Kommando. So, glückliche
Reise!"
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He
Szärosväm ist ein Wirthshaus in einsamer, öder
Gegend. Ein Hohlweg zwischen Teich und Berg führt
dahin. Im Wirthshause, hinter dem Berge und jenseits
des Hohlweges lauerten wnlachische Landstürmer, mehrere
Hunderte stark, zum Theil mit Gewehren bewaffnet. Am
Wege liegen Uniformfetzcn, Tschako's, todte Pferde. Im
Teiche aber die Leichname der Couriere sammt ihrer Be-
gleitung.
In der Morgenfrühe hört der wachestehende Land-
stürmer von fern den Klang von vielen Pferdehufcn.
Er macht Lärm, aus allen Winkeln kommen die Schlaf-
trunkenen herbei, einige verstecken sich im Wirthshause,
andere besetzen den Hohlweg, ein Theil marschirt voran,
um an einer entfernten Stelle die nichts Ahnenden, wenn
es feindliche Reiter sind, zu überfallen. Da reiten Vor-
wachen herbei. Sorgfältig, die Pistole in der Linken,
den Säbel in der Rechten, nähern sie sich. Von der
Anhöhe herab erspäht des Einen scharfes Auge die todten
Rosse. Sie halten an. Nach einer Weile kommt der
ganze Zug. Die Wache rapportirt und zeigt auf die
Rosse. Aber das Wirthshaus ist so still, keine Seele zu
sehen. Abermals zieht die Vorwache behutsam voran.
Der feindliche Späher sieht sie vorüberziehen. Seltsam
dünkt es die Reiter, als sie Rabengekrächze aus dem
Graben her vernehmen. Einer will sich selbst überzeu-
gen, da sicht er einen Mann verborgen. Jetzt weiß er,
daß es schon zu spät sein würde, zu warnen, er feuert
die Pistole auf den Wächter ab. Aber grade jetzt war
der Zug die Anhöhe bereits herabgesttcgen, und in dem-
selben Augenblicke brachen Schüsse aus dem Hause, der
Scheuer, hinter dem Hügel hervor; von allen Seiten
stürmten die Laurer auf das Häuflein los. Doch wagt
sich keine der Banden in nächste Nähe heran. Der Offi-
zier sammelt seine Leute. „Hier ist es," ruft er, „hier,
wo unsere Kameraden ermordet wurden. Rächet sie,
Husaren!" — Im Keile geschlossen braust der Trupp
dem Hohlwege zu. Eine Kugel trifft den Befehlshaber.

Sinkend wirft er Gyula die Depeschen zu. „Kender,
Wachtmeister, Du reitest das schnellste Pferd, fliege voran,
brich Bahn, und bring das dem Csanyi in Elausenburg."
„Mir nach, Husaren," ruft Gyula, und von dem Hohl-
wege herab stürzte er sich in den Teich, ihm nach die
Reiter. Wohl erreicht noch Manchen die Kugel, Mancher
ist schon gefallen, nicht die Hälfte schwimmt an's jen-
seitige Ufer. Den Wachtmeister aber und sein Pferd hält
eine höhere Hand unverletzt. So auch als die Reiter
in gestrecktem Laufe durch den weiter vorgeschobenen
Posten der Landstürmer, Alles niedertretend, hindurch-
stürmen. Bald gelangten sie in bewohntere Gegenden,
und erreichen Abends die Hauptstadt. Von tausend
Lichtern erglänzen die Häuser; Freude und Hoffnung
war in den Einwohnern an die Stelle tiefer Entmuti-
gung, ja Verzweiflung getreten.
Es war am 31. Juli 1849. Eine heiße Schlacht
hatte Bem gefochten mit seinen dreitausend sechshundert
Mann, denen vierundzwanzigtausend Russen und Oester-
reicher gegenübcrstanden. Den ganzen Tag hatte das
Kriegsglück geschwankt; erst Abends, als Mannschaft und
Rosse der Ungarn von langen Märschen und dem Streite
des Tages müde, einem Angriffe der frisch herbeigeeilten
Lanzcnreitcr nicht mehr zu widerstehen vermochten, wichen
die Tapfern, zuerst langsam und immer wieder sich sam-
melnd, dann endlich in wilder Flucht. Von Schäßburg
flohen sie Vüsürhely zu.
Nacht lagerte auf dem Schlachtfelde; zerstreut sah
man hie und da einen umgestürzten Wagen, dort eine
zerschmetterte Laffcttc, unter ihr die Leichname der Artil-
leristen; überall Mord und Zerstörung. In der nahen
Stadt brannten Freudenlichter, vor den Thoren lagerten
Truppen des Feindes beim Bivouacfeuer. Drei Reiter,
Husaren, ritten über den unebenen Boden, den heute das
Blut von Tausenden gedüngt. Oft strauchelten die Rosse
über die Leichname, und es war, als ob ihr Instinkt
vor der Verletzung auch der Todten zurückbebte, so sorg-
sam hoben sie die Füße, so behutsam betasteten sie den
Grund an den Stellen, wo die Schlacht am heftigsten
gewüthet, die meisten Opfer gefordert hatte.
Was suchen die Reiter zu so später Stunde in der
unheimlichen Umgebung, was treibt sic bis in die Nähe
des Feindes sich heranzuwagen? Etwa die Todten gegen
die Plünderer zu schützen, die ungeschreckt von den Ver-
wünschungen, Seufzern und Gebeten der Sterbenden,
ihr schändliches Handwerk an Freund wie an Feind übend,
über Feld schleichen? Der General, der angebetcte „Vater
der Armen" ist es, den die Reiter suchen. Am Abend
hatte das Gerücht sich verbreitet, der Feldherr sei ge-
fangen oder gefallen. Zuletzt hatte einer der Drei, ein
Offizier, den wir kennen — Gyula — noch gesehen, wie
 
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