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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Rosenheyn, Max: Ein deutscher Fürst in Portugal (Schluß)
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52

Seit langer Zeit war der König Joseph nicht so frohgelaunt
gewesen, als an diesem festlichen Tage. Als er die Barke be-
stiegen hatte, unterhielt er sich huldvoll und freundlich mit dem
Fürsten Feldmarschall und dem Marquis von Pombal, von wel-
chem Letzteren er sich ausführlichen Bericht über die Fortschritte
der unternommenen Bauten erstatten ließ. In einer bedeutenden
Entfernung vom Ufer nahm der Monarch mitten auf dem Ver-
deck seinen Standpunkt, um nach der Schreckenszeit einmal wie-
der den Gesammteindruck in seiner ganzen Starke zu fühlen, den
der Anblick seiner geliebten Residenz auf sein Gemüth immer ge-
übt hatte. So versunken in dem Anschauen der Naturschönheiten,
die jene herrlich gelegene Stadt vor so vielen anderen auszeichnen,
hatte er einige Minuten gestanden, um im Stillen des Himmels
Segen auf die Heimgesuchte herabzuflehen, als Pedro, der sich
unter die Ruderer gemischt hatte, unvermerkt seinen Sitz verließ,
das Verdeck betrat und, einen versiegelten Brief in der Hand, dem
Herrscher nahte.
»Hast Du ein Anliegen an Uns, mein Sohn?" fragte der
König herablassend.
Pedro verbeugte sich tief und schwieg.
»So tritt denn näher, Dein Gesuch Uns zu überreichen!
Dieß geschah. Doch hatte der König das in Briefform zn-
sammengelegte, unbeschriebene Blatt Papier noch nicht entsiegelt,
als der Bösewicht ihn wüthend anfiel, jählings niederwarf und
zum Bord des Fahrzeugs hinzerrte, um sich mit ihm in die Flu-
then des Stromes zu stürzen.
Das Entsetzen über den Anblick der grausen Frevelthat lähmte
den Anwesenden die Glieder. Selbst der Feldmarschall hatte im
ersten Augenblick seine gewohnte Geistesgegenwart verloren und
blieb wie verzaubert, auf die sich seltsam regende Gruppe hinstar-
rend, auf seinem Sitze. Und so gelang es dem wahnwitzigen Ma-
jestätsverbrecher mit seinen: Opfer sich über Bord zu schwingen;
dem Könige aber gab die Todesangst Energie genug, sich an den
Bord des Fahrzeuges dergestalt zu klammern, daß er, schwebend
zwischend Himmel und Wasser, sich und seine Bürde zu halten ver-
mochte. Jetzt griff der Missethäter in seinen Busen, zog einen
Dolch hervor und war schon im Begriff, dem Könige den
Todesstoß zu versetzen, als in demselben Augenblicke sein Arm
von dem ungleich stärkeren des inzwischen herbeigesprungenen
Fürsten erfaßt, wie ein dürrer Ast am Baume im Nu zerbrochen
und die Mordwaffe, bevor sie noch der gelähmten Hand entfiel,
in Beschlag genommen ward.
»Schurke, laß los!" rief der Fürst, ihn bei dem linken Arm
erfassend, »laß los, willst Du nicht um beide Arme kommen!"
»Ich thue es nicht!" brüllte der Verbrecher, noch mit den

! Zähnen in den Rock des Königs beißend und gab sich mit der
letzten Kraftanstrengung einen verzweifelten Ruck. Da brach der
Fürst auch den andern Arm des Frevlers, schleuderte den Böse-
wicht selbst in die Fluthen hinab und rief, während er den König
heraufhob, seinem Diener zu: „Auf, Heinrich, fische das Unge-
heuer dort heraus! daß wir es erfahren, welcher Teufel es lechzen
machte nach dem Blute des Königs!"
Der geschickte Schwimmer gehorchte auf der Stelle dem Be-
fehle und es gelang ihm unter dem Beistände eines Kameraden,
den armen Sünder, als ihn der Strom eben zum dritten Mal
ausspie, bei den Haaren zu fassen und an den Bord eines Fahr-
zeugs zu schaffen.
Als der König sich von dem ausgestandenen Schreck erholt
hatte, befahl er, nach Anhörung eines umständlichen Berichtes
über die das Attentat begleitenden Umstünde, den Verbrecher
ärztlicher Behandlung zu unterwerfen. Diesem ward nach seiner
erfolgten Wiederherstellung der Criminal-Prozeß gemacht, wobei
er anfänglich, ein hartnäckiges Stillschweigen beobachtend, sich
äußerst verstockt bewies. Allein die bestandenen heilsamen Leiden,
die geschwundene Hoffnung, je eine Märtyrerpalme zu erringen
und der wohlthätige Einfluß, den der Umgang mit verständigen
Menschen auf sein Gemüth übte, gaben ihm mit der Zeit die
nüchterne Besonnenheit wieder und machten ihn endlich so zer-
knirscht, daß er, auch ohne Anwendung der Tortur, alle seine
Mitschuldigen angab.
So errrang der Minister einen völligen Sieg über seine Tod-
feinde. Er selbst und ein Mitglied des höchsten Gerichtshofes führ-
ten die Unterfuchung. In der Nacht vom 12. December 1758
ließ er die Verschworenen verhaften und am 13. Januar folgen-
den Jahres ward vor dem Schlosse zu Belem ein gräßliches Blut-
urtheil vollzogen. Die Herzöge von Aveiro nnd der Marquis von
Tavora wurden als die Häupter der Verschwörung gerädert, die
Angehörigen derselben, so wie der vormalige Großinquisitor und
seine Räthe als Theilnehmer erdrosselt und Pedro als Haupt-
verbrecher nebst allen Hingerichteten verbrannt.
Den gefänglich eingezogenen Pater Malagrida klagte der Mi-
nister als den Urheber des Mordplanes beim Papste an, und als
er die Erlaubniß, den Verhafteten vor den weltlichen Richter zu
stellen, nicht sogleich erlangen konnte, ward der Verbrecher der
reorganisirten Inquisition überliefert. Dieser geistliche Gerichts-
hof vernrtheilte ihn auf den Grund der gegen ihn erwiesenen
Thatsachen, — daß er des Königs Tod prophezeit, strafbaren
Mißbrauch mit dem Weihwasser und dem heiligen Oel getrieben
—> als Ketzer zum Feuertode.
Mar Rosenhehn.
 
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