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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 3.1854

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Die Mutter der Hohenstaufen und der Babenberger
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Nachdem Friedrich siebzehn Jahre lang unaufhörlich um den
Grundstein der Macht seines Hauses gekämpft, nachdem er neun
Jahre lang rnhig auf demselben gesessen, fand er im Jahr 1105
die ewige Ruhe im Kreuzgange des Klosters Lorch, das er ge-
stiftet.
Mit Friedrich verlor der Kaiser seine kräftigste Stütze. Der
Muth entsank ihm, und wegen seiner Händel mit Gregor VII. schon
längst mit dem Kirchenbanne belegt, ließ er zu Mainz am Hoch-
altäre unter der Messe öffentlich ausrufen, er gedenke der Herr-
schaft Zügel in die Hand seines Sohnes Heinrich zu legen und eine
große Heerfahrt nach Jerusalem anzurichten. Deß freute sich Nie-
mand mehr als der jun g e H e inr i ch und der MarkgrafLeo-
pold von Oesterreich, der Eine, weil er sich endlich an dem
Ziele sah, nach welchem er schon so lange gestrebt hatte; der An-
dere, weil er den Zug in das heilige Land mitzumachen und sich
die Krone des Himmels zu verdienen gewillt war. Der junge
Heinrich war voll Ungeduld und nahm, um sich einstweilen wenig-
stens das Herzogthum Schwaben zu sichern, Friedrichs neununv-
zwanzigjährige Wittwe, seine Schwester, mit ihren beiden Kin-
dern zu sich; der Markgraf Leopold warvoll Begeisterung und ließ
sich durch den Passauer Bischof vor der Kirche von Molk mildem
geweihten Schwerte umgürten; der Kaiser war voll Mißtrauen und
glaubte wenigstens vorher noch die Sachsen bekämpfen zu müssen,
die auf's Neue wider ihn aufgestanden waren. Er zog mit seinem
Sohne wider sie zu Feld. Siehe, da erklärte dieser Sohn: „ein
Mensch, auf welchem der Fluch der Kirche ruhe, habe weder Kin-
der, noch Freunde." Er verließ den Vater und kehrte sich gegen
ihn. Nur von dem kleinen Flüßchen Regen getrennt, standen sich
des Vaters und des Sohnes Banner im offenen Felde feindlich
gegenüber. Der alte Heinrich, der so oft mit seinem guten
Schwerte das falsche Glück der Schlacht in den vordesten Reihen
versucht hatte, besaß einen Hellen und schnellen Blick, einen freien
Geist und die Kraft jenes Riesen der alten Fabel, der auf die
mütterliche Erde geworfen sich immer wieder stärker emporraffte.
Zudem hatte er eine nicht unbedeutende Streitmacht. Den Kern
derselben bildeten die Oesterreicher unter dein Markgrafen Leo-
pold, und die Böhmen und Mähren unter ihrem Fürsten Bor-
ziwoy, dem Gemahl der Schwester Leopold's, der stillen H ed-
w ig. Der junge Heinrich aber war unruhig; ihn verwirrte das
Bewußtsein der Schuld; allein dieses Bewußtsein vermochte nichts
über den Starrsinn seines Ehrgeizes. Er beharrte auf seiner Em-
pörung. Unter dem scheinheiligen Vorwande, der unnatürlichen
blutigen Entscheidung auf gütlichem Wege zuvorzukommen, lud
er den Markgrafen und dessen Schwager zu einer geheimen Unter-
redung ein. Ersparte weder Schmeicheleien, noch Versprechungen,
noch Drohungen, um seinen kaiserlichen Vater an Einem Tage
ohne Schwertstreich, durch Abfall, für immer zu vernichten.
Die Schönheit und Anmuth der Kaiserstochter, auf welcher
alle Ansprüche des salisch en Hauses zu ruhen schienen, wurde
von den Alpen Rhätiens bis an die Sümpfe derNiederlande, vom
Juragebirge bis an die Mark der Wenden im Gesänge gepriesen.
S ie verhieß der junge Heinrich dem Markgrafen Leopold, wenn
er den Kaiser verließe. Der Bannfluch der Kirche lind der Haß

der übrigen Fürsten thaten das Ihrige. Leopold vermochte der
Lockung nicht zu widerstehen. Seines Schwagers Borzivoy Ent-
schluß hing von seinem Beispiele ab. Umsonst versuchte der alte
Kaiser die so oft erprobte Macht seines lebendigen Wortes, um-
sonst sank er in dieser für immer entscheidenden Stunde vor dem
Markgrafen und dem Böhmerfürsten auf die Kniee und beschwur
sie, ihn nur jetzt, nur jetzt nicht zu verlassen. Sie zogen heim
mit ihren Schaaren. Dem Kaiser blieb nichts übrig, als schleunige
Flucht, wenn er nicht der Gefangene seines unnatürlichen Sohnes
werden wollte. Bald darauf brach ihm der Gram das Herz zu
Speyer. Der junge Heinrich hielt Wort und gab Leopolden seine
Gefangene, die schöne Agnes. Drei Monde vor dem Tode des
Kaisers, am 1. März 1106, vollzog Leopold das Beilager mit
Agnes zu Mölk mit wahrhaft königlicher Pracht. Sein Schwager,
der steyerische Markgraf Ottokar, der Bischof Ulrich von Passau,
und eine Unzahl Ritter und Lehensleute, vom Neckar bis zur
Sau, von der Enns bis zur Leitha, strömten in der stolzen Donau-
burg zum frohen Feste zusammen.
Noch acht Tage harrte Leopold bei den Schatten seiner Väter
in Mölk. Er hatte sich auf der äußersten Spitze des keltischen oder
comagenischen Gebirges, des heutigen Kahlenbergs, unmittelbar
an der Grenze der Magyaren, gegen die er die Ostmark zu decken
hatte, dicht an der Donau, die schon in den Tagen der Römer
Noricum und Pannonien trennte, einen andern Wohnsitz auser-
sehen und eine Burg daselbst erbaut mit starken Thürmen, hohen
Mauern, luftigen Hallen und weithinschauenden Söllern. In
ihr, wie in dem später von Leopold erbauten Fürstenhofe zu Neu-
burg weilten und walteten hinfort die Babenberger. Noch
heute heißt der Berg, auf welchem die Veste stand, obgleich sie
schon längst zerstört ist, der Leopoldsberg.
An diese einsame, vom Gewühle der Welt abgeschiedene und
dem Himmel näher gelegene Stätte zog sich Leopold mit seiner
Neuvermählten zurück, zum bleibenden Gedächtniß eines Ehebun-
des, der ihm so theuer war, dem er so viel, dem er Alles, den
Frieden seiner Seele geopfert hatte. Sein ganzes Thun ist von
nun an Liebe und Reue. Sein ganzes Leben ist ein melancholisches,
religiöses Halbdunkel, in welchem er nur noch Handlungen der
Frömmigkeit und Mildthätigkeit übt, nur mit Widerstreben, nur
zur abgenöthigten Gegenwehr das Schwert entblößt, und die
Ehre dieser Welt, selbst die Kaiserkrone, ängstlich von sich weist.
Die fromme Agnes theilt diese Sühne mit voller Seele, und beide
beschlossen zur Vollendung derselben die Errichtung eines Gottes-
hauses, des Klosters Neuburg. Dort ruhen ihre irdischen
Neberreste in kühler Gruft vereinigt. Leopold starb am 15. No-
vember 1136. Seine Gemahlin folgte ihm 21 Jahre später, am
2st. September 1157, in einem Alter von 81 Jahren, Mutter von
22 Kindern und Ahnfrau der beiden heldenherrlichen Geschlechter
der Hohenstanfen und der Babenberger, wovon das letz-
tere in der Person Friedrich's des Streitbaren durch
einen Frangipani, getödtet bei Neustadt auf dem Schlachtfelde,
das erstere in der Person Conrad ins durch einen Frangi-
pani verrathen, zu Neapel auf dem Blutgerüste endete.
 
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