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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 5/6
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Constant Permeke
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0010

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PERMEKE

HAFEN VON OSTENDE

nächslen bei der Natur und bei den Menschen ge-
blieben ist und welcher am stärksten und am tief-
sten die Emotion wiedergibt. Wie heftig, voll-
blütig, warm die Humanität von einem Permeke:
Dieser leharfe Blick auf das Leben, dieses glühende
Gefühl, dieser begeisterte Sinn für die Tragödie
des Daseins! Seine Fäusle kneten wüst aber selig
die menschliche Materie, wühlen in dem schweren
Teig mit all der Frommheit und der Zartheit
ieines Gemütes eines lebenssatten, dennoch grü-
belnden Fläming, modellieren daraus das milde
Brot einer zitternden Menschenliebe voller Mit-
leid und Verstehen.
Mit Vorliebe malt Permeke Fischer, manchmal
Bauern, welche er beide von sehr nahe kennt, da
er sein ganzes Leben am See oder auf dem Lande,
in engem Umgang mit den einfältigen armen Men-
schen, welche ihn umgaben, zugebracht hat. Was
seine Form betrifft, hat er immer nach einem
strengen und massalen Aufbau gesfrebt. Das feste,
skulpturelle seiner menschlichen Gestasten, seiner
Schiffsrumpfe, seiner Häuser bietet etwas uner-
schütterliches, wie von einem Baum, wie von einem

Fels. Sie sind festgewurzelt in der Erde, sie wogen
mit dem Meer auf und nieder in einem Rythmus
von einer nicht zu überwindenden Fatalität. Dabei
spielt auch die Farbe eine wichtige Rolle, um die
Festigkeit seiner Werke zu erhöhen. Schwer und
laftig sind sie meistens in den dunklen Gammas
gehalten von einem stillen und düsteren Reichtum.
In der Reihe hervorragender Expressionislen,
welche die heutige belgische Malerei zählt, ist Per-
meke einer der allergrößten, und gleichzeitig mit
seinen Jugendfreunden Gustaaf de Smet und Frits
van den Berghe — diese beiden prächtigen, obwohl
von Permeke sich sehr unterscheidcnden Künsller
— ein durchaus germanischer Maler, und hat alles
Anrecht auf das Interesse des deutschen Publikums,
welches oft allzusehr angezogen wird von der fran-
zösischen Kunst. Für uns Flamen ist es ein großer
Schmerz gewesen, daß keiner dieser hochstehenden
Künstler vertreten war in dem übersichtlichen und
im allgemeinen gut orientierenden Buch E i n -
st e i n ,,Kunst des 20. Jahrhunderts“. Hier ist ein
schweres Unrecht gutzumachen.

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