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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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einer bloßen Unterlassuugssünde, sondern er scheint es
sich zur ganz speziellen Aufgabe gemacht zu haben, die
offenbarste Talentlosigkeit auf Kosten der wirklich befähig-
ten Künstler zu hegen und zu pflegen. Was könnte der
Kunstverein mit seinem Einflusse zur Veredelung des
Geschmackes beitragen — und was leistet er? Er kor-
rumpirt ihn noch mehr. Gehet hin und sehet die Kon-
kurrenz - Skizzen an, sehet die auf seine Bestellung aus-
geführten Bilder an, und wenu euch der Humor noch nicht
ganz vergangen ist, dann unterzieht auch eiumal jene
Gemälde, über welchen der kompromittirende Zettel prangt:
„Durch den Kunstverein angekauft", einer eingehenden
Würdigung. Man wird zur Erkenntuiß kommen, daß bei
diesen Ankäufen, Gott weiß es, welche Faktoren, ganz gewiß
aber nicht die Rücksicht auf die Kunst maßgebend gewesen
sind. Es ist die sehr ernste Pflicht derKunstkritik, ein Gebahren
aufzndecken, das in seinen Folgen nachtheilig auf unsere
Kunstentwickelung wirken muß, denn die Künstlerschaft selbst
ist bis auf deu allerdiugs sehr wirksamen passiven Wider-
stand der überwiegenden Mehrheit der Wiener Künstler,
die schon längst nicht mehr die Ausstellungen des Kunst-
vereines beschicken, in diesem Falle machtlos, weil jedem
ihrer Schritte leicht zweifelhafte Motive imputirt werdcn
könnten. Angenommen, aber nicht ohne Weiteres zuge-
geben, daß Protektionswirthschaft und Nepotismus keine
Stätte haben in der Direktionskanzlei des Kunstvereines,
so wird man dennoch finden, daß es bei den Ankäufen
uicht der rein künstlerische Gesichtspunkt ist, von dem mau
ausgeht. Der Kunstverein hat viele hundert Aktionäre,
diese haben Loose, und diese sollen womöglich alle ge-
winnen. Das Bestreben, den Mitgliedern eine Freude
zu bereiten, ist gewiß recht rührend; aber dieses Streben
darf nicht zu weit gehen, denn sonst wird sich der Kunst-
verein in die Lage versetzt sehen, Münchener Bilderbogen
anzukaufen, wenn er Jedem etwas bieten und dabei sein
Budget doch nicht überschreiten will. Die unbedeutend-
sten Sachen pflegen auch gewöhulich die billigsten zu sein.
Die Oktober-Ausstellung war es insbesondere, die uns
die nächste Veranlassung bot, die soeben berührten Miß-
stände aufzudecken. Aber abgesehen von den angekauften
und theilweise eigens dem Vereine auf seine Bestellung
gelieferten Machwerken bleibt uns noch ein Hühnchen zu
rupfen mit dem Kunstvereine. Was für frühere Monate
Schwind und Wiertz gewesen, das sollte für den Oktober
Martersteig sein, — die sogenannte „Zugkraft". Nun
ist er es freilich nicht, kann es nicht sein, aber was Natur
und Begabung des Künstlers nicht vermocht, der Kunst-
verein vollbringt es — er macht ihn zu einer Zugkraft
ersten Ranges! Er verschmäht keines der volltönenden
Jnstrumente der Reklame und entwickelt in der Kunst
marktschreierischer Anpreisung, deren Berechtigung ebenso
gering ist, wie die Geschicklichkeit groß, mit welcher
sie betrieben wird, eine Routine, einen moralischeu

Muth, um welche ihn unsere ersten Schwindelfirmen mit
Recht beneiden dürften. Martersteig hat alle Ursache, es
zu beklagen, daß ihm das Geschick nicht einen Freund
beschieden hat, der ihn von der unglückseligen Jdee, diesen
Körner-Chklus auszustelleu, abgebracht hätte. Der.Cyklus
bildet eine gar traurige Jllustration der deutscheu Größe,
die sich gerade jetzt wiever in so herrlicher Weise offen-
bart. Der Kunstverein sagt allerdings, diese Kartous
seien jetzt zeitgemäß; uns aber wolle der Himmel davor
guädig bewahren, daß solche Leistungen je zeitgemäß sein
könnten! — Ferner haben wir aus der Oktober-Ausstel-
lung, die übrigens ausnahmsweise bis Ende November
geöffnet bleibt, zu erwähuen Lindenschmitt's bekannte
deutsche Ruhmeshalle, und die bereits in der letzten
Nummer dieses Blattes von auderer Seite her bespro-
chenen Bilder aus der Piloty'schen Schule, die vor Kurzem
erst in München ausgestellt waren. Nicht unberührt
darf bleiben, daß die drei Hauptwerke, welche der Münche-
ner Ausstellung das wesentlichste Jnteresse verliehen:
Kurzbauer's „Abgewiesener Freier", Gvsis' „Hunde-
visitation" und Defregger's „Ringkampf" im Kunst-
vereiu fehlen. Was wir hier von H. Kaulbach, Seitz,
Rosenthal, Aoung und Kraus haben, sind fast durch-
gängig solide Leistungen, aber meist ohne eigenen Geist,
so daß sie mehr dem Meister Piloty als seineu Schülern
zur Ehre gereichen. Sie bilden gleichsam von Anderen
verfaßte Anerkenuungsschreiben über die außerordentliche
Wirkung des allen Jndividualitäten zu Gute kommenden
Piloty'schen Systems.

Die Antagonistin des Kunstvereins, die Wiener
Künstler-Genossenschaft, huldigt dem Principe der
Jahres-Ausstellungen, und wendet demgemäß ihre haupt-
sächlichste Sorge diesen zu. Jndefsen haben uns auch die
seit der letzten großen Ausstellung gleichsam als Lücken-
büßer gebotenen Expositionen einiges Anregende gebracht.
Dazu gehört in vorderster Reihe die im Monate Juni
ausgestellt gewesene Sammlung Hildebrandt'scher
Aquarelle, die der kunststnnige Amateur, Herr Richard
Göhde, dessen Eigenthum sie ist, der Genossenschaft auf
einige Wochen überlassen hatte. Was dieser Sammlung
ein ganz besonderes Jntereffe verlieh, war der Umstand,
daß dem Beschauer hier Gelegenheit geboten war, den
Meister in seiner ganzen künstlerischen Entwickelung be-
obachten, ihm in seinem Schaffen von seiner frühsten
Jugend bis zu seinen letzten Lebensjahren folgen und ihn
systematisch studiren zn können. Vvn seinem sechszehnten
Lebensjahre an bis zu dem Jahre seines Todes werden
nur sehr vereinzelte Jahre namhaft zu machen sein, die
nicht durch einen künstlerischen Markstein bezeichnet ge-
wesen wären. Auf diese Aquarelle folgte eine reiche
Sammlung Gauer mann'scher Studien und Skizzen
aus dem Besitze der k. k. Akademie. Jn sehr vielen Fällen
haben Studien und Skizzen einen höheren Reiz, als die
 
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