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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0070

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67

— Ueber die gleichfalls aus lauter Originalgemälden
bestchende Ausstellung des Jahres 1866 ist an dieser
Stelle zur Zeit ausführlich berichtet wordeu (Chronik,
Jahrg. 1867, S. 46). Es hatteu gemalt: Karl Koch uud
Hermann Scherenberg die Verkündigung bei den
Hirten, der Q. Bccker die Anbetung der Könige,
Herniann Eschke einehistorische Laudschaft mit der von
Ludwig Burger kompouirten und gemalteu Flucht uach
Aegypten als biblischer Stafsage, August von Heyden
Christus beiMaria und Martha, Gottlieb Biermanu
Christus nach derVersuchung, undHugo von Blomberg
„Konnnet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen
seid".

Da die Ausstellung vor zwei Jahren, Weihnachten

1868, wieder eiunial nnr Kopien alter Meister brachte,
so ist darüber seiner Zeit an dieser Stelle (Chrouik, Jahrg.

1869, S. 44 fs.) uur eine knrze Notiz gegeben. Die
Bilder waren: Mnrillo's Verkündigung Mariä,
Rubens' Anbetung derHirten, Fra Bartolommeo's
Darstellung im Tempel, Murillo's Maria und Elisa-
beth mit Jesus und Johannes und mit Gott Vater und
der Taube in der Höhe, Rubens' Auferweckung des
Lazarus, und Procaccini's Trausfiguration. — So
schlossen die Ausstellungen inuerhalb des ersteu Viertel-
jahrhunderts.

Das zweite hat jetzt uuter recht glücklichen Auspicien
begonnen. Emil Hallatz beginnt den Reigen vielleicht
mit dem Haupttreffer der diesjährigen Reihe, dem Zuge
der heiligen drei Könige. Man würde sehr unrccht thuu,
dieser Art von Bildern entlehnte, namentlich passend und
geschickt entlehnte Züge zum Vorwurf zu macheu oder sie
anch nur vorzurechnen. Die Gruppe ist schön gebaut,
der Ausdruck von erhabenem Ernst und feierlicherAndacht;
das Licht des Sternes übergießt das Ganze mit wirkungS-
vollcm Schimmer.

Es folgt Wilhelm Gentz mit Simon im Tempel.
Der Eindrnck scines Bildes muß widerstrebend sein,
denn die Elemeute siud zu disparater Natur. Der viel-
säulige Raum eines ägyptischen Tempels als Schauplatz
der Handlung ist doch wohl eine arge Gedankenlosigkeit,
das tiefrothe Gewand Simeons und das dunkelblaue
der (wie manchmal bei Murillo) schmächtigen und un-
reifen, knienden Maria sind dicke und undnrchsichtige
Farbenflecke, eine von rechtsher mit lebhafter, aber voll-
kommeu unverständlicher Gestikulation hastig der Gruppe
sich uähernde Figur ist ein fremdartiger Blutstropfen
in dem Organismns der Komposition.

Die darauf folgende Darstellung von Oskar
Wisnieski übertrifst aber allerdings das vorige Bild
noch bei weitem in der Sicherheit, mit der es in wachsen-
dem Maße das Gefühl der höchsten Unbehaglichkeit erweckt.
Es ist eine heilige Familie. Das Kind liegt sehr unglück-
lich, ganz nackt, mit einem steif, weit ab vom Körper dem

Beschaner entgegengestreckten Arm am Boden und macht
in aufdringlicher Weise den Eindruck eines CadaverS.
Der kleine Johannes, der ein Lamm an sich drückt, steht
! — offeubar viel zu klein — im Hintergrunde der Gruppe
als verlorenes Füllstück für die Lücke, welche Maria und
Joseph in der Mitte der Komposition zwischen sich lassen.
! Dieser steht rechts, einen Augeublick von der Arbeit rastend,
die Hand auf die Axt gestützt, und blickt das Kind an.
Von links her aber beugt sich die Mutter in einer Weise
über das Knäblein, die wahrscheinlich andächtige Vereh-
! rung ausdrücken soll, aber geradezu entweder komisch oder
ängstlich oder beides wirkt. Wie ein Winkelhaken steif und
hart in derMitte gebrocheu, ohne die nothwendigsteBreite
! in der Basis und Fülle in der unteren Partie der Gewan-
dung preßt sie Lngstlich die Arme platt an die Brust. Jhr
braunes Haar aber wallt über den fast horizontalen ge-
raden Rücken hin, so massig und ungcgliedert, daß es eher
wie ein Pelzkragen aussieht. Der Kopf ist nichtssagend
nnd dabei noch unschön, aus dem Groben gehauen. Wie
gesagt, ein Gefühl steigender Beklemmung ist die ästhetische
Wirkung dieses Kunstwerkes auf den unvorbereitelen und
unparteiischen Beschauer.

Danu aber wird eS wieder Tag — d. h. künstlerisch,
denn iu dem nächsten Bilde, derFlucht uach Aegypten von
Gustav Spangenberg, wird es vorerstNacht, wnnder-
volle Mondnacht. Maria mit dem Säugling auf einem
Esel, der alte Joseph mit eincm tüchtigen Neisestecken
wacker zu Fuß daneben, das ist eine nicht gerade sehr be-
deutende Komposition, aber malerisch, besonders auch durch
den schön behandelten und verwertheten Mondschein, von
anmuthigster, wahrhaft erfrculicher Wirkung.

Das folgende Bild erhält und befestigt in dieser
Stimmung: „Lasset die Kindlein zn mir kommen" von
Ernst Hildebrand. Sieht man davon ab, daß Christus
persönlich noch nicht mit den Kleinen in Verbindung ge-
bracht ist, sondern ihre vollständige Annähernng erst mit
offenen Armen erwartet, und daß er als Hauptfigur also
die Vorstellung erweckt, als HLtte er sich zu dem nun vor-
zunehmeuden Akte erst in Positur gesetzt (er sitzt übrigens
vortrefflich, ganz bequem und ungekllnstelt), so wüßte ich
nicht wohl an dem Bilde etwas auszusetzen, ja ich möchte
es demselben noch zu besonderem Ruhme anrechnen, daß
es einige mäßige und sich von selbst darbietende Nackt-
heiten (salvn vaiiin des Herrn von Mühler), so nament-
lich die von hinten her gesehene Schulter und den vollen
schön geformten Arm der vorn in derMitte knienden Frau,
in trefflichster Weise zur Mitwirkung bringt.

Den Beschluß macht in edelster Weise der Christus
am Oelberge von Karl Koch. Der aus der sehr discret
gehaltenen Glorie hervortretende (oder vielmehr schwe-
beude) Engel nnt dem Kelch erinnert an ähnliche Bil-
dungeu bei Murillo. Der knieeude Christns ist in gesunder
Aussassung von ergreifend tiefeni Ansdruck, die ganze
 
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