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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Hennicke, J.: Die Konkurrenz für das Batthyányi-Monument in Pest
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0077

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Acht gelassen werdcn. Daß jedoch die Basis der öffent-
lichen Konkursausschreibung willkürlich verändert, und
von klar ausgesprochenen Bedingungen ohne Weiteres
Abstand genommen worden, ist eine Rechtsverletzung,
gegen welche Künstler im Jnteresse der Konkurrenzen
überhaupt protestiren müssen.

Diese Berletzung des Konknrsverfahrens hat statt-
gefunden darin:

1) daß Entwürfe zur Beurtheilung zugelassen und
prämiirt worden sind, welche weder in Skulptnr-
noch in Architekturmodellen, sondern nur in Zeich-
nungen dargestellt waren;

2) daß bei der Preisvertheilung jede Rücksicht auf die
Summe, welche als äußerste Grenze für die Aus-
führung bezeichnet war, fallen gelassen worden;

3) daß die Jury aus fünf Mitgliedern statt nur aus
drei zusammengesetzt worden, und

4) daß das Verhältniß der inländischen zu den aus-
ländischen Sachverständigen der Zahl nach gänzlich
verändert worden ist.*)

Genehmigen Sie u. s. w.

Berlin, 29. Januar 1871. I. Hennicke."

Korresporrdenz.

München, Ende Janunr.

/l, Unser Kunstverein hat sich trotz jahrelanger Matt-
heit seiner Ausstellungen bis zur Stunde noch nicht ent-
schließen können, Nichtmitgliedern die Ausstellungsräume
zu öffnen, und so gehört denn das Bild eines auswärtigen
Künstlers darin zu den größten Seltenheiten. Sie können
sich also leicht denken, daß die Nachricht, Anselm Feuer-
bach habe sein „Urtheil desParis" und seinen „Abschied
der Medea" hiehergegeben, auf Künstler und Kunstfreunde
ungewöhnliche Wirkung äußerte.

Allerdings kamen nur Wenige ohne vorgefaßte Mei-
nung; denn wenn auch nicht alle Feuerbach's Arbeiten in der
Schack'schen Galerie kennen, so haben die Meisten doch vor
seinem „Gastmahl des Platon" gestanden und großentheils
ihre liebe Noth damit gehabt, sich ein selbständiges Urtheil
darüber zu bilden. Man war deßhalb auf diese beiden
neuesten Werke des Künstlers doppelt gespannt.

Niemand wird leugnen wollen, daß sich Feuerbach
in mehreren seiner Werke durch edle Einfachheit der Kom-
position, durch Schönheit und Harmonie der Linien aus-
gezeichnet hat und man durfte deßhalb auch jetzt wieder
etwas nach diesen Richtungen hin Bedeutendes von ihm er-
warten. Diese Erwartung ist jedoch nur durch seine Medea
in vollem Umfange erfüllt worden. Die Erscheinung dieser
Medea trägt in der That den Stempel dämonischer Lei-
denschaft, das Ganze ist eine Komposition von hohem Adel

Mitglieder waren: die HH. Dunaißky, Keleti, Pucher,
Schulz in Pest, und Prof. Radnitzky au« Wien.

und tiefer Empfindung. Aber die Handlung zerfällt streng
genommen in zwei nur locker verbundene Theile. So
innerlich bedeutend auch die linker Hand befindliche aus
Medea, ihren Kindern und ihrer Begleiterin bestehende
Gruppe ist, so macht sich ihr gegenüber gleichwohl die rechts
sichtbare Gruppe der das Fahrzeug in das Meer hinaus-
schiebenden Schiffer in einer Weise geltend, daß man sich
sagen muß, es sei hier von einer künstlerischen Unter-
ordnung keine Rede. Nicht blos räumlich stellt sich die letzt-
bezeichnete Gruppe als jener gleichberechtigt dar, sondern
es hat der Künstler diesen offenbaren Nebenfiguren auch
so viel inneres Leben zugemessen, daß sie auch geistig auf
gleiche Stufe mit Medea gestellt werden. Ferner wird in
der Medea immer noch etwas von jenem Modelle sichtbar,
dem wir in den hohen, ernsten Frauengestalten mit deu
etwas mageren Formen bei Feuerbach so oft begegnen: es
gelang ihm nicht ganz, sich zum Jdeale hindurchzuarbeiten.
Der Realist zeigt sich auch in den beiden Kiudern, namentlich
in dem größeren Knaben, den wir irgendwo an der Chiaja
von Neapel gesehen zu haben glauben. Das Register seiner
Formen ist überhaupt ein ziemlich beschränktes. — Wenden
wir uns zu dem „Parisurtheil", so tritt uns die Familien-
ähnlichkeit in den Zügen der drei Göttinnen mit der Medea
in einer unangenehmen Weise entgegen. Dieser Mangel
an Mannigfaltigkeit der Charaktere wirkt hier um so
störender, als die Berschiedenartigkeit der Letzteren durch
die Mythe genau und scharf vorgeschrieben war. Die
Venus zwar mag mit ihrem blonden Haar noch als solche
erkannt werden, rein unmöglich aber ist es, nach Besei-
tigung der bekannten Attribute Pallas und Juno zu unter-
scheiden. Was die dargestellte Scene betrifft, so hat sich
Feuerbach keineswegs an die allgemein bekannte einfache
Fabel gehalten. Paris hat offenbar seine Wahl schon ge-
troffen, hält aber deu goldenen Apfel noch in der Hand,
denn die Göttin der Schönheit findet über der Herstellung
ihrer Toilette nicht Zeit, den Preis des Schiedsrichters in
Empfang zu nehmen. Sie hat diesen Fall klüglich vor-
gesehen und sich deßhalb nnt Pomadebüchse und anderen
Toiletten-Utensilien ausgerüstet und gibt sich nun der Be-
schäftigung, Haar und Kleider wieder in Ordnung zu
bringen, mit einer Gemüthsruhehin, welcheden trojanischen
Königssohn einigermaßen zu langweilen scheint.

Zch habe bis jetzt des Kolorits noch nicht gedacht.
Feuerbach hat verschiedene Phascn des Kolorits durchge-
macht; es gab eine Zeit, in welcher er die Venetianer nach-
ahmte und in seinem „Gastmahl des Platon" machte er
den Eindruck, als ob er mit Tinte gemalt hätte. Jetzt ist
Braun sein Lieblingston, und von diesem Braun hat er
auch seinen drei Göttinnen so viel gespendet, daß kaum zu
begreifen ist, wie er sich des Zuviel nicht selbst bewußt
wurde. Jm Ganzen ist der Ton stumpf, erdig, trübe und
wird durch einzelne brillante Töne, welche sich dort und
da finden, nicht besser.
 
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