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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Der künstlerische Theil der Berliner Siegesfeier, [1]
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162

Allerdings hat derjenige Theil der Siegesstraße, der
1866 durch Baurath Adler eine wunderbar schöne und
bedeutsame Ausstattung erhalten hatte, der Lustgarten,
diesmal beinahe empfindlich hinter dem damals Erreichten
zurückgestanden. Jndessen war dies durch die anderweiten
Dispositionen über den Raum bedingt, und die damals
hier beschäftigten Kräfte waren an anderen Stellen der
in diesem Jahre auf mehr als das Dreifache verlängerle»
viu triumxliulis unabkömmlich und im Uebermaß ange-
spannt; und die beiden leitenden Architekten haben außer-
dem hinreichend bewiesen, daß sie der Aufgabe gewachsen
waren. Man soll doch nur um alles in der Welt nicht
in künstlerischen Dingen die bureaukratische Unfehlbarkeit
noch ausschließlicher und rücksichtsloser zur Geltung brin-
gen und bringeu lassen, als schon geschieht.

Lucae und Gropius hatten sich so in die Aufgabe
getheilt, daß jener die Belle-Alliance- und Königgrätzer-
Straße, dieser den Raum vom Brandenburger Thor bis
zum Lustgarten nach dem festgestellten Grundgedanken
selbständig übernahm. Sehr sinnvoll war diedirekle Ber-
herrlichung der kriegerischen Erfolge durch eine Art von
monumentaler Feldzugsgcschichte vor die Thore verlegt,
und ein hübscher Zufall machte, daß der Weg diese ganze
Strecke hin sich durch zwei Straßen bewegte, die ihren
Namen nach den beiden größten Erfolgen preußischer
Waffen in diesem Jahrhundert, den direkten Vorbereitun-
gen zu den heurigen Ereignissen in mehr als einer Hin-
sicht, tragen: uach den Schlachten bei Belle-Alliance und
bei Königgrätz. Es war eine schöne Symbolik, diesen
„Kriegspfad" als draußen liegende Einleitung und ledig-
lich als Durchgangsstadium zu der inneren Größe des
allzeit sich mehreuden Reichthums „an den Gütern und
Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohl-
fahrt, Freiheit und Gesittung" erscheinen zu lassen. Denn
von dem Moment ab, wo die viu triumpliulis das Gc-
biet der inneren Stadt berührte, beim Brandenburger Thor,
trat dominirend und bestimmend die ideale Seite der Er-
eignisse, die deutsche Verbrüderung, das neue Reich, der
glückliche Friede und die Wiedervereinigung der einst ge-
raubten Gebietstheile, hervor.

Der von Lucae geschmückte Straßenzug umfaßte mehr
als zwei Drittel der ganzen Siegesstraße, weit über eine
halbe Meile iu der Länge. Es war geschmackvoll und
korrekt, hier der Dekoration einen flott dahinlaufenden,
gewissermaßen treibenden Charakter zu verleihen, und nur
an den wenigen natürlichen Unterbrechungen, durch Wen-
dungen des Weges und Plätze, Kraft und Reichthum des
Schmuckes zu monumentalen Gruppen zu sammeln, die
den Blick und den Fuß festhalten. So schritt das Heer
zwischen Flaggenmasten dahin, die mit Bannern, Fahnen
und Wappenschilden verziert und durch Laubgehänge mit
einander in der Längsrichtung des Weges verbunden
waren, ein Anblick voll heiterer, farbenfreudiger Pracht.

Dort, wo die Belle-Alliance-Straße gerade auf das
(ehemalige) Hallesche Thor zu und damit in die Stadt
einführt, mußte der gerade Weg versperrt und ein Motiv
für die scharfe Einbiegung des Weges in die Königgrätzer-
straße gegeben werden. Zwei riesigeTribünen verschlossen
zu dem Ende den Eingang der Stadt, und zwischen ihnen
erhob sich auf 30' hohem viereckigem, mit den Bäreu des
Wappens verziertem Postament die Personifikation der
Hauptstadt, die kolossale Berolina (35' von der Sohle
bis zur Mauerkrone). Erdmann Encke hatte sie auf-
gerichtet. Man muß zum Zweck einer gerechten Beur-
theilung die unglaublichen Schwierigkeiten der Arbeit in
Rechnung ziehen, die, bei der aufsKnappste zugemessenen
Zeit schon fast unüberwindlich, noch durch die anhalteude
Uugunst der Witterung in s Gränzenlose gesteigert wur-
den. Mit der äußersten Noth ist es ja überhaupt nur
durch die beispiellose Hingebung aller Betheiligten bis
zum letzten Handlanger hinab ermöglicht worden, zur
rechten Zeit mit der ganzen Festausschmückung fertig zu
werden. Noch am Tage vor dem Einzuge sah es an
manchen Stellen absolut hosfnungslos aus.

Die Berolina machte um ihrer Dimensionen willen
im Allgemeinen und durch den frei ausgestreckten Arm
insbesondere das meiste Kopfbrecheu, — namentlich sich
selber. Der riesige Kopf fiel beim Hinaufwinden in Stücke
auseinander. Bei der Wiederherstellung hat er wohl Man-
ches von seiner Feinheit eingebüßt. Wäre die freundliche
Neigung des Hauptes nicht dem Gesammteindruck der sehr
schönen Silhouette zu Hülfe gekommen, so hätte sie leicht
etwas Finsteres bekommen, was sicher nicht beabsichtigt
war, am wenigsten in der Bedeutung, die Jemand darin
hat finden wollen, daß sich die Trauer um die Opfer des
Krieges in die Freude des Sieges und des Wiedersehens
mischte. Vielmehr war letztere der ausschließliche bewegende
Gedanke. Trotz der Größe — die übrigens zu den Um-
gebungen im besten Verhältnisse stand, wie denn über-
haupt nirgends eine absichtliche, brutale Uebersteigerung
des Maßstabes unangenehm berührte, — trat die edle
Gestalt mit anmuthiger Bewegung den heimkehrenden
Söhnen des Vaterlands entgegen, die Linke bot ihnen den
wohlverdienten Lorbeer, die Rechte wies grüßend und
einladend auf den Weg, den die Sieger mit einer
Schwenkung zu den Füßen der Statue vorbei zu ziehen
hatten. Nicht leicht hätte ein paffenderes Motiv für
die Ausschmückung gerade dieses Punktes ersonnen werden
können, und der Gedanke trat in seiner Verkörperung
schlagend klar und ansprechend dem Heranschreitenden
entgegen.

An den drei folgenden Thoren waren naturgemäß
die Hauptabschnitte des Krieges vorzuführen. Die Glie-
derung des Stoffes war so glücklich bewirkt, daß sie wie
selbstverstündlich erscheint: die Einleitung des Krieges,
die Niederschmetterung des kaiserlichen Frankreich, der
 
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