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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Der künstlerische Theil der Berliner Siegesfeier, [1]
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163

Kampf gegen die Republik. Jn der mittleren Abtheilung
mußte der Schwerpunkt des Jnteresses liegen, hier war
das Großartigste mit den großartigsten Mitteln zu leisten.
Der Askanische Platz am Auhaltthor konnte nur eine
vorbereitende Dekoration bekommen. In Anlehnung an
eine mächtige Tribüne für die Schuljugend waren den
drei Siegern von Weißeuburg, Wörth und Spicheren
drei imposante Postamente mit Adlern an den Ecken und
mit Jnschriften gewidmet. Dieselben trugen geschmackvoll
angeordnete Waffentrophäen; aus der Mitte stiegen hohe
Masten empor, mit heitrem Flaggenschmuck in bedeut-
samerer Weise als die der Straßeneinfassung versehen.

Das non xlus ultra einer monumentalen Gruppen-
dekoration zierte den Potsdamer Platz vor der Ausmün-
dung der Leipziger Straße. Die eigentliche Entscheidung
des Krieges stellte sich in der Berkörperung der drei größ-
ten kriegerischen Erfolge im Kampfe mit dem organischen
Heere des Feindes dar: inmitten der Sieg von Sedan,
zu den Seiten die beiden Hauptfestungen, die erobert und
dauernd in Besitz genommen sind: Straßburg und Metz,
die letztere zugleich die Riesenschlachten vergegenwärkigend,
die in ihrcr Nähe geschlagen worden und ja sehr wohl als
Vorbereitungen für die Einnahme der jungfräulichen
Veste angesehen werden können.

Wenn etwas bei der Monumentalisirung der Schlacht
von Sedan eine ungewöhnliche Begabung erfordert, so
ist cs das, daß die Wuchtigkeit und Schwere des Schlages,
diese effektive Vernichtnng eines Gegners, auf der einen
Seite ihren Ausdruck erheischt, während auf der anderen ^
die wahrhaft künstlerische Leichtigkeit dieser unglaublichen
Leistung und der endlose, alles Maß übersteigende, alles
mit sich fortreißende, „himmelhoch jauchzende" Iubel voll
und rauschend mit hineinklingen muß. Gerade das hat
Lucae in seinem Entwurfe meisterhaft zu treffen gewußt,
und der bei der Ausführung zu Hülfe gerufene Bildhauer
Moritz Schulz hat sich eben so meisterhaft in den Ge-
danken zu finden verstanden.

Breit gelagert, mächtig abgestuft, kreisrund geschlvs-
sen erhebt sich ein „Kanonenberg", zweiAbsätze, jeder mit
einem Kranz eroberter Gcschütze besetzt, die — im Ganzen
40 an der Zahl — ihre Mündungen nach allen Seiten
hin richten. Aus diesem drohcnd gewaltigen Unterbau
steigt ein pikant gezeichnetes, sich stark verjüngendes
Postament in die Höhe. An seinem unteren Theile neigen
sich nach rechts und links französische Fahnen mit dem
Adlcr; an dem oberen strahlt in Goldschrift der Name
Sedan und dasSchlußwort aus derDepesche des Königs.
Die schmale hochragende Spitze des Monumentes aber
berührt mit flüchtigem Fuß, wie im stürmischen Fluge sie
streifend, eine Victoria, das Werk des vorgenannten
BildnerS. Freude strahlt ihr Auge, von den geöffneten
Lippen scheint die Botschaft des TriumpheS jubelnd zu
tönen, vorgebeugt eilt sie dahin, weit und breit das

Wunder zu künden, und in den Händen beut sie Lorbeer-
zweige zum Schmuck der Sieger dar. Es ist eine Bewegt-
heit in der Gestalt, die hart an die Grenzen des Plastischen
anstreift und sie wohl überschreiten würde, wenn nicht
eine strenge Zucht Maß in der Form hielte. Jedes Glied
ist fcin und schön in Bildung und Bewegung, die ganze Ge-
stalt eine entschiedene und originale Bereicherung des schon
nicht armen Kreises von Darstellungen der Siegesgöttin.

Dieses Monument ragte im Ganzen bis zu einer
Höhe von 75' auf. Die Ränder der Terrassen, auf wel-
chen die Kanonen standen, waren mit zierlichen Trägern
besetzt, auf welchen Körbe mit frischen Blumen im Grün
mannichfachen Laubes ruhten. Laubgewinde zogen sich
von einem zum andern, selbst den sinsteren Ernst deS
Unterbaues mit anmuthiger Schönheit umziehend.

So vollendet in sich dieses Arrangement war, wurde
es doch noch beträchtlich gehoben durch die Umgebung.
Rechts und links auf einem vorgerückten Plan standen
niedrige, absichtlich schwer gehaltene viereckige Postamente,
vorn das Wappenschild und in Goldschrift die Namen
der beiden Festungen tragend. Diese sclbst sollten nach der
Jdee der Architekten auf den beiden Unterbauten durch
gewaltige sitzende Frauengestalten repräsentirt werden,

^ für die ihnen wohl als Vorbild die lebendige Symbolik
der Städtefiguren auf Rietschel's Lutherdenkmal vor-
schweben mochte. Leider kam diese schöne Aufgabe in die
allerungeeignetsten Hände: sie waren Reinhold Begas
übertragen. Für den Wissenden ist es schon eine Art von
Maßstab für die Größe des Mißlingens, wenn man
mittheilt, daß die eifrigsten und unbesonnensten Für-
sprecher des Künstlers nicht gewußt haben, wie sie diese
beiden Megären loben sollten. Das gesammte Publikum
wandte sich mit Unwillen ab. Als jüngst eine Notiz über
die Kosten der Einzugsfeier, insbesondere der plastischen
Kunstwerke, durch die Zeitungen lief, war in sehr be-
zeichnender Weisc von dem Aufwande für die Figuren am
Potsdamer Thore keine Rede.

Begas hatte nicht bedacht, daß es sich hier um etwas
Anderes und etwas mehr, denn um eine drastisch wirkende
Dekoration, handelte; er hatte übersehen, daß alle an-
deren betheiligten Künstler ihre Aufgabe ernster und tiefer
aufgefaßt hatten und bestrebt gewesen waren, ihren Wer-
ken den Grad von Vollendung und Durchbildung zu
geben, der genügte, um die Erinnerung an die überstürzte
Entstehung auszulöschen und sie in jedem Abstande,
der einem Beschauer zugänglich war, als etwas Fer-
tiges und Tüchtiges erscheinen zu lassen; er hatte vergeffen,
für was für ein Publikum er arbeitete: die gesammte Maffe
eines begeisterten Volkes, dessen feingebildetem Theil man
nicht durch rohe Maffenhaftigkeit und Formlosigkeit im-
ponirt, und deffen einfach schlichtem Theile ohne ein leicht
stch erschließendes Verständniß keinerlei Freude und Jn-
tereffe aus einem solchen Werke erwachsen kann.
 
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