15
Literatur
16
LITERATUR
Howard C. Levis, A descriptive Bibliography of the most
important books in the English Language relating to the
Art and History of Engraving and the Collecting of Prints.
London, Ellis. 40. XX und 572 S. und 47 Faksimiles. —
105 Mk.
Das prächtig ausgestattete, umfangreiche Werk ist vom
Standpunkt des Bücherwurms, nicht des Fachmanns auf
dem Gebiet der graphischen Künste geschrieben, und am
besten auch so zu genießen. In seinen 26 Kapiteln be-
handelt es eine erstaunliche Fülle von Gebieten, — außer dem
vielen, was man hier erwartet, z. B. noch Exlibris, Fächer,
Karikaturen, Bücherillustrationen, Händlerkataloge, Privat-
sammlungen, Ausstellungen, Biographien von Graphikern,
Wasserzeichen, Monogramme, Symbole und Embleme und
anderes mehr. Dabei ist das Buch keineswegs eine trockene
Aufzählung, wie man es von einer wissenschaftlichen Biblio-
graphie nicht anders erwarten würde; es wird im angenehmen
Ton — etwa wie Hamerton oder Beraldi — über die an-
geführten Werke geplaudert. Es ist ein Werk, das — trotz-
dem man nicht darauf rechnen würde — geradezu lesbar
ist, da es die liebevolle Arbeit eines Menschen, der sein
Steckenpferd reitet, darstellt.
Für das Buch, so wie es ist, mit seinen unzähligen
Tatsachen, müssen wir dem Verfasser dankbar sein. Eine
wirkliche Leistung lieferte er in dem Aufstöbern zahlreicher,
seltener Drucke und Ausgaben. Im übrigen war es gewiß
klug von ihm, sein Werk in der Richtung auszubauen, die
er sich selbst gesteckt hat. Nicht um mit ihm zu hadern
oder um sein Werk herabzusetzen, sondern um die et-
waigen Käufer des immerhin teueren Buches zu orientieren,
muß ich bekennen, daß ich ihm eine wissenschaftliche
Bedeutung nicht zusprechen kann. Von vornherein war
der Gebrauchswert gefährdet durch die Beschränkung auf
Werke in englischer Sprache. Für eine Bibliographie eines
Stoffgebietes, aufdem dieEngländernichteinmaldie führende
Nation gewesen sind, ist eine solche Abgrenzung wohl wissen-
schaftlich unzulässig. Welchen Wert hat es z. B. im Kapitel
Stecherbiographien, bloß die englischen Bücher über Dürer
oder das zufällige, englische Buch über Wille aufgezählt zu
bekommen! Insbesondere dieses Kapitel ist höchst irritie-
rend, da im sinnlosen Wirbel wirkliche Oeuvrekataloge, allge-
mein gehaltene Biographien, Ausstellungsverzeichnisse,
Preislisten, schöngeistige Essays usw. durcheinandergehen.
Ein solches ungeordnetes Durcheinander bietet Levis in fast
jedem der Kapitel, die alle zahllose Werke enthalten, welche
nichts in einer wirklichen Bibliographie graphischer Kunst
zu suchen haben. Endlich ist seiner Kritik nicht zu trauen.
Das schlechte, von den gröbsten Irrtümern wimmelnde Mach-
werk der Frau Frankau über den »Farbenstich« lobt er z. B.,
ebenso wie Jessie Allens »Dürer« (das er übrigens irrtümlich
unter «893 statt 1903 einreiht), den Dodgson im Burlington
Magazine ganz richtig als die talentlose Kompilation einer
Dilettantin, die es ist, hingestellt hat. Ebenso nennt er
klanglos Werke, z. B. von Koehler, bei denen er wirklich
auf deren bahnbrechende Art hätte aufmerksam machen
sollen.
Wenn das Buch also für den Fachmann als Nachschlage-
werk für strengwissenschaftliche Forschung (übrigens schon
einmal wegen seiner unübersichtlichen Anordnung) un-
brauchbar ist, so wiederhole ich, daß es trotzdem eine
dankenswerte Bereicherung unserer Literatur darstellt. Man
muß es nur, wie gesagt, im Sinne des Bücherliebhabers
benutzen, der über seine Schätze, und über die Möglich-
keit einstiger Schätze, vielfache und reiche Belehrung finden
wird. Levis hat für unsere Muße- nicht für unsere Arbeits-
stunden mit viel Liebe und großem Fleiß ein packendes
Material zusammengetragen. Hans W. Singer-Dresden.
Publications pour faciliter Ies «Stüdes d'art en France.
Dictionnaire des artistes et ouvriers d'art de la Franche-
Comte par l'abbe Paul Brune. Paris, Bibliotheque d'art
et d'archeologie, 1912.
Als vor etwa Jahresfrist unter den Kunstgelehrten be-
kannt wurde, daß die von Jacques Doucet ins Leben ge-
rufene großartige »Bibliotheque d'art et d'archeologie«
in Paris ein Lexikon sämtlicher französischer Künstler, nach
Landschaften angelegt, veröffentlichen würde, da hat man
mit berechtigtem Interesse das Erscheinen des ersten Bandes
der Sammlung erwartet. Nunmehr liegt derselbe, vom
Abbe Brune verfaßt, vor, es fragt sich nur, ob er auch den
Anforderungen, die man an ein ähnliches Werk zu stellen
berechtigt ist, entspricht. Ich glaube, daß man diese Frage
schlankweg mit »nein« beantworten kann. Die Arbeit
trägt im ganzen und großen den Charakter jener mit
großem Fleiß, vielfach auf Grund emsiger archivalischer
Forschungen, aber ohne strenge Kritik kompilierten Pro-
vinzial-Publikationen, die uns in besonders großer Zahl
aus Frankreich und Italien bekannt sind. Das folgende
Beispiel, das sich ins unendliche multiplizieren ließe, möge
genügen um die Lückenhaftigkeit der Arbeit und die un-
kritische Art des Verfassers zu zeigen. Der Zinngießer
und Stempelschneider Francois Briot hat in Brünes Diction-
naire Aufnahme gefunden, obwohl er von Geburt Lothringer
ist, weil er den größten Teil seines Lebens in Montbeliard
(Dep. Doubs) tälig war. Hans Demiani hat Briot einen
Teil seiner 1897 erschienenen grundlegenden Arbeit:
»Fr. Briot, C. Enderlein und das Edelzinn« gewidmet und
dann in Thiemes Künstlerlexikon, Bd. V (1911) noch ein-
mal ausführlich über den Künstler gehandelt — beide Ar-
beiten ignoriert Brune, nicht einmal in der Bibliographie
findet man sie zitiert (von der Existenz von Thiemes
Künstlerlexikon scheint Brune überhaupt keine Ahnung zu
haben!!). Daß ihm dann weitere deutsche Arbeiten, die
über Briot handeln, wie Bally-Hilger, Beschreibung von
Münzen und Medaillen des Fürstenhauses Baden, 1896
und 1904, Binder-Ebner, Württemberg. Münz- und Me-
daillenkunde, 1904 f. usw., entgangen sind, kann uns
weiter nicht wunder nehmen: ganz unerklärlich ist
aber seine Nichtbeachtung von Natalis Rondots Buch: Les Me-
dailleurs etc. en France, 1904. Wohin die souveräne
Nichtbeachtung der modernen kritischen, meistens deutschen,
Literatur führt, zeigt dann die Rubrik »Oeuvres«, wo Brune
fünf Medaillen von Briot anführt (ohne überhaupt anzugeben,
daß es sich um Medaillen handelt, nach seiner Beschreibung
könnte man an Skulpturen oder Reliefs denken); allein
Demiani nennt in Thiemes Lexikon deren zehn! Der
Maler Guillaume Briot von Montbeliard, wird von Brune
mit den Worten >cite en 1621« angeführt; weiteres weiß
Brune über ihn nicht. Wenn wir in Thiemes Lexikon
nachschlagen, so finden wir: »1589 in Montbeliard geb.
als Sohn des Gerbers Guillaume Briot, vielleicht eines
Bruders des Franc. Briot 1627 in Paris erwähnt, wo er
1649 starb«, folgt Bibliographie. Sapienti sat. —th.
Inhalt: Die Neuerwerbungen der Berliner Museen. — Personalien. — Ausgrabungen zu Abydos. — Ein unbekannter Romney. — Ausstellungen in
Frankfurt a. M., Leipzig, Berlin, Zürich. — Erweiterung des Oermanischen Museums; Haarlemer Museumsfrage. — X. internationaler kunst-
historischer Kongreß; 3. internation. archäologischer Kongreß. — [ugendbild Raffaels in Brescia. — Vermischtes. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Literatur
16
LITERATUR
Howard C. Levis, A descriptive Bibliography of the most
important books in the English Language relating to the
Art and History of Engraving and the Collecting of Prints.
London, Ellis. 40. XX und 572 S. und 47 Faksimiles. —
105 Mk.
Das prächtig ausgestattete, umfangreiche Werk ist vom
Standpunkt des Bücherwurms, nicht des Fachmanns auf
dem Gebiet der graphischen Künste geschrieben, und am
besten auch so zu genießen. In seinen 26 Kapiteln be-
handelt es eine erstaunliche Fülle von Gebieten, — außer dem
vielen, was man hier erwartet, z. B. noch Exlibris, Fächer,
Karikaturen, Bücherillustrationen, Händlerkataloge, Privat-
sammlungen, Ausstellungen, Biographien von Graphikern,
Wasserzeichen, Monogramme, Symbole und Embleme und
anderes mehr. Dabei ist das Buch keineswegs eine trockene
Aufzählung, wie man es von einer wissenschaftlichen Biblio-
graphie nicht anders erwarten würde; es wird im angenehmen
Ton — etwa wie Hamerton oder Beraldi — über die an-
geführten Werke geplaudert. Es ist ein Werk, das — trotz-
dem man nicht darauf rechnen würde — geradezu lesbar
ist, da es die liebevolle Arbeit eines Menschen, der sein
Steckenpferd reitet, darstellt.
Für das Buch, so wie es ist, mit seinen unzähligen
Tatsachen, müssen wir dem Verfasser dankbar sein. Eine
wirkliche Leistung lieferte er in dem Aufstöbern zahlreicher,
seltener Drucke und Ausgaben. Im übrigen war es gewiß
klug von ihm, sein Werk in der Richtung auszubauen, die
er sich selbst gesteckt hat. Nicht um mit ihm zu hadern
oder um sein Werk herabzusetzen, sondern um die et-
waigen Käufer des immerhin teueren Buches zu orientieren,
muß ich bekennen, daß ich ihm eine wissenschaftliche
Bedeutung nicht zusprechen kann. Von vornherein war
der Gebrauchswert gefährdet durch die Beschränkung auf
Werke in englischer Sprache. Für eine Bibliographie eines
Stoffgebietes, aufdem dieEngländernichteinmaldie führende
Nation gewesen sind, ist eine solche Abgrenzung wohl wissen-
schaftlich unzulässig. Welchen Wert hat es z. B. im Kapitel
Stecherbiographien, bloß die englischen Bücher über Dürer
oder das zufällige, englische Buch über Wille aufgezählt zu
bekommen! Insbesondere dieses Kapitel ist höchst irritie-
rend, da im sinnlosen Wirbel wirkliche Oeuvrekataloge, allge-
mein gehaltene Biographien, Ausstellungsverzeichnisse,
Preislisten, schöngeistige Essays usw. durcheinandergehen.
Ein solches ungeordnetes Durcheinander bietet Levis in fast
jedem der Kapitel, die alle zahllose Werke enthalten, welche
nichts in einer wirklichen Bibliographie graphischer Kunst
zu suchen haben. Endlich ist seiner Kritik nicht zu trauen.
Das schlechte, von den gröbsten Irrtümern wimmelnde Mach-
werk der Frau Frankau über den »Farbenstich« lobt er z. B.,
ebenso wie Jessie Allens »Dürer« (das er übrigens irrtümlich
unter «893 statt 1903 einreiht), den Dodgson im Burlington
Magazine ganz richtig als die talentlose Kompilation einer
Dilettantin, die es ist, hingestellt hat. Ebenso nennt er
klanglos Werke, z. B. von Koehler, bei denen er wirklich
auf deren bahnbrechende Art hätte aufmerksam machen
sollen.
Wenn das Buch also für den Fachmann als Nachschlage-
werk für strengwissenschaftliche Forschung (übrigens schon
einmal wegen seiner unübersichtlichen Anordnung) un-
brauchbar ist, so wiederhole ich, daß es trotzdem eine
dankenswerte Bereicherung unserer Literatur darstellt. Man
muß es nur, wie gesagt, im Sinne des Bücherliebhabers
benutzen, der über seine Schätze, und über die Möglich-
keit einstiger Schätze, vielfache und reiche Belehrung finden
wird. Levis hat für unsere Muße- nicht für unsere Arbeits-
stunden mit viel Liebe und großem Fleiß ein packendes
Material zusammengetragen. Hans W. Singer-Dresden.
Publications pour faciliter Ies «Stüdes d'art en France.
Dictionnaire des artistes et ouvriers d'art de la Franche-
Comte par l'abbe Paul Brune. Paris, Bibliotheque d'art
et d'archeologie, 1912.
Als vor etwa Jahresfrist unter den Kunstgelehrten be-
kannt wurde, daß die von Jacques Doucet ins Leben ge-
rufene großartige »Bibliotheque d'art et d'archeologie«
in Paris ein Lexikon sämtlicher französischer Künstler, nach
Landschaften angelegt, veröffentlichen würde, da hat man
mit berechtigtem Interesse das Erscheinen des ersten Bandes
der Sammlung erwartet. Nunmehr liegt derselbe, vom
Abbe Brune verfaßt, vor, es fragt sich nur, ob er auch den
Anforderungen, die man an ein ähnliches Werk zu stellen
berechtigt ist, entspricht. Ich glaube, daß man diese Frage
schlankweg mit »nein« beantworten kann. Die Arbeit
trägt im ganzen und großen den Charakter jener mit
großem Fleiß, vielfach auf Grund emsiger archivalischer
Forschungen, aber ohne strenge Kritik kompilierten Pro-
vinzial-Publikationen, die uns in besonders großer Zahl
aus Frankreich und Italien bekannt sind. Das folgende
Beispiel, das sich ins unendliche multiplizieren ließe, möge
genügen um die Lückenhaftigkeit der Arbeit und die un-
kritische Art des Verfassers zu zeigen. Der Zinngießer
und Stempelschneider Francois Briot hat in Brünes Diction-
naire Aufnahme gefunden, obwohl er von Geburt Lothringer
ist, weil er den größten Teil seines Lebens in Montbeliard
(Dep. Doubs) tälig war. Hans Demiani hat Briot einen
Teil seiner 1897 erschienenen grundlegenden Arbeit:
»Fr. Briot, C. Enderlein und das Edelzinn« gewidmet und
dann in Thiemes Künstlerlexikon, Bd. V (1911) noch ein-
mal ausführlich über den Künstler gehandelt — beide Ar-
beiten ignoriert Brune, nicht einmal in der Bibliographie
findet man sie zitiert (von der Existenz von Thiemes
Künstlerlexikon scheint Brune überhaupt keine Ahnung zu
haben!!). Daß ihm dann weitere deutsche Arbeiten, die
über Briot handeln, wie Bally-Hilger, Beschreibung von
Münzen und Medaillen des Fürstenhauses Baden, 1896
und 1904, Binder-Ebner, Württemberg. Münz- und Me-
daillenkunde, 1904 f. usw., entgangen sind, kann uns
weiter nicht wunder nehmen: ganz unerklärlich ist
aber seine Nichtbeachtung von Natalis Rondots Buch: Les Me-
dailleurs etc. en France, 1904. Wohin die souveräne
Nichtbeachtung der modernen kritischen, meistens deutschen,
Literatur führt, zeigt dann die Rubrik »Oeuvres«, wo Brune
fünf Medaillen von Briot anführt (ohne überhaupt anzugeben,
daß es sich um Medaillen handelt, nach seiner Beschreibung
könnte man an Skulpturen oder Reliefs denken); allein
Demiani nennt in Thiemes Lexikon deren zehn! Der
Maler Guillaume Briot von Montbeliard, wird von Brune
mit den Worten >cite en 1621« angeführt; weiteres weiß
Brune über ihn nicht. Wenn wir in Thiemes Lexikon
nachschlagen, so finden wir: »1589 in Montbeliard geb.
als Sohn des Gerbers Guillaume Briot, vielleicht eines
Bruders des Franc. Briot 1627 in Paris erwähnt, wo er
1649 starb«, folgt Bibliographie. Sapienti sat. —th.
Inhalt: Die Neuerwerbungen der Berliner Museen. — Personalien. — Ausgrabungen zu Abydos. — Ein unbekannter Romney. — Ausstellungen in
Frankfurt a. M., Leipzig, Berlin, Zürich. — Erweiterung des Oermanischen Museums; Haarlemer Museumsfrage. — X. internationaler kunst-
historischer Kongreß; 3. internation. archäologischer Kongreß. — [ugendbild Raffaels in Brescia. — Vermischtes. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig