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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bayersdorfer, W.: Münchener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0020

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Münchener Brief

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heiten sprach, sich dabei, und zwar lediglich aus
künstlerischen Gründen, als Gegner eines Anbaues an
die Alte Pinakothek bekannte, was bekanntlich Tschudis
Absicht war; sondern vielmehr das Areal der Neuen
Pinakothek ausgebaut wissen wollte. Es ist hierzu
zu bemerken, daß mit einem Neubau für die moderne
Galerie allein noch nicht geholfen ist, denn auch in
der Alten Pinakothek stehen Hunderte von Bildern
in den Depots, die ein solches Schicksal nicht verdie-
nen, und so bedürfen wir notwendig einer Schöpfung,
die für die alte und die moderne Galerie in gleicher
Weise sorgt, ganz abgesehen von dem, was für Vasen-
sammlung, Antiquarium, Gipsabgußsammlung, die
F. v. Miller im alten Nationalmuseum unterbringen
möchte, für die graphische Sammlung und das end-
lich einmal zu gründende kunsthistorische Zentral-
institut zu geschehen hat, auf welche Dinge an dieser
Stelle später einmal ausführlich eingegangen werden
soll.

Und während wir so fortwährend unsere Not mit
der würdigen Unterbringung unserer Kunstschätze
haben, entsteht am gleichen Ort, förmlich über Nacht
ein kleines neues Museum, dem das seltene Glück
beschieden ist, gerade die denkbar günstigsten Räume
fertig vorzufinden, die man sich für seine Bedürfnisse
nur wünschen kann. Durch die im Jahre 1908 im
Nationalmuseum stattgehabte Ausstellung altbayerischen
Porzellans war man in weiteren Kreisen darauf auf-
merksam geworden, welche Fülle dieses kostbaren
Gutes sich im Besitz des Hofes in München und in
den verschiedenen bayerischen und pfälzischen Schlössern
verborgen hielt. So lag der Gedanke nahe, eine An-
zahl dieser Stücke zu einer feststehenden, auserlesenen
Sammlung zu vereinigen und dauernd der Allgemein-
heit zugänglich zu machen, was nun durch den Be-
triebsleiter der kgl. Schlösserverwaltung, Stabsrat Frei-
herrn von Jeetze, und den Konservator am National-
museum, Dr. Friedrich Hofmann, geschehen ist. Die
beiden Herren, von denen letzterem der wissen-
schaftliche Teil der Aufgabe oblag, entnahmen ihr
Material vornehmlich dem Gardemeuble der kgl. Re-
sidenz in München, der Silberkammer des kgl. Schlosses
in Bamberg, dem Depot des kgl. Schlosses in Würz-
burg, wie auch einzelnen Gemächern dieser beiden
Schlösser, wobei aber darauf gesehen wurde, die
dekorative Ausstattung derselben nicht zu beeinträch-
tigen, welch beherzigenswerter Grundsatz auch bei
dem kgl. Lustschloß Ludwigshöhe in der Pfalz und
dem Schloß in Ansbach gewahrt wurde. Und diese
Auswahl stellte man in einem kleinen Saal der Re-
sidenz auf, der hierfür in ähnlich einziger Weise ge-
schaffen erscheint wie das Residenztheater für die
Mozartopern, nämlich in dem alten, in seiner Innen-
ausstattung wohl noch auf Cuvillier zurückgehenden
ehemaligen Porzellankabinett, das im vergangenen
Jahrhundert als Aufbewahrungsort der Schatzkammer
gedient hatte. Ein höchst intimer, rechteckiger Raum
mit reicher Stuck- und vergoldeter Holzschnitzver-
zierung, die vielfach in kleine Konsolen ausläuft und
in dessen Wände die die Kunstwerke enthaltenden
Glasschränke eingebaut sind. Über die Aufstellung

der Sammlung orientiere ich wohl am besten, wenn
ich kurz einen Absatz des kleinen, trefflichen, von
Hofmann verfaßten und mit zwölf Tafeln ausgestatteten
Führers1) zitiere, der dankenswerterweise auch einen
Überblick über das diesen Kunstzweig betreffende
Mäzenatentum der Wittelsbacher Fürsten wie über
die Geschichte der bayerischen Porzellane gibt: »Die
Verteilung der Porzellanschätze ist so eingerichtet, daß
auf den zahlreichen Konsolen einfachere Vasen und
weniger wertvolle Figuren verschiedener Fabriken auf-
gestellt sind; in den Schränken ist die Anordnung
im allgemeinen nach den Manufakturen getroffen, so
zwar, daß in Schrank 1 — 3 (dem Eingang
gegenüber), ferner in Schrank 5, 7 und 8 haupt-
sächlich die Erzeugnisse der am besten ver-
tretenen Fabrik Frankenthal untergebracht sind, in
Schrank 4 Nymphenburger Porzellan, in Schrank
6 Fabrikate von Meißen, Wien, Höchst, Ansbach
und einigen anderen kleineren Fabriken. Ferner sind
im Hintergrund der meisten Schränke große japanische
und chinesische Platten aufgestellt, in der Hauptsache
sehr kostbare und teilweise frühe Erzeugnisse ost-
asiatischer Keramik. Im ganzen sind 562 Stück Por-
zellan ausgestellt.« Da über die bayerischen Porzellane
gelegentlich der schon erwähnten Ausstellung in ver-
schiedenen Zeitschriften eingehend geschrieben worden
ist, mögen hier nur noch die außerbayerischen euro-
päischen Fabriken Erwähnung finden, unter denen
Meißen mehrere ganz exzeptionelle Stücke aufzuweisen
hat, wie das seltene Liebespaar am Klavier von Känd-
ler oder die vermutlich dem gleichen Meister ge-
hörige und überhaupt nur in dem Münchener Exem-
plar bekannte Krinolinengruppe, »Der Fuchs am Kla-
vier«, in der man eine Anspielung auf ein heute nicht
mehr nachweisbares Histörchen aus dem sächsischen
Hofleben vermutet. In guten Stücken ist ferner Wien
vertreten (besonders zwei Liebesgruppen als Frühling
und Herbst und zwei weiße, das Wappen des Erzbischofs
von Salzburg, Sigmund Christoph Grafen von Schratten-
bach haltende Löwen), dann Höchst mit dem seltenen
Stück »Der chinesische Kaiser«, dessen Modell L. Rus-
singer zugeschrieben wird und als dessen Maler Hof-
mann nach der eingeritzten Signatur J. Z. Johann
Zeschinger festgestellt hat. Aus der gleichen Fabrik
auch eine Gruppe mit einem weissagenden Zigeuner.
Es schließen sich an Ansbach, Fulda, das allerdings
nur schwach vertretene Ludwigsburg und zu guter Letzt
auch die italienische Fabrik Capo di Monte, von der
einige Götterfiguren vorhanden. So ist München mit
einem Schlage um eine Sehenswürdigkeit reicher, die

1) Führer durch das Porzellan-Kabinett der kgl. Residenz
in München. Im Auftrage des kgl. bayer. Obersthofmeister-
stabes bearbeitet von Dr. Friedrich Hofmann, kgl. Konservator
des bayer. Nationalmuseums. München 1912, Bruckmann.
Der Führer behandelt die Sammlung nach den einzelnen
Schränken mit Hervorhebung der Hauptstücke. Eine
Nennung jedes einzelnen Stückes wurde vermieden, um bei
einem kurzen Besuch das Studium zu erleichtern und da
außerdem alle Stücke Nymphenburger und Frankenthaler
Provenienz im Katalog der Ausstellung altbayerischen Por-
zellans von 1908 ausführlich behandelt worden sind.
 
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