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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Schumann, Paul: 12. Tag für Denkmalpflege in Halberstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0030

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gg 12. Tag für Denkmalpflege in Halberstadt 40

geboten. Er sollte nur da verwandt werden, wo es
sich um Festigkeit im statischen Sinne und um
Wasserbewältigung handelt. Von der Oberfläche ist
er tunlichst immer fernzuhalten. Größter Wert ist
auf guten Sand zu legen. Namentlich für Putz,
dessen Technik sehr im argen liegt, trotz »Edelputz«
und dergleichen neuen Erfindungen, die bei Bau-
denkmälern ohnehin keine Verwendung finden können.

Zum Schlüsse brachte der Redner die schon in
einer früheren Tagung von anderer Seite gestreifte
Frage der dauernden technischen Pflege der Bau-
denkmäler zur Sprache. Er befürwortete lebhaft die
Übertragung dieser primitiven Pflege an einen Bau-
handwerker, am besten an einen erfahrenen Zimmer-
mann, der natürlich nichts anzuordnen, sondern nur
zu beobachten, zu untersuchen und über seine Wahr-
nehmung den zum Schutz des Denkmals berufenen
Stellen höherer Ordnung Meldung zu machen hat.
Die erforderlichen Maßregeln zu ergreifen ist dann
der Letzteren Sache, und zwar schnellstens, ehe der
noch unbedeutende Schaden zur Baufälligkeit, die noch
geringfügige Reparaturausgabe zum kostspieligen In-
standsetzungsverfahren wird.

Mit dem Hoßfeldschen Vortrag berührte sich der
nicht minder auf reicher Erfahrung fußende Vortrag
des Kölner Dombaumeisters Hertel über die Auswahl
und Behandlung der für Restaurierungen in Betracht
kommenden Materialien. Der Redner legte an drasti-
schen Beispielen dar, welche Sünden leider auch jetzt
noch bei Bauten und Restaurierungen mit der Wahl
und mit der Bearbeitung der Baustoffe begangen
werden. Mit allem Nachdruck warnte er vor dem
Zement, der für die- Denkmalpflege in keinem Fall
verwendet werden dürfe. Bei der Verwendung von
Ziegeln an alten Bauten ist die größte Vorsicht nötig,
daß sie an Größe, Farbe und Form genau den ur-
sprünglich verwendeten entsprechen. Durchaus zu
warnen ist vor Walzblei, zu empfehlen nur Gußblei,
aus dem jetzt Platten in jeder Dicke und Größe ohne
Schwierigkeit hergestellt werden können. Ausführlich
behandelte der Redner dann die sehr wichtige Wahl
des natürlichen Bausteins, wobei er namentlich die
Ergebnisse der staatlich unterstützten wissenschaft-
lichen Prüfung der Bausteine und deren Klassement
stark kritisierte. Es ist durchaus ungenügend, die
Bausteine nur auf ihre Festigkeit hin zu prüfen; viel
wichtiger ist die Prüfung auf die Wetterfestigkeit und
Verwitterung hin. Durch die Klassifizierung, die auf
Grund der geologisch-mineralogischen Prüfung her-
gestellt worden ist, wird der praktische Restaurator,
wie der Redner darlegte, nur in die Irre geführt und
zu endloser, unnützer Arbeit verführt. Nur aus dem
Zusammengehen des Mannes der Wissenschaft und
des Praktikers können zuverlässige Ergebnisse ge-
wonnen werden. Die meisten und besten Erfahrungen
besitzen die Bauhütten, die sie freilich meist als Ge-
heimnisse hüten und bewahren. Es wäre zu wünschen,
daß ihre Erfahrungen besser verwertet und namentlich
von den Konservatoren dauernd in den Dienst der
Denkmalpflege gestellt würden.

Voraussichtlich wird der stark polemische Teil

dieses Vortrags nach seiner Veröffentlichung zu leb-
haften Auseinandersetzungen mit den angegriffenen
Männern der Wissenschaft, die die Ergebnisse jener
Gesteinsprüfungen veröffentlicht haben, führen. Für
die Praxis und die Zukunft unserer alten Baudenk-
mäler kann diese Erörterung nur von Nutzen sein.

Es sprach weiter Dombaumeister Knauth (Straßburg)
über die Arbeiten zur Sicherung der Turmfundamente
am Dom zu Straßburg, Prof. Dr. Rathgen über
weitere Ergebnisse seiner noch im Gange befindlichen
Versuche mit Steinschutzmitteln und Geh. Baurat
Wickop (Darmstadt) über die Wiederherstellung der
Liebfrauenkirche zu Arnstadt in Thüringen, deren
Türme nach dem mustergültigen Beispiel, das Geh.
Oberbaurat Hofmann am Wormser Dom gegeben hat,
vollständig abgetragen und soweit als möglich unter
Verwendung der alten Bausteine wieder aufgebaut
wurden.

An letzter Stelle stand auf der Tagesordnung das
Thema Baugewerkschulen und Denkmalpflege, über
welches der Wiener Oberbaurat Julius Deininger
und der Hildesheimer Oberlehrer Architekt Scriba be-
richteten. Aus den beiden Berichten ging hervor,
daß die Anschauungen über die Aufgaben der Bau-
gewerkschulen (in Sachsen: Bauschulen) sich in den
letzten Jahren vollständig gewandelt haben und dem-
gemäß auch die Lehrpläne geändert worden sind.
In Preußen, in Bayern, in Sachsen, in Württemberg,
in Thüringen usw., auch in Österreich steht jetzt die
heimische Bauweise im Mittelpunkte des Unterrichts,
und besonders wird der Schüler auf den boden-
ständigen ländlichen Baustil hingewiesen und darin
unterrichtet. Der Monumentalstil, der sich früher in
der einläßlichen Behandlung der Säulenordnungen
usw. äußerte, ist ausgeschlossen. Die Pflege der
bodenständigen Bauweise im Bauzeichnen und in der
Gestaltungslehre wird unterstützt durch die deutschen
Aufsätze mit entsprechenden Themen, wodurch auch
des Schülers Gefühlsleben in die gewünschte Richtung
gelenkt wird; durch die Baustoff lehre wird er zu
stoffgerechter Behandlung der Baustoffe angeleitet.
Dem Freihandzeichnen, der darstellenden Geometrie
und dem Modellieren endlich kommt die Aufgabe zu,
die Gabe räumlicher Vorstellung zu erwecken, zu-
gleich aber auch die Denkmalpflege zu fördern, indem
alte deutsche Holzbauten wie auch ländliche Bauwerke
gezeichnet und modelliert werden; und nicht bloß
ganze Gebäude, sondern auch einzelne Teile wie
Treppen, Türen und Fenster werden gezeichnet und
modelliert.

Die Vorträge wurden unterstützt durch eine um-
fängliche Ausstellung von Schülerzeichnungen und
Modellen aus den deutschen Baugewerken- und Bau-
schulen. Auch aus dieser Ausstellung ergab sich un-
zweideutig, daß an diesen Schulen sich in den letzten
Jahren — etwa seit 1908 — ein ganz entschiedener
Umschwung nach den Zielen des Heimatschutzes und
der Denkmalpflege hin vollzogen hat. Daß der
Denkmalpflegetag, ebenso wie Kunstwart und Dürer-
bund, diesen Wandel herbeizuführen geholfen haben,
unterliegt keinem Zweifel. Die Versammlung be-
 
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