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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0041

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6i Literatur 62

des sogenannten Manierismus geht man aber noch heute
im allgemeinen ängstlich aus dem Wege, trotzdem schon
vor mehreren Jahren Riegl in seinen posthum erschienenen
Vorlesungen über die >Entstehung der Barockkunst in
Rom« versucht hat, diesem Stiefkind der Forschung gerecht
zu werden und die treibenden Kräfte dieser Kunstepoche
vorurteilslos zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit von
Birch-Hirschfeld unternimmt es nun, den Boden für eine
künftige Forschung vorzubereiten, indem sie uns in den
Ideenkreis und das Wollen dieser Zeit selbst einführt durch
eine gründliche und systematische Untersuchung der theo-
retischen Kunsttraktate, die gerade damals in großer An-
zahl erschienen. Nach einem instruktiven historischen Über-
blick über den Wert, die Quellen, die gegenseitige Ab-
hängigkeit usw. der Traktate von Cennini (ca. 1400) bis
Scanelli (1657) analysiert der Verf. den Traktat der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts als solchen, indem er sich in
der Kapiteleinteilung im allgemeinen an die Einteilung
des bedeutendsten und einflußreichsten Werkes, des 1585
erschienenen »Trattato dell' arte della Pittura« des Qio. P.
Lomazzo anschließt. Wir erfahren da, mit Rück- und Aus-
blicken, was jene Zeit von der Zeichnung, den Proportionen,
der Bewegung, vom menschlichen Körper, von der Ge-
wandung, der Beleuchtung, den Farben, der Perspektive,
der Komposition (des Historienbildes und des Porträts)
verlangt hat und wie sie sich zum Problem der Nachahmung
stellte. Wenn diese theoretischen Traktate auch (wie das
ja gewöhnlich der Fall ist) mehr retrospektiver Natur sind,
von der Kunstübung vergangener Generationen ausgehen
und für die jeweilig »modernec Kunst gewöhnlich kein
Auge haben, so führen sie doch in der vortrefflichsten
Weise in die Gedankenwelt und in das Kunstwollen der
damaligen Zeit ein und ermöglichen es, die Wurzeln des
künstlerischen Schaffens bloßzulegen. Und die Bedeutung
dieser Arbeit greift über das Cinquecento weit hinaus, weil
im späten Cinquecento auch die Quellen der reichen Sei-
centokunst entspringen, so daß auch der Forscher, der sich
dem 17. Jahrhunderte zugewandt hat, ebenfalls reiche An-
regungen und mancherlei Aufschluß empfängt. Wir müssen
dem Verf. für seine schöne und exakte Analyse großen Dank
sagen, denn wer einmal versucht hat, in die verzwickten
Gedankengänge dieser kunsttheoretischen Literatur einzu-
dringen, weiß, welch eine unsägliche Selbstüberwindung
dazu gehört, um aus den entsetzlich öden und langweiligen
Sandwüsten ästhetischer Rhetorik die brauchbaren Gold-
körner wissenschaftlicher Erkenntnis herauszusuchen.

Oskar Pollak.

Dr. Hermann Popp, Die Architektur der Barock- und Ro-
kokozeit in Deutschland und der Schweiz. Bauformen-
Bibliothek 7. Band, geb. 25 M. Stuttgart 1913. Verlag
von Julius Hoffmann.

Wer sich jemals für die Architektur der späteren Jahr-
hunderte inleressierte, weiß nur zu gut, wie schwer es war,
sich von den Bauten, die in der Literatur bereits inventarisiert
und zum großen Teil auch beschrieben sind, eine Anschauung
zu verschaffen. Die Handbücher versagen naturgemäß bei
der Uberfülle des Materials und in den großen Sammel-
werken und amtlichen Denkmälerinventaren müssen Barock
und Rokoko immer noch hinter der Gotik zurücktreten;
so war man auf verstreute unvollständige Einzelpublikationen
angewiesen. Das Bedürfnis nach Spezialbüdersammlungen
zur Geschichte der nachgotischen Architektur erkannt zu
haben, ist das Verdienst der Bauformen-Bibliothek, die mit
richtigem Blick ihren Schwerpunkt immer mehr auf diese
Zeit verlegt. Nachdem frühere Bände die Baukunst und
dekorative Skulptur der deutschen Renaissance, der Barock-
zeit in Italien, deutsche Wohn- und Festräume aus sechs

Jahrhunderten behandelt haben, ist der neue Band der
deutschen Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts und
zwar vorzugsweise der Außenarchitektur gewidmet: Von
einigen Treppenhäusern abgesehen werden nur von Kirchen
noch Innenansichten gegeben. Die 454 vielfach außerordent-
lich schönen und brillant reproduzierten Aufnahmen hat
Dr. Hermann Popp geschickt zusammengestellt: der Süden
wie der Norden kommen gleichmäßig zu Wort, die führenden
Meister, die wichtigeren landschaftlichen Gruppen sind mit
charakteristischen Proben vertreten. Ein vollständiges Korpus
zu sein ist nicht die Aufgabe der Sammlung und mancher
wird den oder jenen ihm werten Bau vermissen — ich
bedaure z. B., daß Rott a. J. oder Dom. Zimmermanns
Wieskirche fehlen — jeder wird aber auch eine Menge
ganz neuer Werke kennen lernen. Denn der Heraus-
geber hat sich nicht auf die bekannten Hauptmonumente
beschränkt, sondern mit selbständigem Blick auch abseits
Gelegenes hervorgeholt: Man wird überrascht sein, neben
der Münchener Theatiner-, den Dresdener Kirchen, den
Domen von Fulda, Maria-Einsiedeln, St. Gallen, neben
Würzburg, Potzdam, Kassel auch Möschenfeld und Berbling,
Lustheim und Haimhausen und besonders unter den Wohn-
häusern viel Neues zu sehen. Die ländlichen Bauten, die
Kapellen, Bildstöcke, Pavillons, Tore, Gestühle, Gitter,
Gartenarchitekturen, die wie die zahlreichen scharfen Detail-
aufnahmen vor allem für den Architekten zur unmittelbaren
praktischen Anknüpfung bestimmt sind, runden für den
Liebhaber und den Historiker die Auswahl zu einem ge-
schlossenen Bild dieser vielgestaltigen und an feinen Lö-
sungen überreichen Kunstperiode ab. — Der kurze Text
Popps gibt eine die modernsten Resultate verwertende Analyse
der Stile Barock und Rokoko, charakterisiert unter ständigen
Hinweisen auf den historischen Werdegang die Unterschiede
zwischen katholisch-süddeutschem und protestantisch-nord-
deutschem Kirchenbau und legt besonders treffend beim
Schloß- und Wohnbau die Entwicklung vom Barock zum
Rokoko, das ja nicht nur ein Dekorations-, sondern auch
ein Architekturstil ist, dar. Ein sorgfältiges, ausführliches
Literaturverzeichnis erhöht die Brauchbarkeit der Arbeit. —
Man möchte wünschen, daß Julius Hoffmann diesem muster-
gültigen Band auch bald einen über die Barockarchitektur
der österreichischen Lande oder Frankreichs folgen läßt.

Hauttmann.

Th. Muchall-Viebrook, Dominikus Zimmermann. Archiv
für die Geschichte des Hochstifts Augsburg, herausgeg.
von Prof. Dr. A. Schröder, IV. Band, 1. u. 2. Lieferung, mit
40 Tafeln in Lichtdruck. Dillingen a.D. 1912. M.850.
Mehr als irgendwo in Deutschland ist im Bayernvolk,
dem ein naiv sinnenfreudiger Gestaltungsdrang innewohnt,
die Kunst des Barock und Rokoko wahrhaft lebendig ge-
wesen. Von ihren Hauptmeistern findet, dank der bahn-
brechenden akademischen Lehrtätigkeit des zu früh hin-
gegangenen Kunsthistorikers Berthold Riehl, einer nach
dem andern monographische Würdigung; so jetzt auch
der phantasievollste Sproß der Wessobrunner Schule, der
in Landsberg am Lech ansässige Dominikus Zimmermann
(1685—1766). Wesentlich unterstützt durch die Liberalität
des Herausgebers, wodurch in vortrefflichen Lichtdrucken
die Kunst des Meisters als Architekt und Stukkator bis ins
einzelnste veranschaulicht wird, hat es der junge Verfasser,
der mehrere Bauten Zimmermanns erst einführt, mit
scharfem Blick für das Charakteristische und glücklicher
Darstellungsgabe verstanden, von der Entwicklung dieses
feinsten Vertreters des ländlichen bayerischen Rokoko ein
fast lückenloses Bild zu entwerfen.

Als Kirchenbaumeister ist Zimmermann, vom schlichten
altbayerischen Langbau ausgehend, angeregt durch die
 
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