247
Forschungen — Vermischtes
248
motiven einen Vorklang des Eisenwalzwerks bietet. Noch
weiter zurück deutet eine flott gezeichnete Joseph-Potiphar-
Szene von Schnorr und einige italienische Landschaften
von Heinrich Reinhold. Schließlich findet man noch
eine Reihe der außerordentlich talentvollen Zeichnungen
von Ludwig Pietsch, namentlich schnell erfaßte Szenerien
aus dem Feldzug von 1870.
Die neu erworbenen Skulpturen werden eingeleitet
durch zwei herrliche Büsten des (auch durch zwei geniale
Zeichnungen vertretenen) alten Schadow: Friedrich der
Große (1792) und Nicolai (1798). Von Reinhold Begas
wurde die schöne Marmorgruppe »Venus und Amor« (1864),
die entzückende Bronzefigur der »Badenden« (aus demselben
Jahre) und ein Relief aus der Weimarer Zeit angekauft.
Von neueren Werken deutscher Plastik sind zu nennen,
der holzgeschnitzte»Wandersmann« vonlgnatzTaschner,
die Richard Strauß-Büste von Hugo Lederer, ein famoses
»Perlhuhn« von Max Esser, Georg Kolbes bezau-
bernde nackte Tänzerin, die im vorigen Sommer auf der
Berliner Sezession war, eine sehr gute Büste Albert Hertels
von Ebbinghaus und die nicht sehr glückliche Marmor-
statue eines Jünglings von Peterich. Es sind gewiß nicht
durchweg Werke allerersten Ranges, die hier zu nennen
waren, und man vermißt wohl einige Namen, die eigentlich
in der Nationalgalerie vertreten sein müßten; aber im
ganzen ist der Ertrag dieser Jahresernte kein geringer und
sei willkommen.
Um den preußischen Museen in Zukunft den Erwerb
wertvoller deutscher Kunstwerke zu erleichtern, fordert der
preußische Kultusminister im neuen Etat eine Summe von
dreiviertel Millionen Mark. Die Summe soll auch im
kommenden Jahre noch einmal für den gleichen Zweck
vom preußischen Abgeordnetenhause gefordert werden.
FORSCHUNGEN
Ein Bildnis des Herzogs Borso d'Este von Baldassare
d'Este will Graf Malaguzzi-Valeri in einem Täfelchen der
Sammlung des Fürsten Trivulzi erkennen. Er publiziert
das Bild im 7. Heft der Rassegna d'Arte. Die Identifikation
des Dargestellten ist durch den Vergleich mit den zahl-
reichen Bildnissen des Herzogs auf den Fresken des Pa-
lazzo Schifanoja gesichert; für die Zuschreibung an Bal-
dassare sprechen mehrere Wahrscheinlichkeitsgründe. Leider
ist die Tafel sehr schlecht erhalten. Besser erhalten ist
ein zweites Bildnis von Baldassare d'Este, das H. Cook
im 10. Heft derselben Zeitschrift abbildet, nachdem er es
schon im vorigen Jahrgang des Burlington Magazine pu-
bliziert hatte (vol. XIX, p 228 ff). Dieses Gemälde trägt
die volle Signatur Baldassares und steht stilistisch dem
Bilde beim Fürsten Trivulzi so nah, daß man beide Arbeiten
wohl demselben Künstler zuschreiben kann. Mit ihnen
ist also ein fester Ausgangspunkt zur Rekonstruktion des
Werkes Baldassare d'Estes gewonnen, der in Zukunft die
Zuschreibung anderer Bilder ermöglichen wird. _/
Das November-Dezemberheft (1912) der *Revue de
l'art chre'tien« enthält den dritten Teil des hochinteressanten
Artikels über die Maler von Nizza von L. H. Labande,
der sich mit der Ikonographie der Tafelbilder der Nizzaer
Gegend beschäftigt. In einem kürzeren Artikel weist P.
Bautier nach, wie eine kleine Verkündigung der Sammlung
G. Taymans in Brüssel (ausgestellt auf der Brüsseler Mi-
niaturenausstellung), das er für eine Arbeit des Vollschen
Meisters der Perle von Brabant zu halten geneigt ist, in
verschiedenen Zeichnungen (Berliner Kupferstichkabinett,
Sammlung Duval) sowie in zwei größeren Altarflügeln des
Meisters des Altars von Ehningen in der Stuttgarter Galerie
bereits im 15. Jahrhundert Wiederholungen erlebt hat. Der
Abbe Paul Liebaert bespricht alsdann einige jetzt in der
Bibliothek zu Autun befindlichen, für zwei Bischöfe dieser
Stadt, den Kardinal Rollin und Antoine de Chälon, aus-
geführten Miniaturhandschriften — interessante Produkte
der Fouquetschen und franco-flandrischen Richtungen.
-th.
VERMISCHTES
Amerikanische Notizen. Unter der Redaktion von
Wilhelm R. Valentiner, dem rührigen Leiter der kunstge-
werblichen Abteilung im Metropolitan-Museum zu New
York wird demnächst eine ernsthafte kunstwissenschaft-
liche Publikation, die erste in ihrer Art in Amerika, in
New York erscheinen. Die neue Zeitschrift, »Art in
America« betitelt, soll vornehmlich den künstlerischen An-
gelegenheiten der Vereinigten Staaten dienen und zählt
unter ihren zukünftigen Mitarbeitern alle irgendwie be-
kannten Kunstschriftsteller der Union und mehrere be-
deutende europäische Kunstgelehrte.
Soeben ist im Verlag des Metropolitan Museums in
New York eine Geschichte dieses größten Kunstinstituts
der Vereinigten Staaten, von Miß Winifred C. Howe ver-
faßt, erschienen. Der stattliche, etwa 300 Seiten fassende
Band enthält zahlreiche Illustrationen und ist in museums-
technischer sowohl als in kunsthistorischer Beziehung
äußerst lehrreich.
Dieses Museum hat auf der an sensationellen Preisen so
reichen Doucet-Auktion im Frühjahr vorigenjahresj. B Char-
dins »Les Apprets d'un dejeuner« erstanden. Das Bild ist in
Jean Guiffreys Katalog unter Nr. 120 zu finden. Weitere
Neuerwerbungen des Museums sind ein großes, signiertes
Stilleben von Jan Davidsz de Heem, eine Bramantino
zugeschriebene Madonna, Damenbildnis von Jan van Rave-
steyn, Bildnis des Leonhardt von Eck von Barthel Beham,
sowie einige moderne amerikanische Bilder von Walter
Gay, J. C. Nicoll usw. Unter den Skulpturen, die neuer-
dings in das Museum gekommen sind, verdienen Erwäh-
nung zwei marmorne Basreliefs-Porträts — von P. P.
Olivieri und zwei bemalte italienische Holzstatuen von
ca. 1400 — die Jungfrau und Johannes der Evangelist.
—th.
In Paris sind in dem neuen Theater an den Champs
Elysees, das in der kommenden Saison eröffnet werden
soll, einem beschränkten geladenen Kreise die Decken-
malereien gezeigt worden, die Maurice Denis für den
Zuschauerraum geschaffen hat. Die Decke ist in vier
Felder eingeteilt, auf denen der Tanz, die Symphonie,
die Oper und das lyrische Drama dargestellt sind. Der
Tanz zeigt uns Apollo als Reigenführer mit den tanzenden
Musen in einer antiken Landschaft, in der Symphonie er-
scheinen Beethoven und Bach mit dem Gefolge ihrer alle-
gorisierten Schöpfungen in einem geheimnisvollen Hain,
die Oper findet ihre Örtlichkeit im Park von Versailles,
wo zwischen den Vertretern ihrer Hauptrollen die Kompo-
nisten Mozart, Lulli, Rameau und Gluck sichtbar werden,
und im lyrischen Drama, worunter Denis das zu verstehen
scheint, was man in Deutschland die große Oper nennt,
sieht man Parsival mit dem erhobenen Graal, Brunhilde
und Sieglinde und in einer anderen Gruppe die Trojaner
von Berlioz. Maurice Denis hat hier wohl die schönste
Aufgabe erhalten, die ihm bisher zuteil geworden ist, und
es ist sehr erfreulich, daß er endlich Gelegenheit gefunden
hat, seine starke und eigenartige dekorative Begabung
an einem Orte zu betätigen, der dem Publikum zugänglich
ist oder sein wird.
Inhalt: Das mittelalterliche Hausbuch. — Personalien. — Friedhof in Orleans;. Kirche zu Holebüll. - Adalbert Stifter-Denkmal in Wien. — Nu
mantinische Ausgrabungen; Weibliche atnerikan. Archäologen. — Ausstellungen in Berlin, Hannover, Oraz, Leipzig, Hamburg, London,
Paris. — Berliner National-Oalerie; Preußische Museen. — Forschungen. — Vermischtes.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Forschungen — Vermischtes
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motiven einen Vorklang des Eisenwalzwerks bietet. Noch
weiter zurück deutet eine flott gezeichnete Joseph-Potiphar-
Szene von Schnorr und einige italienische Landschaften
von Heinrich Reinhold. Schließlich findet man noch
eine Reihe der außerordentlich talentvollen Zeichnungen
von Ludwig Pietsch, namentlich schnell erfaßte Szenerien
aus dem Feldzug von 1870.
Die neu erworbenen Skulpturen werden eingeleitet
durch zwei herrliche Büsten des (auch durch zwei geniale
Zeichnungen vertretenen) alten Schadow: Friedrich der
Große (1792) und Nicolai (1798). Von Reinhold Begas
wurde die schöne Marmorgruppe »Venus und Amor« (1864),
die entzückende Bronzefigur der »Badenden« (aus demselben
Jahre) und ein Relief aus der Weimarer Zeit angekauft.
Von neueren Werken deutscher Plastik sind zu nennen,
der holzgeschnitzte»Wandersmann« vonlgnatzTaschner,
die Richard Strauß-Büste von Hugo Lederer, ein famoses
»Perlhuhn« von Max Esser, Georg Kolbes bezau-
bernde nackte Tänzerin, die im vorigen Sommer auf der
Berliner Sezession war, eine sehr gute Büste Albert Hertels
von Ebbinghaus und die nicht sehr glückliche Marmor-
statue eines Jünglings von Peterich. Es sind gewiß nicht
durchweg Werke allerersten Ranges, die hier zu nennen
waren, und man vermißt wohl einige Namen, die eigentlich
in der Nationalgalerie vertreten sein müßten; aber im
ganzen ist der Ertrag dieser Jahresernte kein geringer und
sei willkommen.
Um den preußischen Museen in Zukunft den Erwerb
wertvoller deutscher Kunstwerke zu erleichtern, fordert der
preußische Kultusminister im neuen Etat eine Summe von
dreiviertel Millionen Mark. Die Summe soll auch im
kommenden Jahre noch einmal für den gleichen Zweck
vom preußischen Abgeordnetenhause gefordert werden.
FORSCHUNGEN
Ein Bildnis des Herzogs Borso d'Este von Baldassare
d'Este will Graf Malaguzzi-Valeri in einem Täfelchen der
Sammlung des Fürsten Trivulzi erkennen. Er publiziert
das Bild im 7. Heft der Rassegna d'Arte. Die Identifikation
des Dargestellten ist durch den Vergleich mit den zahl-
reichen Bildnissen des Herzogs auf den Fresken des Pa-
lazzo Schifanoja gesichert; für die Zuschreibung an Bal-
dassare sprechen mehrere Wahrscheinlichkeitsgründe. Leider
ist die Tafel sehr schlecht erhalten. Besser erhalten ist
ein zweites Bildnis von Baldassare d'Este, das H. Cook
im 10. Heft derselben Zeitschrift abbildet, nachdem er es
schon im vorigen Jahrgang des Burlington Magazine pu-
bliziert hatte (vol. XIX, p 228 ff). Dieses Gemälde trägt
die volle Signatur Baldassares und steht stilistisch dem
Bilde beim Fürsten Trivulzi so nah, daß man beide Arbeiten
wohl demselben Künstler zuschreiben kann. Mit ihnen
ist also ein fester Ausgangspunkt zur Rekonstruktion des
Werkes Baldassare d'Estes gewonnen, der in Zukunft die
Zuschreibung anderer Bilder ermöglichen wird. _/
Das November-Dezemberheft (1912) der *Revue de
l'art chre'tien« enthält den dritten Teil des hochinteressanten
Artikels über die Maler von Nizza von L. H. Labande,
der sich mit der Ikonographie der Tafelbilder der Nizzaer
Gegend beschäftigt. In einem kürzeren Artikel weist P.
Bautier nach, wie eine kleine Verkündigung der Sammlung
G. Taymans in Brüssel (ausgestellt auf der Brüsseler Mi-
niaturenausstellung), das er für eine Arbeit des Vollschen
Meisters der Perle von Brabant zu halten geneigt ist, in
verschiedenen Zeichnungen (Berliner Kupferstichkabinett,
Sammlung Duval) sowie in zwei größeren Altarflügeln des
Meisters des Altars von Ehningen in der Stuttgarter Galerie
bereits im 15. Jahrhundert Wiederholungen erlebt hat. Der
Abbe Paul Liebaert bespricht alsdann einige jetzt in der
Bibliothek zu Autun befindlichen, für zwei Bischöfe dieser
Stadt, den Kardinal Rollin und Antoine de Chälon, aus-
geführten Miniaturhandschriften — interessante Produkte
der Fouquetschen und franco-flandrischen Richtungen.
-th.
VERMISCHTES
Amerikanische Notizen. Unter der Redaktion von
Wilhelm R. Valentiner, dem rührigen Leiter der kunstge-
werblichen Abteilung im Metropolitan-Museum zu New
York wird demnächst eine ernsthafte kunstwissenschaft-
liche Publikation, die erste in ihrer Art in Amerika, in
New York erscheinen. Die neue Zeitschrift, »Art in
America« betitelt, soll vornehmlich den künstlerischen An-
gelegenheiten der Vereinigten Staaten dienen und zählt
unter ihren zukünftigen Mitarbeitern alle irgendwie be-
kannten Kunstschriftsteller der Union und mehrere be-
deutende europäische Kunstgelehrte.
Soeben ist im Verlag des Metropolitan Museums in
New York eine Geschichte dieses größten Kunstinstituts
der Vereinigten Staaten, von Miß Winifred C. Howe ver-
faßt, erschienen. Der stattliche, etwa 300 Seiten fassende
Band enthält zahlreiche Illustrationen und ist in museums-
technischer sowohl als in kunsthistorischer Beziehung
äußerst lehrreich.
Dieses Museum hat auf der an sensationellen Preisen so
reichen Doucet-Auktion im Frühjahr vorigenjahresj. B Char-
dins »Les Apprets d'un dejeuner« erstanden. Das Bild ist in
Jean Guiffreys Katalog unter Nr. 120 zu finden. Weitere
Neuerwerbungen des Museums sind ein großes, signiertes
Stilleben von Jan Davidsz de Heem, eine Bramantino
zugeschriebene Madonna, Damenbildnis von Jan van Rave-
steyn, Bildnis des Leonhardt von Eck von Barthel Beham,
sowie einige moderne amerikanische Bilder von Walter
Gay, J. C. Nicoll usw. Unter den Skulpturen, die neuer-
dings in das Museum gekommen sind, verdienen Erwäh-
nung zwei marmorne Basreliefs-Porträts — von P. P.
Olivieri und zwei bemalte italienische Holzstatuen von
ca. 1400 — die Jungfrau und Johannes der Evangelist.
—th.
In Paris sind in dem neuen Theater an den Champs
Elysees, das in der kommenden Saison eröffnet werden
soll, einem beschränkten geladenen Kreise die Decken-
malereien gezeigt worden, die Maurice Denis für den
Zuschauerraum geschaffen hat. Die Decke ist in vier
Felder eingeteilt, auf denen der Tanz, die Symphonie,
die Oper und das lyrische Drama dargestellt sind. Der
Tanz zeigt uns Apollo als Reigenführer mit den tanzenden
Musen in einer antiken Landschaft, in der Symphonie er-
scheinen Beethoven und Bach mit dem Gefolge ihrer alle-
gorisierten Schöpfungen in einem geheimnisvollen Hain,
die Oper findet ihre Örtlichkeit im Park von Versailles,
wo zwischen den Vertretern ihrer Hauptrollen die Kompo-
nisten Mozart, Lulli, Rameau und Gluck sichtbar werden,
und im lyrischen Drama, worunter Denis das zu verstehen
scheint, was man in Deutschland die große Oper nennt,
sieht man Parsival mit dem erhobenen Graal, Brunhilde
und Sieglinde und in einer anderen Gruppe die Trojaner
von Berlioz. Maurice Denis hat hier wohl die schönste
Aufgabe erhalten, die ihm bisher zuteil geworden ist, und
es ist sehr erfreulich, daß er endlich Gelegenheit gefunden
hat, seine starke und eigenartige dekorative Begabung
an einem Orte zu betätigen, der dem Publikum zugänglich
ist oder sein wird.
Inhalt: Das mittelalterliche Hausbuch. — Personalien. — Friedhof in Orleans;. Kirche zu Holebüll. - Adalbert Stifter-Denkmal in Wien. — Nu
mantinische Ausgrabungen; Weibliche atnerikan. Archäologen. — Ausstellungen in Berlin, Hannover, Oraz, Leipzig, Hamburg, London,
Paris. — Berliner National-Oalerie; Preußische Museen. — Forschungen. — Vermischtes.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig