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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Nürnberger Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0186

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Nürnberger Brief

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bauten sind über Erwarten rasch, wesentlich durch
reichlich fließende Spenden aus dem Reich und
Deutsch-Österreich, aufgebracht worden.

Aus der Fülle wertvoller Neuerwerbungen für
die Sammlungen, die das Museum etwa seit dem
Herbst zu verzeichnen gehabt hat, muß hier vor allem
eine ganze Reihe von Gemälden hervorgehoben wer-
den. Eine bedeutsame Ergänzung der Galerie bildet
ein leider nicht in seinem ursprünglichen Zustande
auf uns gekommenes, sondern stark übermaltes Tafel-
bild wahrscheinlich der Erfurter Schule aus
dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts mit der Dar-
stellung der Dornenkrönung unter reicher, gotischer
Baldachinarchitektur. Das Bild hat ein, ehemals wohl
zu dem gleichen Altar gehöriges Seitenstück mit der
Geißelung Christi in der Gemäldesammlung desLouvre,
das dort als französische Schule bezeichnet wird.
Vier große, trefflich erhaltene und eindrucksvolle
Passionsbilder eines Flügelaltars von etwa 1470,
die Eccehomoszene, Handwaschung, Kreuzschleppung
und Kreuzigung, wurden aus Bozener Privatbesitz
erworben und werden auch wohl der Kunst der
deutschen Alpenländer zuzuteilen sein. Die weitaus
kostbarste Erwerbung der ganzen letzten Zeit ist sodann
eine Madonna mit Kind von Hans Baidung
Grün aus dem Jahre 1530, ein Gemälde von starker
Wirkung, das manche Vorzüge des großen Meisters,
daneben freilich auch einige seiner Schwächen, deutlich
erkennen läßt, vor allem seine kraftvolle Loslösung
von der Typik des Mittelalters. Ganz neuartig ist
diese groß aufgefaßte, ernste Frauenerscheinung in
blauschwarzer Gewandung, neu für jene Zeit die
schmeichelnde Geste des Jesusknaben, neu die sinn-
volle Huldigung für die Gottesmutter durch vor sie
hingestreute Edelsteine. Das weißlich graue Inkarnat
wird ursprünglich wohl einen etwas frischeren,
rosigeren Ton aufgewiesen haben. Das bedeutende
Bild, das sich ehemals in der Galerie Liechtenstein
befand, konnte aus dem Pariser Kunsthandel für
Deutschland zurückgewonnen werden. Etwa der
gleichen Zeit wie die Baldungsche Madonna, mag
ein künstlerisch ungleich geringeres Bild der Donau-
schule angehören, das eine Szene aus der Legende
des Apostels Philippus zur Anschauung bringt
und den Einfluß der Kunst Grünewalds zu verraten
scheint. Ein Brustbild Kaiser Karls V. (aus der
Sammlung Noll), das das Museum der Munifizenz
Kaiser Franz Josephs von Österreich verdankt, ist
offenbar die der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
entstammende vorzügliche Kopie eines wohl zugrunde
gegangenen bedeutenden Originals (etwa Barthel Be-
hams?) aus der Zeit um 1530; denn im Alter von
etwa 30 Jahren findet sich der Kaiser augenscheinlich
mit großer Porträtähnlichkeit, hier dargestellt. In das
18. Jahrhundert führt uns eine erstaunlich modern
anmutende Ölskizze von Johann Christian Rein-
hart (1761—1847), Landschaft mit Kloster, da-
tiert von 1785, in das 19. Jahrhundert endlich ein
in warmem Ton gehaltenes, in Technik und Vortrag
gleich vollendetes Landschäftchen »Motivbei Possen-
hofen« von Ernst Kaiser (1802—1865). Ein präch-

tiges Bildnis seines nunmehr dahingeschiedenen hohen
Protektors, des Prinzregenten Luitpold von
Bayern verdankt das Museum Prof. Walter Firle
in München.

Unter den Erwerbungen von Werken der
Plastik ist außer einer hochinteressanten Petrus-
figur aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts,
deren Ankauf aber bereits dreiviertel Jahr zurückliegt,
vor allem eine Beweinung Christi aus Lindenholz
mit reichlichen Spuren alter Bemalung, vielleicht ober-
rheinisch, Anfang des 16. Jahrhunderts, hervorzuheben,
die wiederum aus der Sammlung Noll stammt. Der
Auktionskatalog (Prestel in Frankfurt a. M.) bezeich-
nete die Gruppe, die einstmals eine Predella ge-
schmückt haben mag, wohl unrichtig als Tiroler
Arbeit. Sie ist das Werk eines äußerst geschickten
und sicheren Schnitzers, dem es aber mehr um eine
rasche und virtuose Leistung als um fein abgewogene
und bedeutende künstlerische Wirkung zu tun war.
Mit dem Sandsteinrelief des heil. Antonius,
um 1530, aus der gleichen Sammlung, ist nunmehr
auch die westfälische Plastik, mit dem Epitaph des
1554 gestorbenen Johannes Menger, Abtes von
Kastl, der Eichstätter Meister Loy Hering durch ein
Originalwerk im Germanischen Museum vertreten.
Von geringerer Bedeutung sind eine Marmorstatue
des Apostels Philippus aus dem 17., ein König
David aus dem beginnenden 18. Jahrhundert. Da-
gegen sind unter den neu erworbenen Werken der
Keinplastik noch ein paar hervorragende Stücke,
vor allem das Wachsrelief einer lässig laufenden
nackten Frau, das wohl dem Kreise Ludwig Krugs
oder Peter Flötners zuzuteilen ist, dann ein subtil
ausgeführtes Relief in Solenhofer Stein mit der
Enthauptung der heiligen Barbara aus der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Daneben wären
etwa noch eine große runde Blei piakette, Land-
schaft mit Jäger, aus dem 16. Jahrhundert und eine
Anzahl Medaillen von Hans Reinhard d.Ä. (1536),
Valentin Maler (1583), Johann Bensheimer
(1658) u. a. zu erwähnen.

Die kunstgewerblichen Abteilungen wurden
u. a. durch die verschiedenartigen Stücke eines in der
Nähe von Pretzfeld in der Fränkischen Schweiz
gemachten Silberfundes aus der Zeit der Spät-
renaissance, unter denen ein zum Teil vergoldeter,
auf drei Eicheln mit spiralig gewundenen Stengeln
stehender, in Form und Verzierung schmucker Becher
das reizvollste und kostbarste ist, ferner durch ein
dreiteiliges, von 1640 datiertes Chorgestühl mit
kräftig ausladender Schnitzerei (aus der Sammlung
Roettgen), durch einen geschmackvoll gravierten Pro-
portionalzirkel von dem Nürnberger Baumeister
und Ingenieur Johann Carl (1587—1665) und
andere wissenschaftliche Instrumente ansehnlich be-
reichert.

Endlich müssen hier noch, wenigstens summarisch,
drei geschlossene Sammlungen genannt werden, um
die das Museum neuerdings vermehrt worden ist,
nämlich eine reichhaltige Sammlung von prä-
historischen Funden aus Thalmässing und
 
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