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Literatur
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Interesse sind ferner die kunstgewerblichen Arbeiten, die
Möbel, Porzellane, Silber und Ooldgeräte, sowie viele
Schmucksachen aus Eisen und Messing mit der Devise:
»Gold gab ich für Eisen»; ferner sehen wir Waffen, Fahnen,
Uniformstücke, viele Urkunden und eine Anzahl Karikaturen
auf Napoleon, die das interessante Kulturbild vervoll-
ständigen. Aus Anlaß der Jahrhundertfeier wurde auf den
Hufen ein Standbild des Generals York errichtet, das von
Walter Rosenberg modelliert ist. Die Büsten des
Grafen Dohna und des Bürgermeisters Heidemann, von
Stanislaus Cauer bezw. W. Rosenberg modelliert,
wurden im Landeshaus aufgestellt. Prof. Dettmann hatte
für den Einzug des Kaisers ein Monumentalbild geschaffen,
das in der Form eines Triptychons eine Verherrlichung
der Erhebung Ostpreußens in den Befreiungskriegen dar-
stellt. Eine dauernde Bereicherung unserer öffentlichen
Monumente ist die Aufstellung des Schmuckbrunnens von
Prof. August Gaul. Aus einem Wasserbassin erhebt sich
ein breiter Sockel, der zwei gewaltige, kämpfende Auer-
ochsen trägt. Gaul ist wohl zweifellos der bedeutendste
Tierdarsteller der Gegenwart und dieses neue Werk seiner
Hand gehört zu dem Besten, was der Meister bisher ge-
schaffen hat. — d—
LITERATUR
Fritz Goldschmidt, Pontormo, Rosso und Bronzino. Ein
Versuch zur Geschichte der Raumdarstellung. Mit einem
Index ihrer Figurenkompositionen. Leipzig 1911. Ver-
lag von Klinkhardt & Biermann.
Diese geschmackvoll ausgestattete Studie verdient eine,
wenn auch verspätete Besprechung schon darum, weil sie
in mancher Hinsicht einen Typus vorstellt — in gutem,
wie in schlechtem Sinn. Angeborene Abneigung gegen
die pedantische Anwendung des angeschwollenen Apparats
der Kunstarchäologie, schriftstellerisches Talent und eine
unmittelbare, im Grund aber unhistorische oder doch ein-
seitige Betrachtungsweise haben seit Wölfflins glänzendem
Beispiel manchen guten Kopf dahin gebracht, einen posi-
tiven geschichtlichen Sachverhalt in der Kunst allein aus
den — noch dazu stark dezimierten — Werken ablesen
zu wollen, ähnlich wie ein die empirischen Wissenschaften
vernachlässigender Philosoph spekulativ, nur aus dem Material
seiner Begriffe und mit dem Rüstzeug seines Geistes das
Wesen der Dinge zu ergründen hofft. Diese Ungeduld,
zu absoluten Resultaten zu gelangen, den Rahm der Er-
kenntnis abzuschöpfen, ehe die Milch noch abgestanden
ist, führt zur Einseitigkeit, zur Formel, zum Schema, und
zwar in quantitativem Sinn durch die notwendige Be-
schränkung der Betrachtung auf einen begrenzten Komplex,
qualitativ durch die Beschränktheit der daraus gewonnenen
Erkenntnis. Im vorliegenden Fall werden die drei Künstler
nur auf ihr Verhältnis zur Raumdarstellung untersucht —
genauer gesagt, es wird bei jedem gezeigt, durch welche
Kompositionsmittel er das Problem der Erzeugung eines
plastischen Raumgefühls bei Figurenkompositionen zu be-
wältigen sucht. Dabei handelt es sich bei dem Verfasser
bloß um die Komposition der Formen in der Fläche. Wie
die Lichtbehandlung, das Helldunkel bei der Lösung des
Problems mitwirkt, wird nur in vereinzelten Fällen berührt,
die Farbe als Raumkompositionsmittel ist gar nicht berück-
sichtigt. Der historische Sinn muß sich fragen, ob durch
eine so weitgehende Beschränkung in seiner Behandlung
der Sinn des Problems nicht leidet. Ebenso wie man das
Problem der Gegenreformation nicht allein aus den Akten
des tridentinischen Konzils darstellen könnte.
Dasselbe gilt von der Beschränkungder Untersuchungauf
die Figurenkompositionen. Bronzinos Behandlung des Raum-
problems läßt sich ohne seine Porträts weder erfassen, noch
darstellen. Der Hinweis ferner auf die lang übersehene kolo-
ristische Entwicklung bei den Manieristen sei nur deshalb
wiederholt, weil gerade hier in der bewußten Vereinheit-
lichung des Kolorits — allerdings durch andere Mittel und
in anderer Absicht als bei den Venetianern — Bronzino
nicht nur über die Großmeister hinausgeht, sondern sich
mit seinem kühlen Gesamtton auch von dem noch von
Andrea del Sarto stammenden Sfumato der Pontormo und
Rosso grundsätzlich unterscheidet, weil ferner darin zum
Teil die künstlerische Tat Bronzinos besteht und weil sich
schließlich gerade darin ein tieferes Verhältnis zur Raum-
darstellung ausdrückt, von dem einen das Jonglieren
mit Diagonalen, Pyramiden und spitzen Vierecken nichts
ahnen läßt.
Wenn ich von der Beschränktheit der aus dieser Be-
trachtungsart resultierenden Erkenntnisse sprach, war da-
mit nicht gemeint, daß sie ohne Geist seien. Ganz im
Gegenteil! So sind auch die Kompositionsanalysen fast
durchwegs geistvoll gesehn und gedacht und ebenso treff-
sicher als anmutig ausgedrückt. Eben diese Fähigkeit
aber, ein beinahe dramatisches Psychologisieren des geistig
Erschauten, verleitet den Verfasser dazu, seine Resultate
zu Formeln zuzuspitzen, die viel zu dürftig sind, als daß sie
überzeugen könnten. Ich glaube weder, daß Pontormo ein
Grübler war, noch Rosso ein Weltmann, am allerwenigsten
aber, daß Bronzino ein Akademiker ist, wenn ich auch das
Körnchen Wahrheit in diesen Charakterisierungen nicht
verkenne. Es kommt aber darauf gar nicht an, weil ihr
Wesen damit doch auf keinen Fall erschöpft ist.
Georg Sobotka.
Artur Volkmann, Vom Sehen und Gestalten. Mit 16 Bil-
dern und einem Brieffaksimile. E. Diederichs, Jena.
Mark 3.50.
Der Plastiker, Maler und Graphiker A. Volkmann ist,
seit er sich vor etwa zwei Jahren in Frankfurt angesiedelt
hat, nun auch unter die Schriftsteller gegangen. Volkmann
gibt in seiner Schrift sowohl die Ereignisse seines Lebens-
ganges, als auch seine künstlerischen Erfahrungen und Ein-
sichten. Er läßt uns einen Blick tun in das Denken und
Gestalten des Plastikers, wie auch in die der Malerei
eigenen und gemäßen Gesetze. Daß Volkmann, ein im
Sinne der klassischen Plastiker denkender und schaffender
Künstler, zur heute üblichen, mehr oder minder aus dem
Naturalismus herausgewachsenen Bildnerei im Gegensatz
steht, ist verständlich und wird sofort klar, wenn man den
Mittelpunkt des Volkmannschen Schaffens erkannt hat:
Marees. Als längster und engster Schüler dieses großen
Erneuerers alter kunstgesetzlicher Werte, baut er auf seinen
ästhetischen Forderungen weiter und bildet fort, was Marees'
Leben und Werk nicht vollenden konnte. Daß Marees ein
besonderes Kapitel gewidmet, daß seine heute schon von
Irrtümern umrankte Kunstlehre in ihrer einfachen, klaren
Nacktheit und Wahrheit hingestellt wurde, darf Volkmann
als besonderes Verdienst zugerechnet werden. Die bei-
gegebenen 16 Bildtafeln zeigen den Entwicklungsgang dieser
Kunstlehre im plastischen und malerischen Schaffen Volk-
manns. Nach dieser Seite hin auch soll diese Schrift der
Aufmerksamkeit empfohlen werden. Bgr.
Inhalt: Die letztjährigen Ausgrabungen in Ägypten. Von Max Maas. — Personalien. — Ausstellungen in Frankfurt a. M., Magdeburg, Riga. —
Schlesisches Museum der bildenden Künste in Breslau; Galerie für moderne Kunst in Florenz; Stockholmer Nationalmuseum. — Kunst-
wissenschaftliche Gesellschaff in München; Dresdner Museumsverein. — Vermischtes. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
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Interesse sind ferner die kunstgewerblichen Arbeiten, die
Möbel, Porzellane, Silber und Ooldgeräte, sowie viele
Schmucksachen aus Eisen und Messing mit der Devise:
»Gold gab ich für Eisen»; ferner sehen wir Waffen, Fahnen,
Uniformstücke, viele Urkunden und eine Anzahl Karikaturen
auf Napoleon, die das interessante Kulturbild vervoll-
ständigen. Aus Anlaß der Jahrhundertfeier wurde auf den
Hufen ein Standbild des Generals York errichtet, das von
Walter Rosenberg modelliert ist. Die Büsten des
Grafen Dohna und des Bürgermeisters Heidemann, von
Stanislaus Cauer bezw. W. Rosenberg modelliert,
wurden im Landeshaus aufgestellt. Prof. Dettmann hatte
für den Einzug des Kaisers ein Monumentalbild geschaffen,
das in der Form eines Triptychons eine Verherrlichung
der Erhebung Ostpreußens in den Befreiungskriegen dar-
stellt. Eine dauernde Bereicherung unserer öffentlichen
Monumente ist die Aufstellung des Schmuckbrunnens von
Prof. August Gaul. Aus einem Wasserbassin erhebt sich
ein breiter Sockel, der zwei gewaltige, kämpfende Auer-
ochsen trägt. Gaul ist wohl zweifellos der bedeutendste
Tierdarsteller der Gegenwart und dieses neue Werk seiner
Hand gehört zu dem Besten, was der Meister bisher ge-
schaffen hat. — d—
LITERATUR
Fritz Goldschmidt, Pontormo, Rosso und Bronzino. Ein
Versuch zur Geschichte der Raumdarstellung. Mit einem
Index ihrer Figurenkompositionen. Leipzig 1911. Ver-
lag von Klinkhardt & Biermann.
Diese geschmackvoll ausgestattete Studie verdient eine,
wenn auch verspätete Besprechung schon darum, weil sie
in mancher Hinsicht einen Typus vorstellt — in gutem,
wie in schlechtem Sinn. Angeborene Abneigung gegen
die pedantische Anwendung des angeschwollenen Apparats
der Kunstarchäologie, schriftstellerisches Talent und eine
unmittelbare, im Grund aber unhistorische oder doch ein-
seitige Betrachtungsweise haben seit Wölfflins glänzendem
Beispiel manchen guten Kopf dahin gebracht, einen posi-
tiven geschichtlichen Sachverhalt in der Kunst allein aus
den — noch dazu stark dezimierten — Werken ablesen
zu wollen, ähnlich wie ein die empirischen Wissenschaften
vernachlässigender Philosoph spekulativ, nur aus dem Material
seiner Begriffe und mit dem Rüstzeug seines Geistes das
Wesen der Dinge zu ergründen hofft. Diese Ungeduld,
zu absoluten Resultaten zu gelangen, den Rahm der Er-
kenntnis abzuschöpfen, ehe die Milch noch abgestanden
ist, führt zur Einseitigkeit, zur Formel, zum Schema, und
zwar in quantitativem Sinn durch die notwendige Be-
schränkung der Betrachtung auf einen begrenzten Komplex,
qualitativ durch die Beschränktheit der daraus gewonnenen
Erkenntnis. Im vorliegenden Fall werden die drei Künstler
nur auf ihr Verhältnis zur Raumdarstellung untersucht —
genauer gesagt, es wird bei jedem gezeigt, durch welche
Kompositionsmittel er das Problem der Erzeugung eines
plastischen Raumgefühls bei Figurenkompositionen zu be-
wältigen sucht. Dabei handelt es sich bei dem Verfasser
bloß um die Komposition der Formen in der Fläche. Wie
die Lichtbehandlung, das Helldunkel bei der Lösung des
Problems mitwirkt, wird nur in vereinzelten Fällen berührt,
die Farbe als Raumkompositionsmittel ist gar nicht berück-
sichtigt. Der historische Sinn muß sich fragen, ob durch
eine so weitgehende Beschränkung in seiner Behandlung
der Sinn des Problems nicht leidet. Ebenso wie man das
Problem der Gegenreformation nicht allein aus den Akten
des tridentinischen Konzils darstellen könnte.
Dasselbe gilt von der Beschränkungder Untersuchungauf
die Figurenkompositionen. Bronzinos Behandlung des Raum-
problems läßt sich ohne seine Porträts weder erfassen, noch
darstellen. Der Hinweis ferner auf die lang übersehene kolo-
ristische Entwicklung bei den Manieristen sei nur deshalb
wiederholt, weil gerade hier in der bewußten Vereinheit-
lichung des Kolorits — allerdings durch andere Mittel und
in anderer Absicht als bei den Venetianern — Bronzino
nicht nur über die Großmeister hinausgeht, sondern sich
mit seinem kühlen Gesamtton auch von dem noch von
Andrea del Sarto stammenden Sfumato der Pontormo und
Rosso grundsätzlich unterscheidet, weil ferner darin zum
Teil die künstlerische Tat Bronzinos besteht und weil sich
schließlich gerade darin ein tieferes Verhältnis zur Raum-
darstellung ausdrückt, von dem einen das Jonglieren
mit Diagonalen, Pyramiden und spitzen Vierecken nichts
ahnen läßt.
Wenn ich von der Beschränktheit der aus dieser Be-
trachtungsart resultierenden Erkenntnisse sprach, war da-
mit nicht gemeint, daß sie ohne Geist seien. Ganz im
Gegenteil! So sind auch die Kompositionsanalysen fast
durchwegs geistvoll gesehn und gedacht und ebenso treff-
sicher als anmutig ausgedrückt. Eben diese Fähigkeit
aber, ein beinahe dramatisches Psychologisieren des geistig
Erschauten, verleitet den Verfasser dazu, seine Resultate
zu Formeln zuzuspitzen, die viel zu dürftig sind, als daß sie
überzeugen könnten. Ich glaube weder, daß Pontormo ein
Grübler war, noch Rosso ein Weltmann, am allerwenigsten
aber, daß Bronzino ein Akademiker ist, wenn ich auch das
Körnchen Wahrheit in diesen Charakterisierungen nicht
verkenne. Es kommt aber darauf gar nicht an, weil ihr
Wesen damit doch auf keinen Fall erschöpft ist.
Georg Sobotka.
Artur Volkmann, Vom Sehen und Gestalten. Mit 16 Bil-
dern und einem Brieffaksimile. E. Diederichs, Jena.
Mark 3.50.
Der Plastiker, Maler und Graphiker A. Volkmann ist,
seit er sich vor etwa zwei Jahren in Frankfurt angesiedelt
hat, nun auch unter die Schriftsteller gegangen. Volkmann
gibt in seiner Schrift sowohl die Ereignisse seines Lebens-
ganges, als auch seine künstlerischen Erfahrungen und Ein-
sichten. Er läßt uns einen Blick tun in das Denken und
Gestalten des Plastikers, wie auch in die der Malerei
eigenen und gemäßen Gesetze. Daß Volkmann, ein im
Sinne der klassischen Plastiker denkender und schaffender
Künstler, zur heute üblichen, mehr oder minder aus dem
Naturalismus herausgewachsenen Bildnerei im Gegensatz
steht, ist verständlich und wird sofort klar, wenn man den
Mittelpunkt des Volkmannschen Schaffens erkannt hat:
Marees. Als längster und engster Schüler dieses großen
Erneuerers alter kunstgesetzlicher Werte, baut er auf seinen
ästhetischen Forderungen weiter und bildet fort, was Marees'
Leben und Werk nicht vollenden konnte. Daß Marees ein
besonderes Kapitel gewidmet, daß seine heute schon von
Irrtümern umrankte Kunstlehre in ihrer einfachen, klaren
Nacktheit und Wahrheit hingestellt wurde, darf Volkmann
als besonderes Verdienst zugerechnet werden. Die bei-
gegebenen 16 Bildtafeln zeigen den Entwicklungsgang dieser
Kunstlehre im plastischen und malerischen Schaffen Volk-
manns. Nach dieser Seite hin auch soll diese Schrift der
Aufmerksamkeit empfohlen werden. Bgr.
Inhalt: Die letztjährigen Ausgrabungen in Ägypten. Von Max Maas. — Personalien. — Ausstellungen in Frankfurt a. M., Magdeburg, Riga. —
Schlesisches Museum der bildenden Künste in Breslau; Galerie für moderne Kunst in Florenz; Stockholmer Nationalmuseum. — Kunst-
wissenschaftliche Gesellschaff in München; Dresdner Museumsverein. — Vermischtes. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig