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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Sammlungen — Forschungen

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um »Glasmalerei« im gewöhnlichen Sinne, also um bemalte
Scheiben, sondern um Glasmosaik im Sinne der alten
Meister, um Zusammensetzungen farbiger, nur selten in
sich auch zeichnerisch-malerisch behandelter Glasstücke,
bei denen die Verbleiungen die Rolle der Konturen über-
nehmen. Der Eindruck, der mit solchen Mitteln erzielt
wird, ist ein großartiger.

Bei Gurlitt stellt der Franzose Le Fauconnier,
einer der selbständigsten Köpfe aus dem Kreise um Picasso,
zum erstenmal in Berlin aus. Auch er huldigt der ku-
bistischen Flächenzerlegung, und seine Leidenschaft zum
schematischen Aufbau von Dreiecken und anderen geome-
trisch gehaltenen Flächen führt oft zu ganz abstrakten und
doktrinären Gebilden, die sich aller sinnlichen Wirkung
begeben. Aber Le Fauconnier hat dann wieder ein merk-
würdiges Gefühl für Tonschönheit und geschmackvoll ab-
gestufte Valeurs, das in Verbindung mit jener strengen
Formgebung zu neuen und sehr interessanten Resultaten
führt. Namentlich unter seinen Bildnisköpfen und größeren
Porträts sind Stücke, die durch eine Mischung aus souveräner
Auffassung und alter malerischer Kultur seltsam fesseln.

In Paris ist jedermann Maler und beinahe jeder-
mann Sammler. Dort gibt es alljährlich eine große
Ausstellung der malenden Eisenbahnbeamten und eine noch
viel größere der malenden Postleute. Dazu kommt in
diesem Jahre eine Ausstellung im Cercle militaire, wo nur
Offiziere ihre Malereien zeigen. Im einzelnen ist nichts
davon zu nennen, nur als bedeutsames Sympton der durch
alle Franzosen oder richtiger durch alle Pariser gehenden
künstlerischen Betätigung soll die Ausstellung erwähnt
werden. Auffallend ist darin übrigens, daß weit mehr
Stilleben und Landschaften als Soldaten und militärische
Szenen gezeigt werden.

Paris. Bei Gelegenheit des Concours hippique wird
in Paris eine sehr interessante Ausstellung von Arbeiten
französischer Tiermaler und Tierbildhauer veranstaltet,
wobei die retrospektive Abteilung mit Barye, Bonheur,
Fremiet, Gericault, Delacroix, Decamps, Fromentin, Vernet,
Meissonier und anderen ein besonderer Clou zu werden
verspricht.

SAMMLUNGEN
Paris. Aus dem Nachlaß des Sammlers Che>amy
gelangt durch letztwillige Verfügung ein aus mehreren
Gründen sehr interessantes Gemälde in den Besitz der
Pariser Oper, die bekanntlich ein allerdings weiteren
Kreisen unbekanntes kleines Museum besitzt. Es ist das Bildnis,
das Renoir im Winter 1882, kurz vor dem Tode des Mu-
sikers, von Richard Wagner in Venedig gemalt hat. Das
Bild war eine Zeitlang verschollen, und Renoir selbst
wußte nicht, wo es geblieben war, bis es vor einigen
Jahren wieder auftauchte und von Cheramy angekauft
wurde. Künstlerisch und auch gegenständlich weniger
interessant ist das Porträt der Schauspielerin Clairon von
Carmontelle, welches Cheramy der Comedie francaise ver-
macht hat.

FORSCHUNGEN
Schwedische Kunstschätze. Olof Granberg hat uns
mit dem zweiten Bande seiner trefflich gedruckten, reich
und schön illustrierten Arbeit über die schwedischen Kunst-
sammlungen1) Genuß, Belehrung und Überraschungen aller
Art bereitet. An diesem allen war auch der erste Band
schon reich'2). Wir finden hier noch einige Abbildungen,

1) Inventaire General des Tresors d'Art . . . en Suede
par Olof Granberg (Selbstverlag).

2) Von mir besprochen in »Kunst en Kunstleven«, 1911.

welche zu dem ersten Bande gehören. Etwas lästig; aber
wer einen Band dieser hervorragenden Publikation be-
sitzt, will auch den andern haben.

Es ist unglaublich, welch eine Menge ganz bedeuten-
der Kunstwerke sich in schwedischem Privatbesitz befindet.
Freilich, solch ein Buch hat eine ganz gefährliche Schatten-
seite. Bei den enorm gesteigerten Preisen mancher Meister
ist ein solcher »Katalog« der Führer aller Kunsthändler,
welche auf die leichteste Art erfahren, wo noch etwas
Gutes zu erhaschen ist. So muß Granberg schon konsta-
tieren, daß einige im ersten Band genannten Bilder seit
dem Erscheinen desselben Schweden verlassen haben.

Dagegen, welch eine Quelle des Studiums sind diese
Bände für die Kunstwissenschaft! Zahlreiche Künstler er-
scheinen uns hier wieder in einem ganz neuen Lichte, ganz
unbekannte Maler erscheinen auf einmal vor uns als ganz
bedeutende Meister — ich nenne z. B. nur das Bild von
Constantyn Verhout 1663. Ein junger Mann sitzt hinter
einem Tisch; auf diesem liegt ein merkwürdiges Bücher-
stilleben, so schön gemalt, wie das nur in der besten Zeit
gemacht werden konnte. Die Komposition ist nicht glück-
lich, die Beleuchtung, die den jungen Mann im Halbdunkel
läßt, aber einen grellen Schein auf die Bücher wirft, da-
gegen höchst originell. Houbraken erwähnt Verhout nur
vorübergehend als den Lehrer des Johannes Verhout, nennt
ihn aber »een fraai schulder van moderne Historien«.

Aber ehe ich noch einige andere merkwürdige Bilder
erwähne, sei konstatiert, daß dieser Band die Beschreibung
von 376 und die (sehr guten) Abbildungen von 100 Bildern
enthält. Ein paar der merkwürdigsten Stücke des National-
museums hat Granberg mit Recht gleichfalls aufgenommen.

Abb. Nr. 1 u. 2 zeigen uns Werke von Hans Muelich
aus der Kirche zu Solna. Sie wurden 1632 von den Schweden
aus München mitgenommen. Die Grablegung muß wohl
das Meisterwerk des Muelich sein; einige Köpfe sind vor-
züglich im Ausdruck. Abb. 3: Familiengruppe von Terborch:
Vater, Mutter und drei Kinder. Bedeutendes Bild, das aber
gelitten zu haben scheint. Abb. 4: Terborch, ein Pferd in
einem fein beleuchteten Stalle, zwei Figuren. Pikantes,
schönes Bild!

Abb. 5: Stilleben, groß bezeichnet, von Barent Ver-
meer. Von diesem vermutlichen Kalff-Schüler kommen
immer mehr Bilder ans Tageslicht. The Burlington Maga-
zine bildete kürzlich das Stück ab, das nach Südafrika
geht; das hier reproduzierte erinnert an das ähnliche
Bild im Würzburger Schloß. Wie Kalff liebt er die herab-
hängende Zitronenschale und den blauen chinesischen
Teller. Kunsthistorisch wichtig ist Abb. 6, eine Dornen-
krönung des Aernout Mytens, des ältesten dieses Namens,
über den Oud Holland s. Z. berichtete und der viel in
Süditalien arbeitete. Erfreulich ist das (im Nationalmu-
seum befindliche) Bild nicht. Drei prächtige Chardins,
ein Figurenbild und zwei Stilleben aus der reichen Samm-
lung Wachtmeister bieten dem Auge dagegen einen Hoch-
genuß. Abb. 13u. 14 sind Kuriositäten: Schwedische adlige
Herren, von Pietro da Cortona um 1655 in Rom gemalt.
Elegante Verfallkunst! Abb. 15. Wieder etwas Seltenes:
eine Regenbogenlandschaft von van Goyen! Auch noch
mehrere van Goyen und Molyn sind abgebildet; lustig ist
der reichbeladene Wagen, der eine Brücke überschreitet —
ein van Goyen ohne einen Baum.

Die Marine scheint allerersten Ranges zu sein; man
fühlt den Wind, der die Segel schwellen läßt. Abb. 21
bringt einen hervorragenden Metsu: Mann mit Hut, der
seine Pfeife anzünden will, ans Tageslicht. Nr. 22 ist ein
nicht weniger bedeutendes Bild dieses großen Künstlers:
eine »Poffertjes bakster« und Frau mit zwei Kindern.
 
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