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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Die Umgestaltung der Gemäldegalerie des Wiener Hofmuseums, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0232

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Die Neugestaltung der Gemäldegalerie des Wiener Hofmuseums

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linken Wand hängt der »Mann mit der goldenen Tier-
pranke in der Hand« (215), umgeben von kleineren
Bildern von Lotto (darunter Nr. 1528, die »Kirchliche
Allegorie« eine Umtaufe, früher J. Rottenhammer), von
Schiavone und Palma Oiovine. Die Mitte der rechten
Scherwand beherrscht die farbenglühende Madonna
mit Heiligen (214) von Lotto, links Nr. 212, »Ein
junger Held« (heute »Venezianisch, Anf. des 16. Jahr-
hunderts« genannt, früher Pellegrino da San Daniele),
rechts der Aristoteles von Savoldo. Die linke Wand
des folgenden länglichen Mittelteils des zweiten Ka-
binetts enthält in der Mitte die Anbetung von Schia-
vone (261), rechts und links das Männerporträt (255)
und die Lucretia (234) von Jac. Tintoretto. An der
Längswand hängen in der untern Reihe (von links
nach rechts) der barmherzige Samariter (283) von Fr.
Bassano, der »Mann im Lehnstuhl« (230) von J. Tin-
toretto, Christus vor dem Hause des Jairus (396) von
Veronese (Mitte), das Porträt Nr. 250 von J. Tintoretto
und die frühe, bassaneske Anbetung (272) von Greco.
In der Reihe darüber kleinere Bilder von Fr. Bassano u. a.
Die rechte Scherwand nehmen drei Porträts von J.
Tintoretto (Nr. 235,242,245) und die Anbetung (Nr. 183)
von Cesare Vecelli (Umtaufe, früher Tizian) ein, dar-
über Bilder von Schiavone. In der dritten Abteilung
des zweiten Kabinetts hängen die besten kleineren
Bilder und Skizzen von den Bassani, von Schiavone,
Palma Giovine, Paolo Farinato, die aus dem großen
Besitze der Sammlung gerade an diesen Bildern so
ausgewählt wurden, daß man von der großen Mal-
kunst dieser Venezianer, von denen früher allzugroße
Massen qualitativ recht ungleicher Bilder in beäng-
stigender Menge beisammen hingen und den Eindruck
verwirrten, nun den höchsten Eindruck empfängt.

Das folgende Kabinett III (zwei Abteilungen), das
(wie das vierte) den mittelitalienischen Schulen ein-
geräumt ist, ist wieder grün bespannt wie Saal I. An
der Mittelwand der ersten Abteilung hängt, allein, die
Madonna im Grünen von Raffael. In der Mitte der
linken Scherwand die hl. Familie (Nr. 46) von Fran-
ciabigio, umgeben von (zum Teil recht schwachen)
Bildern von Sarto, Pontormo, Mazzolino usw. Neu
aus dem Depot hinzugekommen ist Nr. 84 a, Christus
und die Samariterin, »Ferraresisch um 1520«. In der
Mitte der rechten Wand die Maria mit den zwei Hei-
ligen von Perugino, links und rechts Bilder von Peru-
gino und Parmigianino (Nr. 65 und 66). Die zweite
Abteilung dieses Kabinetts bietet an der Mittelwand
der schönen Beweinung (39) von Sarto einen unver-
gleichlich besseren Platz als früher; rechts und links
davon zwei kleine Bildchen von Parmigianino (57 und
58). Die linke Scherwand zeigt in der Mitte das
große Porträt des Baglione (67) von Parmigianino,
flankiert von den hl. Familien von Vasari (93) und
Sodoma (51). Zwischen Tür und Fenster hat der
berühmte bogenspannende Amor von Parmigianino
seinen Platz gefunden.

Das Eckkabinett IV, das durch die tote Ecke
zwischen den Fenstern besondere Schwierigkeiten ge-
macht hat, ist ebenfalls grün bespannt (wie auch das
folgende). Die linke bestbeleuchtete Wand trägt die

drei großen Altarbilder von Perugino (27), Fra Bar-
tolomeo (41, in der Mitte) und Francia (47). An der
rechtwinklig dazu stehenden Wand hängen Bilder von
Fra Bartolomeo, Pontormo, Salviati u. a. Hier ist
Nr. 98a, Christus und die Tochter des Jairus, »Flo-
rentinisch, 16. Jahrhundert«, aus dem Depot hinzu-
gekommen. Die dunkle Ecke zwischen den zwei
Fenstern wurde so überwunden, daß man diese Ecke
durch eine Scherwand abschnitt, wodurch freilich das
Licht immer noch nicht ausreicht, um die Bilder gut
zur Geltung zu bringen. Doch bei solchen vom Ar-
chitekten von Grund aus verpfuschten Sälen hört alle
Kunst und aller Witz des Museumsbeamten auf. An
dieser schiefen Wand hängt in der Mitte ein Altarbild
aus der Werkstatt von S. Marco (38), links die außer-
ordentlich interessante hl. Familie (49) von Bronzino,
für die man ein besseres Licht gewünscht hätte, rechts
die hl. Margarete (31) von Giulio Romano.

Die erste Abteilung des Kabinetts V wurde den
kleinen florentinischen und oberitalienischen Bildern
des 15. Jahrhunderts, die leider den schwächsten Teil
der Sammlung bedeuten, überlassen. An der linken
Wand in der Mitte der kleine Benozzo (26), darüber
Nr. 84 Madonna, »Ferraresisch 15. Jahrhundert« (Um-
taufe, früher Mailändisch), umgeben von Porträts von
de Predis und Costa. An der rechten Wand hängt
in der Mitte das schönste Bild dieser Abteilung, der
hl. Sebastian von Mantegna, links davon (in der untern
Reihe) zwei neu hinzugekommene Grisaillen von Man-
tegna, die Opferung Isaaks (81a) und David als Sieger
über Goliath (81b), rechts der Leichnam Christi (90)
von Cos. Tura (Umtaufe, früher Zoppo). In der oberen
Reihe dieKopien nach Mantegnas »Triumphzug Casars«,
auf deren Aufstellung man gerne verzichtet hätte.

Die zweite Abteilung des fünften Kabinetts wird
durch die beiden, trotz ihres schlechten Zustandes
immer noch herrlichen Bilder Correggios, der Jo und
des Ganymed, die je in der Mitte der beiden Seiten-
wände hängen, im Eindruck bestimmt. Was sich sonst
in diesem Räume befindet, Arbeiten von Ces. da Sesto,
Luini, Solario (Nr. 82a Salome, neu hinzugekommen),
kann dagegen nicht aufkommen. Nur die ganz prächtige
Bekehrung Sauls von Dosso Dossi (68a), die eben-
falls aus dem Depot hervorgeholt wurde und über
der Ausgangstüre dieses Kabinetts sehr wirkungsvoll
angebracht wurde, vermag daneben zu interessieren.

So müssen wir auch diesen zweiten Rundgang
mit dem Ausdruck der Befriedigung schließen, ein
Gefühl, das schließlich trotz der eingangs geäußerten
Bedenken und trotz des gelegentlich empfundenen
Wunsches, die Sichtung der Bilder möchte eine noch
strengere und radikalere gewesen sein, überwiegt und
den Wunsch rege werden läßt, der Galerieleitung
möchte es bald vergönnt sein, ihre reformatorische
Tätigkeit auch auf die anderen Abteilungen der Samm-
lung zu erstrecken. Die Säle der italienischen Barock-
meister sind schon »in der Arbeit«. Hoffentlich können
wir bald über ihre Eröffnung berichten.

Anhang: Zur Ermöglichung einer genauen Orien-
tierung über den derzeitigen Bestand der in den beiden
Italienersälen samt Kabinetten ausgestellten Bilder mögen
 
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