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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0270

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519

Literatur

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haupt nicht dreinzureden hat. Wenn nicht das evangelisch-
lutherische Landeskonsistorium den Segen der Tätigkeit
der Kommission erkannt hätte und sie in Anspruch nähme,
hätte sie kaum irgendwelchen Einfluß. Namentlich fehlt
es an einem Landeskonservator, der im Lande umherreist
und sich von etwaigen Bauvorhaben überzeugt. Die Ein-
richtung der nun 20 Jahre bestehenden Kommission möchte
daher reformiert werden. Über den reichen positiven In-
halt der beiden Vorträge zu berichten fehlt es an Raum.
Gediegen und inhaltreich war auch der Vortrag von Prof.
Dr. Bestelmeyer über baukünstlerische Aufgaben der
evangelischen Kirche in der Gegenwart. Weiter sprach
Prof. Dr. Bruck über die künstlerische Ausstattung des
gottesdienstlichen Raums, Prof. Dr. Berling über kirchliche
Kleinkunst und der Rektor des Freiberger Gymnasiums
Prof. Dr. E. O. Schmidt über den älteren Kirchenbau in
Sachsen in kulturgeschichtlicher Beziehung. Den Schluß
machte Prof. Dr. Högg mit einem sehr anregenden Vor-
trag über Friedhofskunst. Dazu wurden die wichtigsten
Dresdner evangelischen Kirchen — Frauenkirche, Kreuz-
kirche, Christuskirche — besichtigt und im Kgl. Kunst-
gewerbe-Museum war eine Ausstellung kirchlicher Klein-
kunst veranstaltet. Der ganze Kursus in seiner zweck-
mäßigen Ausgestaltung und in seiner straffen Durchführung
verlief durchaus befriedigend und übermittelte den Teil-
nehmern eine Fülle von Belehrungen und Anregungen.
Es ist deshalb zu wünschen, daß er nicht der einzige seiner
Art in Sachsen bleibe, sondern in nicht allzuferner Zeit
wiederholt werde. Auch in anderen deutschen Städten,
wie in Bonn (durch Clemen) und in München (durch
Hager) haben ja schon ähnliche Kurse stattgefunden und
sich gleichen starken Beifalls zu erfreuen gehabt.

LITERATUR

C. O. H. Geißler, der Zeichner der Leipziger Völker-
schlacht. Aus dem Nachlaß von Gustav Wustmann.
Mit 40 Textabbildungen und vier Farbendrucktafeln.
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig 1912. Brosch. M. 5.—,
in Ganzleinen geb. M. 6.—.
Gottfried Geißler, geboren 1770 in Leipzig, gestorben
in Leipzig 1844, ist keiner von den Großen im Reiche der
Kunst. Nicht als Maler, sondern als Zeichner hat er den
Beifall seiner Zeitgenossen gefunden; als Illustrator und
als Schilderer der wichtigsten zeitgenössischen Ereig-
nisse ist er bei Sammlern und Forschern bekannt und ge-
schätzt geblieben, und diesen Blättern verdankt er auch
die stattliche Monographie, die jetzt zu der 100. Wieder-
kehr des großen Jahres 1813 erschienen ist. Möge sie
Geißlers Namen in weite Kreise tragen!

Geißler ist mit seiner Vaterstadt Leipzig eng verwachsen,
doch folgte auf seine Lehrjahre in Leipzig zunächst ein längerer
Aufenthalt in Rußland in den Jahren 1790 bis 1798. Als
Reisebegleiter und Zeichner des berühmten Naturforschers
Pallas lernte er Südrußland und die Krim gründlich kennen,
überall für die wissenschaftlichen Werke seines Gönners
eifrig arbeitend und die künstlerischen Eindrücke seiner
Fahrten durch das fremdartige Land mit dem Zeichenstift
festhaltend. Er drang so tief in die Eigenart des russischen
Volkes ein, daß er oft noch in späteren Blättern unwill-
kürlich russische Gestalten aufs Papier warf, auch wo es
sich gar nicht um russische Szenen handelte.

Leipzig, schon damals der Vorort des deutschen Buch-
handels, der Sitz großer und rühriger Verlagshandlungen,
bot dem jungen Künstler nach seiner Rückkehr aus Ruß-
land reiche und mannigfaltige Arbeit. Sein eigentliches
Lebenswerk setzte aber erst im Jahre 1806 ein, als die große
Not der Zeit auch über Leipzig hereinbrach. Nach der un-
glücklichen Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt rückte
am 18. Oktober 1806 das Korps des Marschalls Davoust
in Leipzig ein, und von diesen Oktobertagen des Jahres
1806 bis zu den welterschütternden Oktobertagen des Jahres
1813 hat Geißler eifrig und geschickt die großen Ereignisse
der Zeit durch seinen Stift auf dem Papier festgehalten.
Vielen Tausenden, die Geißlers Namen kaum kennen, sind
dochGeißlersche Blätter bekannt: die Ankunft der Löffelgarde
in Leipzig und die Blätter der Leipziger Kriegsszenen und
der Sächsischen Kriegsszenen, die Trümmer der franzö-
sischen Armee bei ihrer Rückkehr aus Rußland und unter
den zahlreichen Szenen aus der Schlacht bei Leipzig das
große Blatt mit dem Schlußkampf der Völkerschlacht auf
dem Fleischerplatze am 19. Oktober 1813. Was Geißlers
Darstellungen vor denen anderer Künstler auszeichnet,
das ist die Wahl des günstigsten Augenblickes, die scharfe
Beobachtung dessen, was er wirklich gesehen hat, und die
lebenswahre, treue Zeichnung. Die Schilderung, wie der
Künstler am 19. Oktober 1813 von Matralzen umpanzert
den pfeifenden Kugeln an dem Fenster seiner Wohnung
trotzt, um die letzten Kämpfe auf dem Fleischerplatze zu
skizzieren, ist ein sprechendes Zeugnis seiner Glaubwürdig-
keit. Das sind keine Phantasiegebilde; es ist lebensvolle
Wahrheit. Als treuer, gewissenhafter Zeichner der Leipziger
Völkerschlacht wird Geißler auch in fernen Zeiten noch
lebendig bleiben.

Die übrigen Werke Geißlers — Bilder aus dem täg-
lichen Leben, Buchschmuck, allerlei Gelegenheitsarbeiten, in
denen uns oft ein liebenswürdiger Humor entgegentritt —
sind weithin verstreut, und es hat einer langen Arbeit des
Sammeins und Sichtens bedurft, diesen Überblick über das
ganze Lebenswerk des Künstlers zu geben; da soll beson-
ders hervorgehoben werden, daß man dem Buche die oft
mühselige Mosaikarbeit nicht anmerkt. Gustav Wustmann,
der Verfasser des größten Teils des Textes, hat die Ver-
öffentlichung nicht mehr erlebt. Als er am 22. Dezember
1910 starb, war das Manuskript etwa zu drei Vierteilen
für den Druck ausgearbeitet. Das Werk zu vollenden, dazu
war niemand mehr berufen als der Sohn, Rudolf Wustmann,
der wie sein Vater gründliches Wissen mit der Kunst
geschmackvoller Darstellung verbindet. Die Fugen zwischen
der Arbeit des Vaters und des Sohnes sind nirgends sicht-
bar, und es ist gewiß auch recht, daß sie nicht durch
äußere Zeichen oder in Anmerkungen kenntlich gemacht
sind. Groß ist auch die eigene Arbeit Rudolf Wustmanns
gewesen, besonders bei der Beschaffung der einzelnen
Blätter Geißlers; erfreulicherweise haben hierbei neben
den öffentlichen Sammlungen in Leipzig mehrere private
Sammler ihre Mappen bereitwillig zur Verfügung gestellt.
Ein Beitrag der König-Johann-Stiftung hat die Herstellung
der farbigen Tafeln ermöglicht, und die Verlagshandlung
von E. A. Seemann hat das Buch reich und schön aus-
gestattet. Ein Wunsch bleibt vielleicht noch übrig: ein
Verzeichnis der einzelnen Blätter Geißlers, aber dieser
Wunsch soll unsere Freude über diese wertvolle literarische
Gabe nicht beeinträchtigen. Emst Knker.

Inhalt: Die Berliner Jubiläums-Kunstausstellung. — Eugene Cottinf; Oaston Hochard f. - Personalien. — Wettbewerb: Lutherdenkmal auf der
Feste Koburg. — Ausgrabungen in Veji.— Ausstellungen in Paris, Königsberg i. Pr., Dresden, London. — Graph. Sammlung des Leipziger
Museums. — Alte Kopien nach Cuyp. — Hermann-Stiftung in Dresden. — Vermischtes. — Literatur.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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